Eine Ein-Personen-Wohnung, kaum größer als ein Parkplatz: In Berlin wurde 2017 auf dem Areal des Bauhaus-Archivs eine „100-Euro-Wohnung“ vorgestellt. Foto: dpa

Lange stieg die Quadratmeterzahl an Wohnfläche pro Person stetig. Das hat sich inzwischen geändert. Die Menschen rücken wieder mehr zusammen. Die Wohnungszuschnitte werden kleiner.

Stuttgart - Jahrzehntelang gab es bei der durchschnittlichen Fläche pro Wohnung nur eine Tendenz: kräftig nach oben. Das galt für alle Wohnungstypen. Die Wohnfläche von Einfamilienhäusern etwa stieg in Stuttgart von durchschnittlich 136 Quadratmetern in der ersten Hälfte der 1990er Jahre auf 166 Quadratmeter in der ersten Hälfte des jetzigen Jahrzehnts. In Zweifamilienhäusern wuchs der Wert in diesem Zeitraum von 105 auf 123 Quadratmeter. Im Geschosswohnungbau der Mehrfamilienhäuser betrug das Plus ein Drittel, bei einem Zuwachs von 66 auf 88 Quadratmeter.

Das hat sich inzwischen aber etwas geändert. Im Jahr 2016, für das die aktuellsten Zahlen vorliegen, und auch schon ein paar Jahre davor verzeichnete das Statistische Amt der Stadt wenigstens im Geschosswohnungsbau „einen Trend zu etwas kleineren Wohnungen“, sagt Tobias Held, der Sachgebietsleiter Wohnen und Umwelt. So sank in diesem Bereich die Fläche pro Wohnung um vier auf noch 84 Quadratmeter. Diese Zahlen sind bereinigt um die große Zahl von Flüchtlingsunterkünften mit bekanntlich ausgesprochen kleinen Wohnungen.

Noch 39,6 Quadratmeter pro Person

Schon seit Beginn des Jahrzehnts steigt entsprechend auch die Belegungsdichte von Wohnungen in der Landeshauptstadt. Im Jahr 2010 lebten noch 1,87 Personen in einer Wohneinheit, es war der vorläufig niedrigste Wert, der inzwischen auf 1,96 Bewohner gestiegen ist. Entsprechend sank in dieser Zeit die Wohnfläche pro Person im Schnitt von 41 auf 39,5 Quadratmeter. Das sind immerhin eineinhalb Quadratmeter weniger.

Wobei diese Entwicklung je nach Stadtteil sehr unterschiedlich ausfällt. In der Halbhöhe und den Höhenrandlagen des Talkessels oder in einigen Vierteln im Norden und Süden der Stadt liegt die Wohnfläche pro Person noch immer überdurchschnittlich hoch bei mehr als 45 Quadratmetern. Ähnliches gilt für das Milaneo oder die Pariser Höfe im Europaviertel. In den dicht bebauten Quartieren im Talkessel oder im Osten der Stadt, so Held, sei der „Wohnflächenkonsum pro Kopf“ aber deutlich geringer.

Es werden zu wenig Wohnungen gebaut

Die Hauptursachen für die dichtere Belegung von Wohnungen liegen auf der Hand: Der starke Zuwachs an Einwohnern in den vergangenen Jahren und der dem in keiner Weise nachkommende Wohnungsbau. So sei seit 2010 die Zahl der Haushalte in Stuttgart um rund 24 900 gestiegen, sagt Tobias Held. „Gleichzeitig sind aber nur etwa 8400 Wohnungen dazugekommen.“ Anfang des Jahrzehnts hatte die Landeshauptstadt noch rund 573 000 Einwohner, im vergangenen Jahr waren es schon 611 660. Die Zahl der Geburten pro Jahr stieg von 5582 im Jahr 2011 auf 6725  im vorigen Jahr. Der Trend zu einer steigenden Belegungsdichte ist in allen Stadtgebieten zu verzeichnen, besonders aber in innerstädtischen Wohnlagen.

Dieser Entwicklung entspreche im Wohnungsbau inzwischen auch ein Trend zur „Verschlankung von Wohnungen“, sagt Carmen Mundorff, die der Geschäftsleitung der Architektenkammer Baden-Württemberg angehört. Die Architektin sieht dafür vor allem zwei Gründe. Angesichts der Flächenknappheit und hoher Baukosten sei dies ein Mittel, etwas günstiger bauen zu können. Überdies verstärke die Landesförderung diese Entwicklung durch „Flächenobergrenzen“ in den Förderrichtlinien.

„Intelligente Grundrisse“

Dank „intelligenter Grundrisse“ führe die Verringerung der Wohnflächen auch nicht zu sinkender Wohnqualität, ist Carmen Mundorff überzeugt. „Man kann bezahlbarer bauen, ohne an den Standards zu drehen.“ Anders als bei energetischen Vorgaben, die durch bessere Technik und die notwendige Reduzierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe voranschritten, könne man bei den Wohnungszuschnitten auch weiter „an der Kostenschraube drehen“.

Die Beispiele, wie man kleinere Wohnungsgrundrisse ermöglichen kann, sind vielfältig. Sie reichen von der raumsparenden und früher sehr verbreiteten Schiebetür in der Küche bis zum gemeinschaftlichen Waschraum im Keller, um die Waschmaschine aus dem Wohnung zu verbannen, bis zu Platz sparenden Einbaumöbeln. Oder man baut gleich sogenannte Clusterwohnungen. Bei dieser Kreuzung aus individueller Kleinwohnung und Wohngemeinschaft hat jeder Bewohner sein eigenes Zimmer oder ein kleines Appartement, aber die große Küche gehört dann allen zusammen. „Auf dieser Klaviatur müssen wir spielen“, sagt Architektin Mundorff. Bisher seien es vor allem kommunale Bauträger und Genossenschaften, die hier innovativ vorangingen.