Keine Besserung in Sicht: In den kommenden Jahre werden wohl weniger Wohnungen fertiggestellt – trotz steigenden Bedarfs. Foto: imago/Jochen Tack

Im vergangenen Jahr wurden 295 300 Wohnungen in Deutschland gebaut – mehr als erwartet. Die Krise am Wohnungsmarkt wird sich dennoch wohl verschlimmern, kommentiert Tobias Heimbach.

Einmal konnte sich Bauministerin Klara Geywitz ein Kichern nicht verkneifen. Ob sie enttäuscht sei, dass im vergangenen Jahr lediglich 1900 Wohnungen mehr fertiggestellt wurden als 2021, wurde sie bei der Pressekonferenz gefragt. Dabei war ihr anzusehen: Das Gegenteil war der Fall. Es lief ja sogar besser als erwartet.

Tatsächlich waren die Zahlen überraschend, die das Statistische Bundesamt zum Wohnungsbau vorlegte. Nach offizieller Zählung wurden 295 300 Wohnungen fertiggestellt. Zuletzt hatten Branchenexperten mit deutlich weniger gerechnet. Das ist erst einmal eine positive Nachricht – und Geywitz‘ unübersehbare Freude darüber verständlich.

Jedoch: Von den 400 000 neugebauten Wohnungen pro Jahr, die sich die Ampelregierung als ambitioniertes Ziel in den Koalitionsvertrag geschrieben hatte, ist man weit entfernt. Vom tatsächlichen Bedarf noch weiter. Den definierte Geywitz auch aufgrund des Zuzugs von Flüchtlingen mit bis zu 600 000 Wohnungen.

Zumal die Aussichten keine Hoffnung machen. Die Baubranche rechnet damit, dass im aktuellen Jahr lediglich 250 000 Wohnungen fertiggestellt werden. Insbesondere Wohnungsunternehmen stellen zwar begonnene Häuser fertig, investieren jedoch kaum in neue Projekte. Der Grund dafür ist der toxische Cocktail aus hohen Bauzinsen, Fachkräftemangel und verteuerten Baumaterialien.

Krise am Wohnungsmarkt droht sich zu verschlimmern

Wohin das führt, kann jeder sehen. Hundert Meter lange Schlangen in Großstädten, wenn Mietwohnungen günstig angeboten werden, WG-Zimmer in Uni-Städten für 700 Euro und Familien, die ihre Grundstücke an die Kommunen zurückgeben, weil sie sich den Bau eines Einfamilienhauses aufgrund rapide gestiegener Kosten nicht mehr leisten können. Probleme, die sich in den kommenden Jahren wohl noch verschlimmern werden.

Setzt man also die Zahlen ins Verhältnis, über die sich Geywitz so freut, so relativiert sich das Ganze schnell. Denn besser als erwartet, bedeutet längst nicht gut.