Generationenübergreifende Wohnprojekte sind keine Selbstläufer, sondern Gemeinschaftsraum für Miteinander. Foto: Mierendorf

Generationenübergreifende Wohnprojekte schaffen Gemeinschaftsraum für ein Miteinander.

Stuttgart - Die Rümelinstraße Nummer 37 im Stuttgarter Norden. Hier hat die Landes-Bau-Genossenschaft Württemberg LBG vor gut drei Jahren eines der ersten generationenübergreifenden Wohnprojekte der Landeshauptstadt initiiert. In dem sanierten Mietshaus wohnen Familien mit Kindern, Alleinerziehende als auch Senioren unter einem Dach zusammen.

Lokaltermin: Der kurz gehaltene Rasen vor dem Mehrgenerationenhaus lädt geradezu zum Kicken ein. Doch der Hinweis auf dem Schild davor „Fußballspielen auf den Grünanlagen ist verboten” ist deutlich. Josef Vogel, kaufmännischer Geschäftsführer der LBG, schmunzelt, als er darauf angesprochen wird. Na ja, das Schild habe eigentlich eine andere Bewandtnis. In letzter Zeit hätte es einigen Ärger mit fremden Jugendlichen gegeben, die den Platz als Bolzplatz missbraucht hätten. Obwohl es ganz in der Nähe eine große Spielfläche gibt, habe man dieses Thema nur schwer in den Griff bekommen. „Und da mussten wir schon im Interesse der Bewohner handeln”, so seine Erklärung. Der zehnjährige Daut Musaj sieht das Verbot gelassen. Ja, ja, der Bolzplatz, den kenne er und er sei auch schon oft dort gewesen.

Rund 5500 Wohnungen besitzt die LBG in Baden-Württemberg. Auf das Mehrgenerationenhaus in der Rümelinstraße Nummer 37 ist Josef Vogel dabei besonders stolz, ist das sanierte Haus doch ein Vorzeigeobjekt seiner Genossenschaft. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2008 informierten sich immer wieder Bürgermeister, Stadtseniorenräte und Vertreter von Verbänden auch aus anderen Bundesländern über diese neue Wohnform, erzählt der Geschäftsführer. Er hat aber auch die Erfahrung machen müssen, dass man das Thema „Mehrgenerationenhaus” nicht zu blauäugig sehen darf. Bislang ist der Kontakt der Mieter im Haus Nummer 37 auch nicht anders als in jedem anderen Mietshaus der Genossenschaft.

Idealisierte Vorstellungen, nach denen Jung und Alt aufeinander zugehen, sind noch eher die Ausnahme. „Das Ganze funktioniert bislang nur, wenn wir es begleiten und in Gang halten”, ist die Erfahrung von Josef Vogel. Um das Miteinander im Mehrgenerationenhaus zu fördern, hat die Landes-Bau-Geossenschaft sogar einen Gemeinschaftsraum unter dem Dach eingerichtet, der von allen Mietern genutzt werden kann. Zusätzlich veranstaltet die LBG Mietertreffen für alle Mieter der Genossenschaft, bei denen auch schon mal Vincent Klink aus seiner Küchenpraxis geplaudert hat. Trotz der Veranstaltungen sei eine „gewisse Zurückhaltung” im Generationenhaus erkennbar, so der Geschäftsführer. „So wie im Fernsehen diese generationenübergreifenden Wohnformen immer dargestellt werden, ist es längst nicht überall, auch bei uns nicht”, ergänzt Marianne Müller, mit 80 Jahren die älteste Bewohnerin in der Rümelinstraße 37. „Mal einen guten Tag oder guten Weg wünschen, mehr ist da nicht drin”, sagt sie. Ihre Nachbarin Dzemile Musaj lächelt. Die Mutter von drei Kindern kann dem nur zustimmen. Zu viel Nähe zur Nachbarschaft - so Marianne Müller - sei auch nicht gut. Das bringe nur Gerede und Getratsche in die Hausgemeinschaft, hält die 80-Jährige nicht hinter dem Berg. Dennoch hat eine gute Nachbarschaft für die Seniorin einen hohen Stellenwert. Sie findet es schade, dass man besonders zu den Neuzugezogenen keinen Kontakt habe. „Früher haben sich die Leute noch bei den Nachbarn vorgestellt, wenn sie eingezogen sind”, ärgert sich die rüstige Rentnerin ein wenig. „Letztendlich haben wir es auch nicht im Griff, wie sich eine Hausgemeinschaft entwickelt”, spricht Josef Vogel über seine bisherigen Erfahrungen mit dem Projekt Mehrgenerationenhaus. Er ist sich aber sicher, dass mit der Zeit auch diese Gemeinschaft noch wachsen werde. Letztendlich komme es auch immer auf die jeweiligen Personen an, die in so einem Haus leben. Das Interesse von außen sei jedenfalls sehr groß. Allein für die Rümelinstraße stünden 18 Bewerber auf der Warteliste.

Obwohl auch beim Thema „Mehrgenerationenhaus” nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen” sei, plant die LBG weitere generationenübergreifende Wohnprojekte in Baden-Württemberg. „Die Nachfrage nach diesen Wohnformen, die es Alt und Jung ermöglichen, soziale Beziehungen in einer vertrauten Umgebung zu pflegen, wird noch mehr zunehmen”, ist sich Vogel sicher. Deshalb sei die Wohnungsanpassung für die Landes-Bau-Genossenschaft auch das primäre Thema der Zukunft. Zumal der Bedarf an seniorengerechten Wohnungen immer mehr steigen werde und schon jetzt die künftige Wohnungsnot in diesem Segment absehbar sei. Für den LBG-Vorstand steht dabei außer Frage, dass der Bedarf an gemeinschaftlichem Wohnen und am Wohnen in Verbindung mit hauswirtschaftlichen und pflegerischen Angeboten künftig noch stärker nachgefragt werde. Im kommenden Jahr plant die LBG die erste eigene genossenschaftlich organisierte Senioren-Wohngemeinschaft in Stuttgart. „Der Bedarf ist da”, prognostiziert Josef Vogel.