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Die Lebensqualität schätzen Bürger laut einer Befragung bereits als sehr hoch ein – sie soll dennoch weiter verbessert werden. Die Gemeinde ist ein begehrter Ort für Häuslebauer, doch gibt es nur noch wenig Grundstücke.

Aidlingen - Natur ist unser Reichtum“ – lautet die Überschrift auf der Internetseite der Gemeinde Aidlingen. Die reizvolle Landschaft jedenfalls hat auch die Familie Kaufmann dazu bewogen, der Perle des Heckengäus – wie die 9150 Einwohner zählende Kommune genannt wird – nicht den Rücken zu kehren. Den 65 Jahre Ekkehart Kaufmann, seit Kurzem im Ruhestand, zieht es keineswegs in die Stadt wie andere Rentner, die kurze Einkaufswege und am pulsierenden Leben teilnehmen wollen. Per Zufallsgenerator wurde Kaufmann für eine Bürgerbefragung ausgewählt und füllte einen achtseitigen Fragebogen aus. In diesem sollte er, wie mehr als 3000 andere Aidlinger auch, kundtun, was ihm an seinem Wohnort gefällt und was nicht. „Zu teuer“ und „zu alt“ waren die Negativpunkte, die sich heraus kristallisieren.

Kaum Baugrundstücke

„Wir können nicht jeden Wunsch erfüllen“, stellt der Bürgermeister Ekkehard Fauth klar. Schon häufiger habe man in der Verwaltung die Achseln zucken müssen, wenn eine Anfrage nach einem Baugrundstück gekommen sei. In Aidlingen, inmitten von Landschaftsschutzgebieten gelegen, sei es beim Thema Wohnen eben „eng“, bedauert Fauth. Das ist nun Mal die Kehrseite der Medaille: Neue Wohngebiete lassen sich kaum noch erschließen.

Auch wenn viele gerne nach Aidlingen ziehen würden. Böblingen und Sindelfingen, wo die meisten Bewohner arbeiten, sind nur acht bis zehn Kilometer entfernt. Der Einzelhandel in Aidlingen hat alles zu bieten, um den täglichen Bedarf zu decken. Es gibt ein ausgeprägtes Vereinsleben – und natürlich jede Menge Möglichkeiten für Spaziergänge und Wanderungen rund um den Venusberg.

Hohe Preise für Wohneigentum

Manchen war das trotzdem nicht genug, viele zogen aus der Gemeinde weg. Die Einwohnerzahl Aidlingens sank trotz der Lebensqualität innerhalb eines Jahrzehnts um 400 auf 8850 Bewohner. Fauth macht für den Rückgang die Volkszählung im Jahr 2011 verantwortlich. Durch diese kam offenbar ans Licht, dass auch in Aidlingen Menschen gemeldet waren, die gar nicht mehr in der Gemeinde lebten. Zuletzt stieg die Bevölkerungszahl wieder leicht an und liegt nun bei etwas mehr als 9000. Diesen Trend möchte Fauth fortsetzen, indem er im Osten Aidlingens auf der Mönchhalde ein Mini-Wohngebiet ausweist. 25 neue Wohnungen sollen dort entstehen.

Über die Preise kann der Rathauschef noch nichts sagen. Für Eigentumswohnungen in Aidlingen werden jedenfalls meist zwischen 2100 und 3100 Euro pro Quadratmeter verlangt. Kürzlich boten Makler ein älteres Einfamilienhaus mit kleinem Garten an. Kostenpunkt: mehr als eine halbe Million Euro. Bei den Grundstücken werden in der Regel zwischen 450 und 600 Euro pro Quadratmeter angesetzt. Um auf der Mönchhalde zum Zuge zu kommen, müssen die Käufer schon acht Jahre in Aidlingen wohnen. „Wir schaffen Wohnraum nur für den eigenen Bedarf“, sagt Fauth, das habe der Regionalverband in den Entwicklungsplanrichtlinien festgelegt.

Zukunftswerkstatt mit Bürgern

Wem der Zuzug nach Aidlingen verwehrt bleibt, kann immerhin für ein paar Tage zu Besuch kommen und sich im Gasthof oder einer Pension einmieten. Die meisten Gäste nutzen gerne den Museumsradweg oder spazieren auf dem Kunstweg Sculptoura. Beide „liegen bei uns im Ortsteil Dachtel quasi vor der Haustüre“, sagt Ekkehart Kaufmann. Falls er irgendwann in ein Altenheim umziehen will, stehen im Ort zwei zur Verfügung. Denn „unsere Einwohnerschaft wird immer älter“, erklärt Fauth. Das sei eine Herausforderung. Auch was die ärztliche Versorgung angehe, die in Aidlingen noch zu verbessern sei.

Das Ergebnis der Bürgerbefragung fiel dennoch überaus positiv aus. 95,3 Prozent der 1394 Bürger, die ihren Fragebogen zurückschickten, bewerteten die Lebensqualität als „sehr gut“ oder „gut“. Am nächsten Samstag wird eine Zukunftswerkstatt mit Bürgern gebildet. Anhand der Befragung soll am Gemeindeentwicklungsplan 2035 gearbeitet werden. „Wir wollen noch an ein paar Stellschrauben drehen“, sagt Fauth. Damit die Perle des Heckengäus künftig noch ein bisschen mehr funkelt.

Schön gelegen und solide – aber per Bahn unerreichbar

Politik:
Die meisten Bürger empfinden es wohl als einen Vorteil, dass die kommunalen Gremien in Aidlingen nach dem Modus der unechten Teilortswahl besetzt werden. Dieser garantiert eine jeweils bestimmte Anzahl von Sitzen im Aidlinger Gemeinderat für Vertreter aus den Teilorten Dachtel, Deufringen und Lehenweiler. Das sichert den Räten aus den Teilorten die Beteiligung an sämtlichen Entscheidungen im Rathaus. Dieses wird seit dem Jahr 2000 von Ekkehard Fauth geführt. Der 60 Jahre alte Bürgermeister möchte sein Amt bis zum Jahr 2024 ausüben.

Finanzen:
Die Gemeinde wirtschaftet solide. Auf der hohen Kante hat sie 2,8 Millionen Euro, die Pro-Kopf-Verschuldung liegt bei etwa 180 Euro.

Verkehr
So schön Aidlingen liegt, gibt es doch einen Nachteil: Es fehlt die Bahnanbindung. Doch eine Buslinie führt nach Böblingen und nach Calw. Seit dem Jahr 2016 gibt es zudem eine Linie nach Ehningen. Dort können die Aidlinger in die S-Bahn einsteigen. Die nächste Autobahnanschlussstelle ist ebenfalls im sechs Kilometer entfernten Ehningen.