Neubauten sind begehrt – doch vielerorts fehlen Bauplätze Foto: dpa

Sollen Grundstückseigentümer enteignet werden können, damit neue Häuser entstehen? Entsprechende Überlegungen im Wirtschaftsministerium stoßen auf gemischte Resonanz.

Stuttgart - Kürzlich hat Grün-Schwarz ein Hindernis für Neubauten beseitigt: Die Kommunen können nun selbst entscheiden, ob sie Fahrradstellplätze verlangen. Ein deutlich größeres Problem bleibt allerdings weiter ungelöst. Vielerorts fehlt es an Bauland.

Mit Überlegungen, wie diese schwierige Aufgabe bewältigt werden könnte, hat das Wirtschaftsministerium nun für Aufregung gesorgt. In einem Schreiben an die Mitglieder der Wohnraumallianz fragte es, was diese von so genannten „Innenentwicklungsmaßnahmen“ hielten, um gezielt innerörtliche Brachflächen und Baulücken zu aktivieren. Im Klartext: Kommunen könnten die Möglichkeit erhalten, Eigentümer solcher Grundstücke zum Bauen zu verpflichten. Geschieht dies nicht und verkaufen diese das Bauland auch nicht, könnten sie notfalls enteignet werden.

„Das Ministerium prüft derzeit bundespolitische Erwägungen. Es gibt aber noch keine abschließende Positionierung“, sagte eine Sprecherin am Montag in Stuttgart. Mit einer solchen Möglichkeit würde das Land den „Kommunen ein weiteres Instrument an die Hand geben, im öffentlichen Interesse und aus städtebaulichen Gründen Grundstücke einer Bebauung zuzuführen, die in der Regel bereits bebaubar sind, jedoch nicht bebaut werden.“ Klar sei aber auch: „Ein Eingriff ins Eigentum kann nur ein äußerstes Mittel sein und muss sorgfältig abgewogen werden.“

Kommunen fordern neue Modelle

Die Meinungen zu diesem Vorschlag gehen weit auseinander. Der Gemeindetag kann ihm nichts abgewinnen. „Der Schutz der Eigentümer hat überragende Bedeutung“, sagt Gemeindetagspräsident Roger Kehle. Statt Zwang seien gute Argumente nötig, um Eigentümer zum Abgeben ihrer Grundstücke zu bewegen. Dazu könnten neue Modelle beitragen, etwa, dass Grundstücke nur befristet bereitgestellt werden. Dort könnten zum Beispiel Holzhäuser errichtet werden, die sich nach einiger Zeit wieder entfernen ließen. Für Eigentümer könnten zusätzliche Einnahmen ein Anreiz sein, Flächen auf Zeit abzugeben.

Auch der Städtetag sieht die Überlegungen skeptisch. Vor solchen „sehr, sehr weitgehenden Eingriffe in das Eigentum“ seien andere Schritte nötig, sagte Städtetagsdezernentin Susanne Nusser. Erst einmal müsse der Bund seine Hausaufgaben machen und Änderungen bei der Grundsteuer vornehmen. Durch eine stärkere Besteuerung unbebauter Grundstücke sollen Eigentümer motiviert werden, diese als Bauland zur Verfügung zu stellen.

Mieterbund begrüßt Überlegungen

Der Verband der Haus- und Grundbesitzer weist die Überlegungen des Ministeriums zurück. Mit einer solchen Möglichkeit werde massiv in das Eigentumsrecht eingegriffen, kritisierte Landeschef Ottmar Wernicke. „Zudem besteht die Gefahr, dass das Gesetz auch auf Gebiete angewendet wird, die sich nicht dafür eignen, etwa eine Einfamilienhaussiedlung mit großen Gärten.“

Der Deutsche Mieterbund hingegen begrüßt die Möglichkeit für Kommunen, baureife Grundstücke notfalls zu enteignen. „Immer wieder klagen Bürgermeister und Gemeinderäte über die vielen ungenutzten Baugrundstücke und die rechtlichen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des gesetzlichen Baugebots“, sagte Landeschef Rolf Gaßmann. „Wenn innerstädtische Bauflächen äußerst knapp sind, kann das Brachliegen von baureifen Grundstücken, oft aus spekulativen Gründen, durch die Allgemeinheit nicht weiter hingenommen werden.“

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte, die Überlegungen des Ministeriums seien ein „Angriff auf das Eigentum“. Für neuen Wohnraum sei privates Kapital notwendig. „Da können Sie nicht mit Zwang agieren, sondern Sie müssen das Investieren attraktiv machen. Dazu könnte man beispielsweise die Grunderwerbsteuer absenken oder für sie Freibeträge schaffen. Auch müsste so dereguliert werden, dass die Leute auch wieder zum Vermieten bereit sind.“

Widerspruch kommt auch von der CDU-Fraktion im Landtag. „Wir stehen zum verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums. Es muss sich daher niemand Sorgen machen“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher Claus Paal. „In meinen Augen ist dies eine typische Diskussion im politischen Sommerloch.“