Auf dem Birkacher Feld könnten etwa 3600 Wohnungen gebaut werden, schätzt die Verwaltung. Foto: Rüdiger Ott

Die Wohnungsnot ist groß. Die Stadtverwaltung Stuttgart hat nun mögliche Baugebiete aufgelistet. In den Szenarien finden sich auch viele Flächen auf der Filderebene. Fast alle sind höchst umstritten und einige waren eigentlich schon längst vom Tisch.

Filder/Stuttgart - Die Protestwelle kommt schon langsam ins Rollen. Gerd Hütter, ein Mitglied im Bezirksbeirat von Plieningen, hat bereits an die Bezirksvorsteherin Andrea Lindel geschrieben und gefordert, dass die Verwaltung zeitnah über eventuell zur Debatte stehende Baugebiete berichtet.

Hintergrund ist ein Bericht im Stuttgarter Unterausschusses Wohnungsbau. Dort hat die Verwaltung in drei Szenarien skizziert, wo neue Wohnungen entstehen könnten. Sie antwortet damit auf einen Antrag von CDU, SPD und Freien Wählern zu Potenzialen für den Wohnungsbau. In der Präsentation tauchen auch Gebiete auf der Filderebene auf, die eigentlich schon längst vom Tisch waren.

Um welche Flächen geht es?

Allen voran geht es um das Birkacher Feld. „Überraschend, dass die Bebauung des Birkacher Feldes einschließlich U-3-Führung erneut zur Diskussion steht“, schreibt Hütter. Bekanntlich hätten sich sowohl der Bezirksbeirat als auch die Bevölkerung in den vergangenen Jahren immer wieder mit Nachdruck dagegen ausgesprochen. „Das Birkacher Feld ist Naherholungsgebiet, Frischluftschneise und landwirtschaftlich genutztes Gebiet“, zählt Gerhard Hütter in seiner E-Mail auf.

Das Birkacher Feld taucht im Szenario 2 auf, also bei den Flächen im Außenbereich, die potenziell bebaut werden könnten. Das Gebiet ist 65 Hektar groß. Nach Einschätzung der Verwaltung könnten dort etwa 3600 Wohnungen entstehen. Es hat damit das größte Potenzial überhaupt.

Ebenso auf der Szenario-2-Liste findet sich das Gebiet Hoffeld-West mit 14,5 Hektar und Platz für 610 Wohnungen. Der dritte Kandidat von der Filderebene im Szenario 2 ist der Rohrer Weg mit 9,9 Hektar und möglichen 540 Wohnungen, so die Zahlen der Verwaltung.

Warum sind die Flächen umstritten?

In Stuttgart ist Wohnraum ebenso knapp wie Frischluft. Darum sollen und müssen neue Wohnungen gebaut werden, allerdings vorwiegend, indem im Innenbereich weiter verdichtet wird, und ohne dass neue Flächen versiegelt werden. Baugebiete, die diesem Ansatz entsprechen, werden in der sogenannten Zeitstufenliste erfasst. Sie sieht den Bau von 23 000 neuen Wohnungen bis zum Jahr 2029 vor. Ob das reicht, ist fraglich. Doch wer mehr Wohnungen will, muss Freiflächen opfern. Das Bauen auf Äckern oder in Erholungsgebieten, womöglich noch auf wertvollem Filderboden und in Frischluftschneisen, ist aber ebenso umstritten.

Was ist die Alternative?

Ein Mittelweg ist die Arrondierung von Ortsrändern. Das schlägt die Verwaltung im Szenario 3 vor. Die Liste umfasst sieben Gebiete – fünf davon sind auf der Filderebene. Insgesamt geht es damit um knapp 20 Hektar Filderboden auf der einen Seite – und knapp 1000 Wohnungen auf der anderen Seite.

Und wieder ist Birkach der Spitzenreiter. Die Fläche ist betitelt mit „Westlich Osumstraße“, gemeint ist der östliche Rand des Birkacher Feldes. Und zwar ein 9,6 Hektar großer Streifen, auf dem bis zu 530 Wohnungen gebaut werden könnten. Auch Hoffeld ist wieder auf der Liste zu finden, nun betitelt mit Binsenwiesen. Dabei geht es um zwei rechteckige Flächen am westlichen Ortsrand die zusammen 2,4 Hektar groß sind. Dort könnten noch 100 Wohnungen gebaut werden. Mit immerhin 150 Wohnungen auf 2,3 Hektar, kalkuliert die Verwaltung, würde man im Gebiet Trautäcker und am Esslinger Weg in Möhringen nachverdichten. Sogar eine Friedhofserweiterungsfläche ist im Gespräch, und zwar in Plieningen. Auch dort könnten 100 Wohnungen entstehen. Vergleichsweise gering ist das Potenzial im 2,4 Hektar großen Gebiet Schwellenäcker in Heumaden mit 40 Wohnungen.

Ist eine Bebauung wahrscheinlich?

Alle Gebiete in den Szenarien 2 und 3 sind naturgemäß umstritten – und das im Wortsinn, denn es geht um die Natur. Um die Flächen zu vergleichen und zu bewerten, welche sich am ehesten für eine Bebauung eignet, hat die Verwaltung für jede einzelne den ÖNW ermittelt. Die Abkürzung steht für Ökologischer Nachteil pro Wohneinheit. Und dieser ist beim Szenario 2 bei Hoffeld-West und beim Birkacher Feld jeweils im mittleren Bereich. Beim Rohrer Weg in Möhringen liegt er im roten Bereich, was bedeutet, dass die Nachteile überwiegen. Beim Szenario 3 ist Hoffeld die am ehesten geeignete Fläche, der ÖNW liegt im mittleren Bereich. Die Friedhofserweiterungsfläche in Plieningen ist im roten Bereich, die anderen Filderflächen befinden sich dazwischen.

Kennwerte sind das eine, der Widerstand der Menschen vor Ort das andere. Viel Gegenwind dürfte aus Heumaden zu erwarten sein. Die Verwaltung hat die Schwellenäcker vor einiger Zeit unter anderem für einen Neubau für die Freie Aktive Schule (FAS) ins Gespräch gebracht. Der Bezirksbeirat ist vehement dagegen.

Gerd Hütter erinnert in seiner an Andrea Lindel adressierten E-Mail auch daran, dass eine Bebauung der Friedhofserweiterungsfläche in Plieningen zu Lasten der Landwirte gehen würde und der Bezirksbeirat das abgelehnt habe.