Das Tiny House La Chalette, umgebaut vom Architekten Martin Ohlf aus Stuttgart, von der Rückseite aus gesehen. Foto: Roland Halbe/Ohlf

Aus einem Traktorschuppen wird ein schickes kleines Holzhaus. Das Tiny House im Schwarzwald des Stuttgarter Architekten Martin Ohlf hat zahlreiche Architekturpreise erhalten. Ein Hausbesuch.

Manchmal ist der Weg zwar nicht das Ziel, aber er führt unverhofft zu einem, von dem man gar nichts ahnte. Der Weg, den Martin Ohlf im Februar 2016 entlangfuhr, war schmal und schneebedeckt. Er führte in sanften Kurven durch ein Tal im Schwarzwald, das ein ehemaliger Gletscher des Feldbergs formte.

 

Die Hügel sind sanft, nicht so steil und felsig wie im Hochschwarzwald. Am Rande der schmalen Straße, die von Lenzkirch aus in Richtung Windgfällweiher führt, tat sich Linkerhand plötzlich ein altes Bauernhaus auf, das zum Verkauf stand. „Er war weitestgehend unsaniert, aber die Substanz war in Ordnung“, sagt Ohlf, der dies als Architekt freilich beurteilen kann. „Die Maklerin sagte mir dann, ich müsse mich innerhalb von einer Woche entscheiden.“

Ohlf, der zusammen mit seinem Partner Ralf Schoch seit fast 30 Jahren das Stuttgarter Büro Ohlf Schoch Architekten leitet, sagte ja zu dem Schwarzwaldhof. Dabei hatte er eigentlich gar kein Bauernhaus haben wollen, sondern war ursprünglich im Auftrag seiner Schwägerin unterwegs, die ein Haus im Schwarzwald suchte, aber dann doch lieber nach Schweden wollte.

Das Bauernhaus ist denkmalgeschützt

Doch der Doppelhof aus dem Jahr 1659 hatte es ihm angetan. Allein das Inventar ist ein Schatz: Vom alten Pferdeschlitten und einem Boot über alte Bücher, Kunstwerke, ein Himmelbett, Buffetschränke und Kachelöfen sowie alten Öllampen und Geschirr bis hin zum Schädel des letzten Ochsen, der für das Haus Holz aus dem Wald hergezogen hat, gibt das Haus so viel her, dass man daraus auch ein Museum machen könnte.

Doch Ohlf hat andere Pläne. Er möchte zwar einerseits das Alte bewahren – zumal er das auch muss, da das Haus denkmalgeschützt ist –, er will aber gleichzeitig etwas Neues, Modernes schaffen. So will er etwa die alte Rauchküche, in der auf offenem Feuer gekocht wurde, wieder nach oben hin öffnen (sie ist bei einem Umbau überbaut worden). Allerdings will er den Raum, der typischerweise in der Mitte des Hauses und fensterlos ist, durch eine breite Fensterfront erhellen, die er in den zur Küche hin geöffneten Galeriengang einbauen will.

Umbau des ehemaligen Traktorschuppens

So viele Umbauten, die es zu bewältigen gilt – und keine Wohnstatt in der Nähe? Ohlf beschloss kurzerhand, den ehemaligen Traktorschuppen des Bauernhauses zuerst umzubauen, damit er darin wohnen kann. Der Schuppen steht etwas oberhalb des Hauses, er stammt dem 19. Jahrhundert, Teile davon waren aber in den 2000er Jahren erneuert und ersetzt worden.

Da das Gebäude nicht denkmalgeschützt ist, konnte Ohlf beim Umbau „tun und lassen, was ich wollte“. Ihm war es dennoch wichtig, möglichst viel zu bewahren. So blieb die gesamte äußere hölzerne Hülle inklusive der Dacheindeckung erhalten. Der unbedingte Wille, mit dem bereits Vorhandenen zu arbeiten und dennoch etwas Neues zu gestalten, zeigt sich schon beim Eintreten: Die alte Tür des Schuppens dient nun als Tür-Fensterladen für die neue Glastüre.

Durch die Eingangstüre gelangt man in die Küche des nur 43 Quadratmeter kleinen Tiny House, das den Namen La Chalette trägt. „Das ist zum einen eine Verniedlichung des Begriffs Chalet, der für einen ländlichen Holzhaustyp in den Alpen steht, und zum anderen Ausdruck der Liebe meiner Frau für das Ballett“, sagt Ohlf.

Rechts ist ein Erker – einer der wenigen Eingriffe in der Fassade –mit Fenstern, die den Blick in die Landschaft freigeben. Und mit einer Sitzbank, der Erker dient vor allem als Essbereich. Die Küche ist eine Ikea-Küche, die allerdings mit der gleichen Weißtannenverkleidung – einem sehr ruhig wirkenden Holz – versehen ist – so wie die gesamte Küche und auch der Hauptraum. Angebracht hat die Verkleidung ein Schreiner, der in der Schweiz gelernt hat.

Im Inneren wurde das Gebäude komplett gedämmt

Die große Stube betritt man durch eine Tür aus dem selben Material. Der Wohnraum ist offen und hell, die bereits vorhandene Öffnung des ehemaligen Scheunentors ist mit neuen großzügigen Festverglasungen mit Glastüren ausgestattet. Auch hier dient das alte Scheunentor als Tür-Fensterladen.

Über den Küchen- und Badbereich ist eine zweite Ebene eingezogen, zu der eine in die Zwischenwand integrierte Holztreppe hinaufführt – die Schlafstätte. „Vom Bett aus kann man durch ein großes Dachfenster die Sterne beobachten“, sagt Ohlf.

Ein Kaminofen mit Holz sorgt in diesem Raum für behagliche Wärme, zudem gibt es einen Solarlüfter. Im Inneren wurde das Gebäude komplett gedämmt (KfW 85 Standard): der Boden mit Glassteingranulat, die Wände mit Multipor-Platten, also Mineraldämmplatten.

Ausblicke auf die Landschaft

Im Bad, das man von der Küche aus betritt, dominiert eine so schlichte wie formschöne Badewanne den Raum. Durch durch ein Fenster, das vom Boden bis Mitte des Raumhöhe reicht, hat man auch in der Wanne liegend einen wunderbaren Ausblick auf die Landschaft. Am Boden und in der Dusche sind Fliesen angebracht, „das ist zwar kein Naturstein, aber sie sehen so aus, da alle etwas anders gemasert sind“, so Ohlf.

Über der Badewanne sind hingegen rosafarbene handwerkliche Fliesen mit Prägung angebracht. „Das ist ein mutiges Detail“, sagt Ohlf, der auch sonst detailbesessen ist und streng darauf achtet, dass die Übergänge von Holz, Fliesen, Spiegel und Glas sauber gearbeitet sind. Geheizt wird im Bad über eine Infrarotheizung.

Es ist aber weniger diese Liebe zum Detail als der Blick für das Große und Ganze, der Ohlf gleich mehrere Preise für sein Tiny House einbrachte: den Badischen Architekturpreis 2022 im Bereich Residential Architecture, 2020 einen Hugo Häring Preis, verliehen vom Bund Deutscher Architekten, und 2022 die Auszeichnung Baukultur Schwarzwald Neues Bauen im Schwarzwald und in Südbaden.

„Bei den Preisbegründungen“, so der Architekt, „hieß es, dass das Tiny House vorbildlich sei, da ein bestehendes Gebäude einer neuen Nutzung zugeführt würde und somit der Zersiedlung entgegen wirke.“ In der Tat gilt das Bauen im Bestand als vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit, zumal auf dem Land, das unter Zersiedelung durch Neubaugebiete leidet.

Zudem zeigt er mit La Chalette, wie man auf kleinem Raum qualitative hochwertig leben könne. Und er holt Menschen in die Region. Denn Ohlf vermietet das Tiny House seit eineinhalb Jahren auch an Gäste, „Das läuft ausgesprochen gut, das Tiny House ist fast das ganze Jahr ausgebucht – solange ich es nicht für mich und meine Frau blocke“, sagt Ohlf.

Ein Ort mit Geschichte

Bewohner auf Zeit freuen sich über die preisgekrönte Architektur und eine attraktive Umgebung. Der Windgfällweiher befindet sich in unmittelbarer Nähe, etwas weiter entfernt liegen der Schluch- sowie der Titisee. Direkt am Haus vorbei führt der acht Kilometer lange Hochschwarzwälder Hirtenpfad, ein Premiumweg. „Kinder haben jahrhundertelang Viehherden gehütet.

Sie waren sieben bis 14 Jahre alt. Bei Wind und Wetter waren sie unterwegs, meist barfuß. Um sich im Winter die Füße zu wärmen, steckten sie diese in die Kuhfladen“, berichtet Ohlf. Das bäuerliche Leben auf dem „hohen Wald“ vor 1960 war bescheiden und hart und noch kein Ort, „wo andere Urlaub machten“. Erst mit dem Einzug des Elektrozaunes hörte diese Form der Kinderarbeit hier um 1965 auf. Und mit dem Auszug des Traktors wurde der Ort jetzt zum Wohntraum.