Miewohnungen von Vonovia in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Der ins Gerede gekommene Vermieter-Riese hat in Fellbach bisher keine Modernisierungen von Wohnungen vorgenommen. Deshalb bleibt auch Ärger um teure Mieterhöhungen aus. Hilfe beim Anwalt suchen hiesige Mieter im Streit um Abrechnungen.

Fellbach - Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia ist derzeit gleichzeitig der umstrittenste Vermieter in der Republik. Seine Miet-erhöhungen – der deutsche Mieterbund spricht von erschreckenden bis zu 80 Prozent – aufgrund von Modernisierungen in Stuttgart, Esslingen und anderswo haben zuletzt sogar CDU-Politiker alarmiert. Sie fordern einen „Wucher-Riegel gegen Mega-Umlagen“, wie es Andreas Jung, Abgeordneter aus Konstanz, formuliert. Von überhöhten Modernisierungsmieten gibt es in Fellbach keine Berichte. Sorgen wegen Vonovia und ihrer Vorgängerin Gagfah gibt und gab es aber auch in Fellbach.

Im Ortsteil Schmiden besitzt die Vonovia Wohnungen, die die Wohnungsgesellschaft Gagfah bei einer Großfusion 2015 in den Konzern einbrachte. Die Wohnungen liegen im Quartier an der Wirtembergstraße sowie Iris-, Nelken-, Dahlien- und Narzissenweg. „Vonovia hat hier noch nicht saniert, jedenfalls nicht in dem Maß, dass eine Modernisierungsmieterhöhung möglich geworden wäre“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Brachmann, der für den Mieterverein Waiblingen und Umgebung auch in Fellbach Mitglieder berät.

Vonovia besitzt in Deutschland knapp 400 000 Wohnungen und setzt 3,6 Milliarden Euro im Jahr um

Kontaktiert wird der Rechtsanwalt dennoch von Vonovia-Mietern, wie er berichtet, aber dies wegen eines anderen Themas, das die Vonovia ebenfalls bundesweit ins Gerede gebracht hat. „Die Wut auf Vonovia ist groß“, hat das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ im Juni wegen fehlerhafter Betriebskostenabrechnungen geschrieben und die Frage gestellt: „Bereichert sich Deutschlands größter Wohnungskonzern an seinen Mietern?“ Die jährlichen Abrechnungen der Nebenkosten waren es auch hauptsächlich, weswegen Mietervereins-Mitglieder den Rechtsanwalt Ulrich Brachmann aufsuchten.

Den vom Nachrichtenmagazin erweckten Eindruck anhand von wenigen Fällen, das Wohnungsbauunternehmen benachteilige Mieter systematisch, hat der Rechtsberater in Fellbach allerdings nicht gewonnen: „Die Mängel entstehen wohl nicht boshaft, sondern weil der eine Schreibtisch nichts vom anderen weiß“, so sagt Brachmann und verweist damit auch auf die Probleme, die die schiere Größe der Vonovia mit sich bringt. Sie besitzt in Deutschland knapp 400 000 Wohnungen und setzt 3,6 Milliarden Euro im Jahr um.

Nach Vorlage der Kurzfassung eines Gutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte sieht sich die Vonovia übrigens von den „Spiegel“-Vorwürfen entlastet. Das Magazin sprach zuletzt nur noch von „Ungereimtheiten“.

Bleibt es bei diesem Stand, können sich die Fellbacher Vonovia-Mieter noch glücklich schätzen. Aber vor einigen Jahren hat die Vorgängerfirma Gagfah ihre Mieter schon einmal in größte Sorge um ihre Wohnungen gestürzt. Die Gagfah, damals schon ein Riese mit 80 000 Wohnungen, aber privatisiert und in die Hand eines Finanzinvestors gefallen, wollte im Jahr 2005 ihre mehr als 100 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Schmiden verkaufen und bot sie den Mietern zum Erwerb an. Der Verdacht stand bald im Raum, die Gagfah wolle auf jeden Fall Kasse machen und werde dazu vielleicht versuchen, kaufunwillige Mieter zum Ausziehen zu nötigen. Die Tochtergesellschaft Gagfah M Immobilien Management GmbH sprach allerdings ausdrücklich nur von einem Angebot an die Mieter und zum Vorzugspreis: „Wir ermöglichen Ihnen – auf vielfachen Wunsch hin – die Bildung von Wohneigentum.“ Es handelte sich um Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, meist zwischen 50 und 70 Quadratmetern groß und gut ausgestattet. Streitigkeiten wurden in der Folgezeit nicht bekannt, und nach einem Vierteljahr meldete die Gagfah einen erfolgreichen Wohnungshandel. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt 25 von 105 Wohnungen an ihre Mieter verkauft. Wie viele es später noch wurden, ist nicht bekannt.

Verpasst der Mieter diesen Zeitraum und reagiert erst, wenn die Mieterhöhung tatsächlich fällig wird, ist dies ein Ausschlussgrund

Der Vorgang zeigt: Heute wie damals werden Groß-Wohnungsvermieter mit einem gerüttelt Maß an Misstrauen betrachtet. Nicht ganz zu Unrecht, denn die meist rechtsunkundigen Bürger stehen findigen juristischen Konzernabteilungen gegenüber, meist ohne die Fallstricke zu kennen. Im derzeit hochkochenden Streit um die Modernisierungen, die die Wohnungen abrupt stark verteuern, gibt es die auch. Grundsätzlich müssen Mieter nach dem Gesetz Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters dulden. So haben die Mieter, wie der Deutsche Mieterbund klarstellt, nur eine Chance, wenn sie die Modernisierungsmieterhöhung nicht bezahlen können: Sie können den Härtegrund „unbezahlbar“ gegenüber der Mieterhöhung geltend machen. Mieter müssen sich aber schon zeitnah auf diesen Härtegrund berufen, nämlich kurz nach der Modernisierungsankündigung. Die muss drei Monate vor Beginn der Arbeiten beim Mieter eintreffen und bereits die zu erwartende Mieterhöhung und die zukünftigen Betriebskosten beziffern. Verpasst der Mieter diesen Zeitraum und reagiert erst, wenn die Mieterhöhung tatsächlich fällig wird, ist dies ein Ausschlussgrund.

„Ob die Vonovia auf derartige Härteeinwände reagiert, ob die Mieterhöhung reduziert oder zurückgenommen wird, scheint vom Zufall abhängig zu sein beziehungsweise willkürlich“, teilt der Deutsche Mieterbund mit. Sollte die Modernisierungswelle in Vonovia-Wohnungen also nach Fellbach schwappen, erhalten Ulrich Brachmann und seine Rechtsanwaltskollegen in den Kanzleien bestimmt viel Arbeit.