Das geplante Wohngebiet Schafhaus im Norden Mühlhausens ist seit Jahren ein politischer Zankapfel. Foto: Yann Lange/Grafik StN

Die SPD ist das Zünglein an der Wage. Mit ihrer Zustimmung hat der Gemeinderat die Pläne für ein lange nicht weiterverfolgtes Baugebiet wieder zum Leben erweckt.

Stuttgart - „Das ist ein historischer Moment“, sagte der Fraktionschef der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, abseits der Sitzung. Da hatten CDU, FDP und Freie Wähler gemeinsam mit der SPD im technischen Ausschuss am Dienstag soeben beschlossen, die Planung für das Wohngebiet Schafhaus im Norden von Mühlhausen wieder aufzunehmen. Hinter dem Streit um die bis zu 250 geplanten Wohnungen steht im Grunde die Debatte um die grundsätzliche Stadtentwicklung in Stuttgart – der Streit um Bauen im Bestand oder auf der grünen Wiese. Vor Jahren hatte die SPD noch gegen die Bebauung votiert. Nun stimmten die Sozialdemokraten aufgrund der Wohnungsnot für das Baugebiet, bei dem Freifläche versiegelt werden soll.

Grüne sowie SÖS-Linke-plus hatten erbittert versucht, die Abstimmung zu verhindern. Christoph Ozasek (Linke) hatte mehr Informationen über die Vernichtung wertvollen Bodens und zum Artenschutz gefordert. Im Internet bezeichnete sein Fraktionskollege Luigi Pantisano das Projekt als „eine Siedlung für Wohlhabende auf der grünen Wiese“ und als „ökologisches Verbrechen“.

Martin Körner, der Fraktionschef der SPD, begründete seine Zustimmung zu den Wohnbauplänen so: „Die Situation auf dem Immobilienmarkt hat sich massiv verändert. Der Druck ist viel größer geworden.“ Aus diesem Grund habe man vor Jahren noch gegen die Bebauung gestimmt und sich nun dafür ausgesprochen. Den Gegnern der Baupläne, SÖS-Linke-plus und Grünen, warf Körner vor, die drängendste soziale Frage der Stadt – den Mangel an bezahlbaren Wohnungen – zu ignorieren und stoisch bei der eigenen Linie zu bleiben.

CDU-Chef Alexander Kotz verwies darauf, dass „das Gebiet Teil der Zeitstufenliste“ sei. Es handelt sich dabei also um eines der Areale, die vonseiten der Verwaltung das Potenzial für den künftigen Wohnungsbau in Stuttgart beschreiben.

Grünen-Fraktionschef Andreas Winter argumentierte, das Bauvorhaben sei 2009 aus gutem Grund zurückgestellt worden. „Das ist für uns Bauen auf der grünen Wiese“, so Winter. Der Zugewinn von 250 neuen Wohnungen rechtfertige diesen Bodenverbrauch nicht, so der Fraktionsvorsitzende.

Wohnungsbau statt Zwischennutzung

Auch beim Walz-Areal in Weilimdorf wurde die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob auf den Flächen westlich der Solitudestraße Wohnungsbau möglich ist. Derzeit wird das Gelände durch eine alternative Zwischennutzung bespielt. „Wer hier gegen Wohnungsbau stimmt, muss uns widerlegen und dann auch beweisen, dass etwa urban gardening (zu Deutsch: Gärtnern in Stadt) wichtiger ist als neue Wohnungen“, so Zeeb.

Scharfe Kritik aus dem bürgerlichen Lager musste sich die Verwaltung in Bezug auf die Bilanz des Zweckentfremdungsverbots – also den Kampf gegen leer stehende Wohnungen – gefallen lassen. „Für uns stehen Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis“, erklärte CDU-Stadtrat Philipp Hill. „Das ist ein zu starker Eingriff in die Eigentumsrechte“, so Hill. Und: Die von der Stadt als Erfolg verkaufte Zahl von 40 000 Quadratmeter Wohnraum, die vor einer Zweckentfremdung bewahrt wurden, bezeichnete Hill als „wirre Zahl“. Die Leiterin des Baurechtsamts, Kirsten Rickes, hat daraufhin die von der Stadt vertretene Position präzisiert. Es sei die Schaffung von 40 000 Quadratmeter Wohnraum gesichert worden, erklärte Rickes. Soll Wohnraum abgerissen werden, besagt das Gesetz, dass innerhalb von wenigen Jahren Ersatzwohnraum geschaffen werden muss. Zudem kann grundloser Leerstand von Wohnungen mit einem Bußgeld bestraft werden.

SPD, Grüne sowie SÖS-Linke-plus verteidigten die Satzung zur Zweckentfremdung. „In anderen Großstädten ist das Zweckentfremdungsverbot absolut üblich“, erklärte Grünen-Stadträtin Beate Schiener.