Wie soll der Eieremann-Campus in Vaihingen künftig genutzt werden. Die CDU will dort überwiegend Büros und Gewerbe, doch dagegen erhebt sich breiter Widerstand. Foto: dpa

Die CDU will den Wohnungsanteil auf dem Eiermann-Campus auf 25 Prozent begrenzt wissen. Fachleute dagegen warnen in einem offenen Brief vor „prekären Nachbarschaften“ und appellieren an den Gemeinderat, die Chance für die Entstehung eines lebendigen Stadtquartiers nicht zu vergeben.

Stuttgart - Heftiger Gegenwind für die CDU-Fraktion im Gemeinderat: Die Stuttgarter Architektenschaft hat in einem offenen Brief, der dieser Zeitung vorliegt, vehement gegen die Absicht der Christdemokraten protestiert, den Wohnungsanteil auf dem ehemaligen IBM-Areal in Vaihingenauf 25 Prozent zu begrenzen. Über den Antrag, der auch die Zustimmung der Freien Wähler, der FDP und des Einzelstadtrats Ralph Schertlen (Stadtisten) findet, soll am Donnerstag im Gemeinderat entschieden werden.

Die CDU will den Standort mit den denkmalgeschützten Bürobauten des Architekten Egon Eiermann überwiegend für Forschung, Wissenschaft und Gewerbe reservieren. Fraktionschef Alexander Kotz denkt dabei etwa an Einrichtungen der Uni Vaihingen. Nach Informationen dieser Zeitung hat die Hochschule aber keinen Bedarf angemeldet, Forschungseinrichtungen in den Eiermann-Campus auszulagern.Für die fünf Stuttgarter Kammergruppen der Architektenkammer Baden-Württemberg ist es zwar für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ebenfalls unabdingbar, dass geeignete Flächen für Gewerbe- und Industrieansiedelungen vorgehalten werden. „Für den ehemaligen IBM-Campus hat sich allerdings in neun Jahren kein Nutzer aus diesem Bereich gefunden“, heißt es in dem Schreiben. Genau deshalb drohten die denkmalgeschützten Eiermann-Gebäude heute zu verfallen.

Grüne, SPD und SÖS-Linke-Plus bringen Gegenantrag ein

Die Architekten erinnern daran, dass die vier siegreichen Arbeiten im Wettbewerb, von denen drei mit den Stimmen der CDU-Vertreter im Preisgericht zur weiteren Überarbeitung ausgewählt wurden, allesamt Wert darauf gelegt hätten, dass „an diesem isolierten Standort“ eine kritische Masse an Wohnbevölkerung nicht unterschritten werden dürfe, um das Ziel eines lebendigen neuen Quartiers nicht zu gefährden. Andernfalls drohten „prekäre Nachbarschaften“.Auch der Städtebauausschuss, in dem Stadtplaner, Architekten und Wohnsoziologen sitzen, habe sich dieser Beurteilung angeschlossen. „Es stünde dem Gemeinderat gut an, nach diesem Votum der Fachöffentlichkeit dem Preisgericht zu vertrauen“, mahnen die Architekten. Abschließend appellieren sie an die Fraktionen im Rat, die Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, dass auf dem früheren IBM-Gelände ein innovatives Stadtquartier des 21. Jahrhunderts entstehen könne.

Ob der CDU-Antrag überhaupt eine Mehrheit im Gemeinderat findet, ist fraglich. Grüne, SPD und die Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus haben bereits zu erkennen gegeben, dass sie auf der Grundlage der Siegerentwürfe an der Entwicklung des Eiermann-Campus weiterarbeiten wollen. In einem interfraktionellen Gegenantrag heißt es: „Uns ist es besonders wichtig, dass der künftige Wohnanteil mindestens die Größe aufweisen sollte, die einen funktionierenden Stadtteil gewährleistet. Wie hoch dieser ist, ist im weiteren Verfahren zu erarbeiten.“ Auch die AfD hatte sich für einen höheren Wohnanteil auf dem Areal ausgesprochen. Die Gerch-Group um den Düsseldorfer Investor Mathias Düsterdick hatte das Gelände im vergangenen Oktober gekauftund will es unter dem Titel Garden Campus entwickeln.