Die Stadt wächst – beispielsweise im Leinfelder Neubaugebiet – aber nicht schnell genug. Foto: /Philipp Braitinger

Es ist ruhig auf dem Immobilienmarkt geworden. Leidtragende sind vor allem Mieter. Mehr städtischer Wohnungsbau könnte für eine Entspannung sorgen – auch in der Stadt Leinfelden-Echterdingen.

Die Krise hält an. Steigende Mieten und hohe Immobilienpreise belasten viele Menschen. Und weil sich die hohen Neubaupreise kaum noch jemand leisten kann, wird auch kaum noch neu gebaut. Irgendwo müssen die Menschen trotzdem wohnen. „Wir haben nach wie vor eine sehr hohe Nachfrage“, berichtete die Leiterin des Amts für Immobilien Anja Schubert. Während der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses in Leinfelden-Echterdingen stellte sie ihren Bericht zur laufenden Wohnraumoffensive vor.

 

Die Amtsleiterin mahnte an, mehr als bisher in die kommunalen Wohnungen zu investieren. Ohne ausreichenden Wohnraum drohe ein Anstieg der Obdachlosigkeit, deren Bekämpfung eine Pflichtaufgabe der Stadtverwaltung sei.

Insbesondere Private investieren

Um den Bedarf an neuen Wohnungen zu decken, wären laut städtischem Handlungsprogramm Wohnen aus dem Jahr 2019 bis zum Beginn des nächsten Jahrzehnts 3000 neue Wohnungen notwendig gewesen. „Wir sind auf dem richtigen Weg und können die Ziele noch erreichen“, erklärte Schubert. Doch dies ist vor allem privaten Investoren zu verdanken. Es wären aus Schubert Sicht jedoch auch Investitionen in Sanierungen und Neubau von städtischen Wohnungen notwendig.

Eine offene Frage ist die Zukunft jener Menschen, die als Geflüchtete in den Containerunterkünften der Stadt leben. „Diese Menschen drängen irgendwann auf den Wohnungsmarkt“, machte Schubert deutlich. Die Container sind aus ihrer Sicht weder besonders nachhaltig noch wirtschaftlich. In den kommenden Jahren sollten andere Lösungen gefunden werden. „Das Mieten von Containern sollte vermieden werden“, sagte sie. Wie sich der Bedarf an Wohnraum in den kommenden Jahren entwickeln wird, lässt sich angesichts der wirtschaftlichen und internationalen Lage kaum vorhersehen.

Aus Schuberts Sicht besteht dringender Handlungsbedarf – auch weil dem Thema aus ihrer Sicht in den vergangenen Jahren nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde. „Es gab immer andere, wichtigere Aufgaben“, klagte sie. Dabei ist mit der Gründung des Regiebetriebs unter dem Dach der Stadtverwaltung im Jahr 2021 die Wohnungspolitik bereits in den Fokus gerückt. Derzeit gibt es 23 Gebäude mit 176 kommunalen Wohnungen. Allerdings hat sich inzwischen ein Sanierungsstau gebildet. Schubert hat ausgerechnet, dass zum Abbau des Sanierungsstaus jährlich mehrere Millionen Euro bereitgestellt werden müssen. „Es ist an der Zeit, dass wir in die Wohnungswirtschaft investieren“, so Schubert.

Das Geld wäre nicht verloren. Rund 1,2 Millionen Euro flossen zuletzt als Mieteinnahmen jährlich in den Kernhaushalt der Stadt. „Die Kuh wurde gemolken, aber nicht adäquat investiert“, brachte es der Oberbürgermeister Otto Ruppaner auf den Punkt. Die Investitionen in die kommunalen Wohnungen lassen langfristig Renditen erwarten, erklärte Anja Schubert. „Es ist eine Kapitalanlage“, sagte sie.

Auf die Brisanz des Themas wies nicht nur Oberbürgermeister Otto Ruppaner hin. „Es ist eine der großen sozialen Fragen unserer Zeit“, sagte er. Im Technischen Ausschuss hallte die Notwendigkeit von Sanierung und Neubau wider. „Wir müssen mit Willen und Druck rangehen“, sagte Wolfgang Haug (FDP). Ähnlich sah es Erich Klauser (SPD). „Wir müssen dringend etwas tun“, meinte er. Jahrelang sei nichts vorangegangen. Zuletzt habe das Personal auf dem Rathaus gefehlt. Jetzt gebe es die notwendigen Mitarbeiter. Doch nun werde das Geld knapp, beschrieb er die Krux. Ein wenig Wasser in den Wein goss Ulrich Löchner (Freie Wähler). „Der Staat ist nicht immer der beste Unternehmer“, hob er hervor. Wenn die Stadt Wohnraum schaffe, drohten private Investitionen verhindert zu werden, befürchtete er. Einen stärkeren Fokus auf den Neubau wollte Jürgen Kemmner (L.E. Bürger/DiB) legen. „Wie sollen wir die Wohnungsnot lösen, wenn wir nicht bauen“, fragte er. Auf möglicherweise höhere Mieten nach einer Sanierung wies der Stadtrat Walter Vohl (Freie Wähler) hin.

Mehr als ein Drittel des Einkommens wird für die Miete ausgegeben

Mieten
Durchschnittlich geben Menschen im Raum Stuttgart 30 bis 40 Prozent ihres Einkommens für Miete aus. Die Region Stuttgart zählt für Mieter zu den teuersten Gegenden in Deutschland. Stuttgart liegt nach München, Berlin, Frankfurt und Freiburg auf Platz fünf. Der Markt für Eigentumswohnungen ist im vergangenen Jahr nahezu zum Erliegen gekommen. Die Folge ist, dass der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst. Damit wird die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum mehr und mehr zu einem Bereich der Daseinsvorsorge für die Städte und Gemeinden.

Notfälle
Die Wohnungsnotfallkartei der Stadt für Menschen mit Wohnberechtigungsschein führt derzeit 92 Haushalte. Die Wartezeit beträgt oft mehrere Jahre. Besonderer Bedarf besteht an großen Wohnungen für mehr als fünf Personen sowie an behindertengerechten Wohnungen.