An der Straße Roter Stich auf dem Burgholzhof in Stuttgart entstehen neue Einfamilienhäuser. Doch die Wohnbauflächen nin der Stadt werden immer knapper. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Eine neue Übersichtsliste der Stadtverwaltung lässt die Sorgen wachsen. Die Zahl der Wohnungen, für die bis zum Jahr 2025 Bauflächen absehbar sind, sinkt um rund 2000 auf 21 355. Besonders zwischen 2020 und 2025 werden wenige Projekte baureif.

Stuttgart - Die Sorgen um die Wohnungsversorgung in Stuttgart nehmen nach Jahren mit hoffnungsvolleren Anzeichen wieder zu. Das liegt an der aktualisierten Fassung der sogenannten Zeitstufenliste Wohnen, die von der Verwaltung am Dienstag den Stadträten vorgelegt wird. Sie zeigt auf, wann und wo bis 2025 neue Wohngebiete möglich werden – und wie viele Wohneinheiten.

Das Papier heißt Zeitstufenliste 2014, weil es die absehbare Entwicklung auf Basis der Rahmenbedingungen im Jahr 2014 skizziert. Unterm Strich stellt es 21 355 Wohnungen auf den von der Stadt beeinflussbaren flächen in Aussicht – rund 2000 weniger im Vergleich zu früheren Voraussagen, die man damals als recht beruhigend einschätzte.

Den tatsächlichen Bedarf kennt man mangels verlässlicher Daten noch weniger genau als die Flächenpotenziale. Den Sockelbedarf im Jahr 2030 bezifferten städtische Statistiker vor einiger Zeit mit 18 000 Einheiten. Das werde „von der Wirklichkeit des Wanderungsgeschehens“ aber überholt, heißt es in dem Papier der Verwaltung. Ende 2014 habe Stuttgart schon 3000 Einwohner mehr verzeichnet, als bei der Bedarfsschätzung unterstellt worden waren.

Flächenpotenziale werden nicht ausreichen

Die neue Kernbotschaft: Will die Stadt die vor rund zwei Jahren höher gesetzten Wohnungsbauziele erreichen und auch nach dem Jahr 2020 unbedingt 1800 neue Wohnungen pro Jahr ermöglichen, werden die heute absehbaren Flächenpotenziale nicht mehr ausreichen. Zumindest dann, wenn man an der Maxime festhält, neue Wohngebiete nicht draußen auf der für die Naherholung wichtigen grünen Wiese aus dem Boden zu stampfen, sondern drinnen in den Ortslagen oder in Verbindung mit den Ortslagen.

Das Ringen um Bauflächen muss also verstärkt werden. Deshalb nimmt sich die Stadtverwaltung auch zusätzliche Maßnahmen vor, um die sogenannte Innenentwicklung beizuhalten und die Ziele doch noch zu erreichen. Dabei ist das Feilen an den Wohnbauförderprogrammen nur ein Ansatz. Kommen soll auch ein „Dichtekonzept Wohnen“. Damit soll ausgelotet und aufgelistet werden, wo und wie in den Siedlungen noch Wohnungen draufgesattelt werden können, ohne dass man die städtebaulich zumutbare Verdichtung überschreitet.

Der Effekt könne beachtlich ausfallen, meint die Verwaltung, aber man werde mit den Menschen ausgiebig darüber diskutieren müssen. Bei den Wohngebieten, die von Mitte 2010 bis Mitte 2014 fertig wurden, liegt die Dichte schon über dem Wert von 75 Wohneinheiten je Hektar, der städtebaulich als wünschenswerte Untergrenze gilt. Mittlerweile werden 86,5 Einheiten erreicht. Die ehemals gemeinnützigen Wohnungsunternehmen wollen bei der Nachverdichtung helfen. Sie kündigten an, sie würden die von ihnen verwalteten Siedlungen unter die Lupe nehmen.

Die Stuttgart-21-Flächen kommen zu spät

Die 50 größten Wohngebiete, die absehbar sind und insgesamt mindestens 10 000 Wohnungen bringen sollen, will die Verwaltung in einem Wohnungsbauprogramm auflisten und rascher vorantreiben. Diese Flächen sollen bis 2020 planerisch bis zur Marktreife gebracht sein. Das Problem: Bei 15 Gebieten gibt es noch gravierende Hindernisse.

So war das Gebiet Am Schafhaus in Mühlhausen (250 mögliche Wohneinheiten) bisher nicht durchsetzbar, weil die Verkehrserschließung umstritten ist. Im Gebiet City-Prag ist die früher erhoffte Wohnungszahl nicht mehr erreichbar, weil das Neubaugebiet aus Lärmschutzgründen auf Distanz zum Theaterhaus bleiben muss. Vergleichbare Probleme gibt es im alten Güterbahnhof in Bad Cannstatt und beim geplanten Rosensteinviertel. Bei Letzterem fürchtet die Verwaltung um bis zu 400 Wohnungen, weil auch hier ein Puffer zwischen dem Kulturzentrum Wagenhallen und dem Wohngebiet nötig erscheint. Die Beispiele zeigen, wie sehr man bei der Rekrutierung neuer Wohnbauflächen an die Grenze gehen muss.

In dem neuen Papier werden auch spezielle Maßnahmen für bestimmte Zielgruppen empfohlen. Beispiel Studenten: Sie gelten neben den arbeitsplatzsuchenden Neubürgern als Hauptursache für den wachsenden Wohnungsbedarf. Daher hofft die Verwaltung, an uni-nahen Wohnbauflächen 1000 Wohnheimplätze entwickeln zu können.

Eine besondere Rolle spielen die Flächen, die das Bahnprojekt Stuttgart 21 für den Wohnungsbau generiert. Sie werden laut der Vorlage der Verwaltung dringend gebraucht, um den ab 2020 absehbaren besonderen Engpass zu mildern. Die fest eingeplanten Wohnungsstandorte im Europaviertel und im Rosensteinviertel mit einem Restpotenzial von etwa 6500 Einheiten kämen für den Wohnungsmarkt aber „um Jahre zu spät“, heißt es in der Vorlage. Nur Randgebiete an der Nordbahnhofstraße und an der Rosensteinstraße mit rund 1000 Einheiten würden schneller entwickelt.

Auch Baulücken helfen

Hintergrund

Für die 21 355 möglichen Wohnungen, die die Stadtverwaltung bis 2025 für denkbar hält, stehen voraussichtlich 247 Hektar Bauflächen zur Verfügung. Das sind etwa 26 Hektar weniger als vor vier Jahren avisiert wurden. Die Zahl der sofort verwertbaren Flächen ist in der Zeitstufenliste 2014 gleich, die Zahl der Wohnungen in dieser Sparte sogar beachtlich höher, weil man auf höhere bauliche Dichte setzt. Doch die Aussichten auf Flächen, die binnen einem bis drei Jahren baureif werden, haben sich drastisch verschlechtert.

Von den 21 355 Wohnungen könnten laut Verwaltung mindestens zehn Prozent doch noch entfallen – weil die Wohngebiete wegen schwieriger Verkehrserschließung nicht realisiert werden oder aus diversen Gründen kleiner ausfallen müssen. Andererseits hofft man, dass auf bisher noch gar nicht immer erkannten Baulücken Baulücken bis 2025 etwa 3000 neue Wohnungen möglich werden. Diese Neubauten kann die Stadt aber kaum beeinflussen. Sie sind in der Zahl von 21 355 Wohnungen in der Zeitstufenliste nicht enthalten.

Inwieweit die Neubauwohnungen den Bedarf decken, hängt von Rahmenbedingungen ab, die von der Stadt nicht beeinflussbar sind. Seit 2010 habe die „Wohnungsknappheit zugenommen“ und die Wohnkosten seien wie die Preise für Wohnimmobilien weiter gestiegen, stellte die Verwaltung fest. Der Investitions- und Preisdruck auf bisher preiswerte Innenstadtlagen und erneuerte Wohnungsbestände nehme weiter zu.

Die Nachfrage nach Wohnraum steige weiter wegen zusätzlicher Einwohner und weil pro Einwohner mehr Wohnfläche belegt wird. Der Zuwachs an Wohnraum werde durch die beengten Verhältnisse des Stadtraums und die hohen Grundstückskosten aber begrenzt.Die Kapitalmarktbedingungen seien aber günstig für den Wohnungsbau. Das schaffe Dynamik „trotz unzureichend wirksamer staatlicher Anreize für den Miet- und Eigentumssektor“. (jos)