Ist das freistehende Einfamilienhaus noch zeitgemäß? Foto: photo 5000/Adobe Stock

In Großstädten wird es langsam eng. Viele träumen aber noch vom eigenen Häusle. Ist das noch zeitgemäß? Ein Gespräch mit den Städtebauern Britta Hüttenhain und Daniel Schönle.

Stuttgart - Der Andrang in den Großstädten ist nach wie vor ungebrochen. Die Wohnungsnot deshalb groß, die Preise steigen inzwischen auch in Stuttgart ins Unermessliche. Wie kann man dem begegnen? Wie werden wir in Zukunft in den Städten wohnen? Damit beschäftigen sich die beiden Stadtplaner und Architekten Daniel Schönle und Britta Hüttenhain am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart.

Herr Schönle, Frau Hüttenhain, viele Stadtplaner halten das Einfamilienhaus für wohnungspolitischen Irrsinn. Warum wollen so viele dennoch ein eigenes Häusle?

Schönle: Die Frage stellen wir uns gerade in einem Seminar mit Studierenden. Wir loten aus, was das Einfamilienhaus bis heute zur nachgefragtesten Wohnform in Deutschland macht, warum Planer ihren Fokus lieber auf urbanes Wohnen legen und Einfamilienhausquartiere oft „unter dem Radar“ entwickelt werden. Der Wunsch nach dem eigenen Haus hat oft romantische Gründe. Aber die Qualitäten des Wohnens im eigenen Heim liegen doch auf der Hand: ein Garten für die Kinder, viel Grün und eine geringe Dichte.

Wie werden wir in Zukunft wohnen in Städten?

Hüttenhain: Es wird verschiedene Wohnformen geben. Das eigene Haus mit Garten ist nur eine davon, die aber nur für eine kurze Lebensphase ideal ist. Neue Quartiere brauchen ein differenziertes Wohnungsangebot, verdichtet und mit hoher Qualität.

Schönle: Ich hoffe auf eine große Vielfalt: Vom Baumhaus bis zum Hochhaus ist für mich alles möglich. Ich möchte nichts verbieten. Aber aus planerischer Sicht sprechen Argumente gegen das Einfamilienhaus: hoher Flächenverbrauch, hohes Mobilitätsaufkommen, hohe Erschließungskosten, wenig Mischung und keine Gemeinschaft.

Sind Einfamilienhäuser auch unökologischer?

Schönle: Das hängt davon ab, welchen Aspekt von Ökologie wir betrachten. Bereits heute weisen besiedelte Gebiete häufig einen höheren Grad an Biodiversität auf als intensiv landwirtschaftlich genutzte Flächen. Naturnahe Gärten von Einfamilienhäusern können wertvolle Biotope sein. Und wir haben heute das Wissen und die Technik, Gebautes und Natur näher zusammenzubringen, auch durch das Bauen den ökologischen Wert einer Fläche zu erhöhen wie durch intensive Begrünung und die gezielte Schaffung von Lebensräumen für Pflanzen und Tiere als integraler Bestandteil der Architektur. Das „Plus-Ökologie-Haus“ ist möglich, sicher auch als Einfamilienhaus.

Auf dem Land gibt es jetzt schon viele Einfamilienhäuser, für die es keine Käufer mehr gibt.

Schönle: Viele Familien, die in den 1970er und den 1980er Jahren ein Haus bauten, haben das als Geldanlage gesehen, die sich in vielen peripheren Lagen nicht mehr als werthaltig erweist.

Wie kann man als Stadt darauf reagieren?

Hüttenhain: Es wird in Zukunft vermehrt darum gehen, den Transformationsprozess in den Bestandsquartieren zu begleiten. Es gibt auch zahlreiche Einfamilienhausquartiere, in denen ein bis zwei ältere Personen auf 300 m2 wohnen, während junge Familien Wohnraum suchen, der auf dem Markt nicht verfügbar ist, genauso wie kleine barrierefreie Wohnungen mit Infrastrukturangeboten und Gemeinschaftsräumen fehlen.

Das Problem ist ja bisher, dass Wohnräume für die unterschiedlichen Bedarfe fehlen.

Schönle: Ja, gerade in der Region muss man ein bedarfsgerechtes Angebot machen. Das gilt für junge Singles und Paare genauso wie für Familien und alte Menschen, aus allen sozialen Schichten. Wenn ich dieses differenzierte Angebot schaffen will, dann darf ich das nicht dem Markt alleine überlassen. Dafür braucht es unter anderem eine aktive Liegenschaftspolitik der öffentlichen Hand.

Wie begegnen Sie dem Problem als Planer?

Schönle: Wir setzen auf integrierte Konzepte für den Generationswechsel. Es wird eine große Aufgabe sein, Wohnungen für eine diverse Gesellschaft mit einem hohen Anteil älterer Menschen bereitzustellen. Hierbei werden Ansätze wie Beratung, Tauschbörsen, Hilfestellung bei Umzügen und Ähnliches eine wichtige Rolle spielen. Nach 40 Jahren wollen viele ja ungern ihr eigenes Haus verlassen.

Für solche Konzepte braucht man aber Platz.

Schönle: Grundsätzlich sollte das Ziel sein, den Flächenverbrauch gering zu halten. Allerdings sollten wir die Thematik Außenentwicklung im Hinblick auf die unterschiedlichen Aspekte Landschaftsschutz, Ökologie, Mobilität und Infrastruktur differenziert diskutieren und dabei über pauschale Zuweisungen hinausgehen.

Wie würden Sie dem Wohndruck in den Städten begegnen?

Schönle: Ein wichtiger Aspekt ist der steigende Pro-Kopf-Wohnflächen-Bedarf. Wenn man daran etwas ändert, relativiert sich der Druck auf den Markt. Jeder muss vielleicht mit weniger zurechtkommen, aber das kann vermutlich nicht gesetzlich erlassen werden. Natürlich müssen in der momentanen Situation Wohnungen gebaut werden. Aber ein wichtiger Faktor ist, unter welcher Trägerschaft diese Wohnungen entstehen. Viele Städte haben die Strukturen des gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus verkümmern lassen.

Hüttenhain: Die öffentliche Hand sollte es mit einer aktiven Liegenschaftspolitik und entsprechenden Vergabestrukturen ermöglichen, dass gemeinwohlorientierte Träger häufiger die Möglichkeit haben zu bauen.

Viele können sich die Stadt jetzt schon nicht mehr leisten.

Schönle: Das ist problematisch. Viele Kommunen unterstützen nun verstärkt Genossenschaften oder das Mietshäuser-Syndikat und reagieren bei den Vergaben auf deren Bedürfnisse. Viele städtische Wohnungsbaugesellschaften sind in den letzten Jahren ihrem Auftrag nicht nachgekommen und haben recht viel für den freien Markt gebaut.

Die Preise in der Stadt können viele Familien nicht mehr bezahlen. Liegt die Zukunft eher wieder auf dem Land?

Hüttenhain: Wir sind beide überzeugt, dass in Zukunft ländliche Regionen wieder verstärkt in den Fokus rücken werden – und mit ihnen die dort vorherrschende Wohntypologie: das Einfamilienhaus.