Auch wenn es von einzelnen Vermietern gefordert wird: Kein Mieter darf zur Dokumentation der Kehrwoche gezwungen werden, so die Aussage von Experten. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Es gibt schwarze Schafe unter Stuttgarts Vermietern: Illegale Gebühren werden erhoben, irrwitzige Zahlungen in Mietverträgen festgeschrieben. Einklagen lässt sich vieles nur schwer. Im Extremfall werden Firmen mit Sitz im Ausland vorgeschoben.

Stuttgart - 15 Quadratmeter für 490 Euro im Monat. Die Summe stammt aus einem Mietvertrag für eines von fünf Zimmern einer Wohngemeinschaft im Stuttgarter Osten. Doch mit diesem stolzen Preis gibt sich der Vermieter offenbar nicht zufrieden. Nach Angaben des Mietervereins ist der fragliche Vertrag, welcher unserer Zeitung vorliegt, gespickt mit Klauseln und Regelungen, die einzig und allein einem Zweck dienen: „Da wird versucht, die Not der Wohnungssuchenden auszunutzen und kräftig Kasse zu machen“, so die Aussage von Rolf Gaßmann, dem Vorsitzenden des Mietervereins in Stuttgart. Die Krönung des Ganzen: Es wird ein digitaler Nachweis gefordert, dass die Kehrwoche erledigt wurde. Ansonsten werden Strafzahlungen fällig.

Der Mieterverein spricht von einer Zunahme derartiger Tricks und Praktiken. Der Eigentümerverein Haus und Grund hingegen betont, dass sich die überwiegende Mehrheit der privaten Vermieter an Recht und Gesetz hält.

Klage in der Türkei lohnt sich nicht

Vor dem Einzug in das 15-Quadratmeter-Zimmer setzt der Eigentümer der WG eine erste Hürde – eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 200 Euro. „Eine solche Gebühr darf der Vermieter nicht erheben“, erklärt Doris Wittmer, Rechtsberaterin beim Mieterverein. Doch in der Regel werde die illegale Gebühr bezahlt – die Verzweiflung der Wohnungssuchenden scheint groß genug. Zurückfordern oder einklagen lässt sich die einmal bezahlte Summe jedoch nur schwer. Denn auf der Quittung prangt eine Firmenanschrift in Istanbul. Den Hintergrund erklärt Doris Wittmer: „Die Gebühr soll am Firmensitz, also in der Türkei, eingeklagt werden, was sich für 200 Euro schlicht nicht lohnt.“

Der nächste Knackpunkt im Vertrag: Die Mieter der Wohngemeinschaft werden dazu verdonnert, Festpreise für Schönheitsreparaturen und die Instandsetzung der Wohnung zu bezahlen. In einer sogenannten „Individuellen Zusatzvereinbarung“ zum Mietvertrag werden Gebühren etwa für das Lackieren der Heizkörper, das Lackieren der Türen oder der Fenster gefordert. Zudem wird beim Auszug eine Gebühr von bis zu 100 Euro für eine professionelle Endreinigung verlangt. „Auf diese Art wird dem Mieter das Recht zur kostensparenden Selbstarbeit genommen“, erklärt Doris Wittmer. Will heißen: Vermieter dürfen die Bewohner nicht zwingen, für Schönheitsreparaturen zu bezahlen, wenn sie diese selbst billiger ausführen könnten.

Zudem wird ein digitaler Nachweis der erledigten Kehrwoche gefordert. In der erwähnten Zusatzvereinbarung heißt es: „Der Mieter ist verpflichtet, die durchgeführte Kehrwoche entsprechend mit Nachweisen zu dokumentieren und der Vermieterin innerhalb einer Frist von zwei Tagen per E-Mail zukommen zu lassen.“ Bei Missachtung werde der Vermieter am Ende des Mietverhältnisses pro nicht dokumentierter Kehrwoche 30 Euro Kaution einbehalten.

„Im Mietrecht gilt das Bürgerliche Gesetzbuch, was nicht durch derartige Klauseln ins Gegenteil verkehrt werden darf“, erklärt Doris Wittmer. Und: „Der Mieter kann nicht zur Dokumentation der Kehrwoche gezwungen werden.“

Vermieter droht mit rechtlichen Schritten gegen Veröffentlichung

Der Vermieter ist dem Mieterverein bekannt und droht auf Anfrage unserer Zeitung mit rechtlichen Schritten. „Die Firma ist unter unseren Beratern berühmt-berüchtigt“, berichtet Rolf Gaßmann. „Uns wurde Ähnliches aus zahlreichen weiteren WGs des Unternehmens in der ganzen Stadt berichtet“, so Gaßmann. „Das sind Gangstermethoden.“ Auch in Immobilienkreisen ist das Unternehmen für seine Methoden und den Hang zu gerichtlichen Auseinandersetzungen bekannt.

Der Vermieter hingegen verteidigt sein Vorgehen. Die Anschuldigungen seien haltlos und unverschämt, heißt es da. Die fragliche Bearbeitungsgebühr werde von einer Firma erhoben, die mit dem eigenen Unternehmen nichts zu tun habe. Gebühren für Schönheitsreparaturen und die Endreinigung erhebe man bereits seit dem Jahr 2016 nicht mehr, so die Firma weiter. Der fragliche Mietvertrag wurde jedoch im April 2017 unterzeichnet. Zum Thema Nachweise der Kehrwoche teilt das Unternehmen mit: „Die Kehrwochenregelung enthalten 99 Prozent aller Mietverträge in Stuttgart.“

Doch sind Tricks und Methoden dieser Art in Stuttgart noch immer eine Ausnahme oder aufgrund der Wohnungsnot inzwischen gängige Praxis in der Landeshauptstadt? „Das ist ein Beispiel für besondere Dreistigkeit“, erklärt Rolf Gaßmann und fügt an: „In Summe beobachten wir aber mehr und mehr Fälle, die in eine solche Richtung gehen.“

Ottmar Wernicke, der Geschäftsführer des Landesverbands Württemberg von Haus und Grund, erklärt auf Anfrage unserer Zeitung: „Wir sind davon überzeugt, dass sich die privaten Vermieter in Stuttgart und im Land bis auf ganz wenige Ausnahmen korrekt verhalten. So werden sie von unserem Verband auch beraten.“