Wie hier auf dem ehemaligen Klinikareal in Waiblingen engagiert sich der Kreis über die Kreisbaugruppe in der Schaffung oder Modernisierung von Wohnraum. Foto: Gottfried Stoppel

Während andere Kommunen beim Wohnungsbau zurückrudern, baut der Rems-Murr-Kreis weiter – auch unter schwierigen Bedingungen. Was hinter der Strategie steckt und wie viele Wohnungen noch entstehen sollen.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bleibt eine der größten Herausforderungen im Rems-Murr-Kreis. Der Kreistag hat in seiner jüngsten Sitzung deshalb einstimmig beschlossen, an der bestehenden Wohnbaustrategie festzuhalten. Damit bekennt sich der Landkreis weiterhin klar zu seinem besonderen Engagement – in einer Zeit, in der viele andere Kommunen beim Wohnungsbau zurückrudern müssen.

 

„Wohnraummangel birgt sozialen Sprengstoff“, warnte der Landrat Richard Sigel bereits im Jahr 2017 – und seine Mahnung hat nichts an Aktualität verloren. Im Gegenteil: Aktuelle Studien, etwa vom Pestel-Institut oder der IHK Region Stuttgart, belegen einen akuten Bedarf von rund 2000 zusätzlichen Wohnungen bis 2028. Auch wirtschaftlich wird der Mangel immer bedrohlicher – nicht zuletzt, weil fehlender Wohnraum die Fachkräftegewinnung erschwert.

500 Mietwohnungen bis 2027

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen – hohe Baukosten, verschärfte Klimaziele und ein durch Sparzwänge eingeschränkter Kreishaushalt – bleibt die Kreisverwaltung ihrer Linie treu. „Wir reden nicht nur über Wohnraummangel – wir liefern auch“, betonte Sigel. Tatsächlich wurden bereits zwei Drittel des 2017 beschlossenen 500-Wohnungen-Programms umgesetzt. Bis Ende 2027 sollen es 500 öffentlich geförderte Mietwohnungen sein.

Drei Säulen der Strategie

  • 500+ Programm: Neben den 500 ursprünglich geplanten Wohnungen sollen durch das 2022 erweiterte Programm rund 290 weitere Mietwohnungen entstehen – auch für Menschen ohne Wohnberechtigungsschein. Beispiele sind das Klinikareal Waiblingen und das Quartier Hangweide in Kernen.
  • Vielfalt im Portfolio: Neben klassischen Mietwohnungen investiert der Kreis auch in Pflegeheime, Kitas und Wohnungen für Klinikpersonal. In Rudersberg und Urbach entstehen neue Pflegeeinrichtungen, in Winnenden Appartements für Auszubildende der Rems-Murr-Kliniken.
  • Flüchtlingsunterbringung: Bis 2035 sollen 1000 Plätze geschaffen werden – Gebäude, die später auch als regulärer Wohnraum genutzt werden können.

Ein wichtiger Aspekt bleibt die Wirtschaftlichkeit. Die Kreisbaugruppe, die seit 2017 rund 50 Millionen Euro Eigenkapital aus dem Kreishaushalt erhielt, soll sich künftig stärker selbst tragen. Gewinne werden reinvestiert, der Spielraum für zusätzliche Mittel sei – so Sigel – derzeit nicht vorhanden.

„Nicht nur ein Dach über dem Kopf“

Breite Rückendeckung erhielt die Strategie in der Kreistagssitzung. Andrea Jäger (Grüne) etwa sprach vom „Wohnen als Menschenrecht“ und betonte: „Ein Quartier ist mehr als ein Wohnort. Es ist der Raum, in dem Alltag passiert.“ Die Hangweide in Kernen mit Kita, Grünflächen und kurzen Wegen sei ein Vorzeigeprojekt, auch wenn hier nun weniger Mietwohnungen entstehen als ursprünglich geplant.

Beim Bauprojekt auf der Hangweide in Kernen speckt der Kreis seinen Mietwohnungsanteil etwas ab. Foto: Gemeinde Kernen/Sascha Baumann

Jochen Haußmann (FDP) wies auf die schwierige Marktlage hin: Wohnungsbaugenehmigungen gehen zurück, Bauzinsen steigen. „Gerade in dieser Situation braucht es den Impuls der öffentlichen Hand“, so Haußmann. Er mahnte zugleich, das lokale Handwerk stärker einzubeziehen – auch aus Gründen der Nachhaltigkeit.

Neue Schwerpunkte in Schorndorf

Wegen Verzögerungen beim IBA-Projekt in Kernen plant die Kreisbaugruppe eine Umschichtung: Auf der Hangweide entstehen statt 220 nur noch 120 Mietwohnungen, die restlichen Flächen sollen durch Genossenschaften oder im Bauträgermodell mit Eigentumswohnungen bebaut werden. Parallel wird geprüft, am Karlsplatz in Schorndorf rund 60 neue Wohneinheiten zu errichten. Das Grundstück liegt zentral nahe Bahnhof und Innenstadt und ist bereits im Besitz des Kreises.

Die Kreisbaugruppe hat sich auch darüber hinaus ambitionierte Ziele gesetzt. Bis 2040 sollen alle Gebäude klimaneutral betrieben werden. In Kernen wurde bereits ein Wohngebäude saniert, das jährlich 33 Tonnen CO₂ einspart. Begrünte Dächer, entsiegelte Flächen, natürliche Beschattung – die Wohnbaukonzepte sollen künftig verstärkt auch auf die Folgen des Klimawandels reagieren.

Doch mit Blick auf die angespannte Haushaltslage mahnt Sigel zur Vorsicht: „Eine weitere Ausweitung über die bestehenden Programme hinaus ist derzeit nicht leistbar.“ Die Wohnbaustrategie bleibt damit ambitioniert – aber wirtschaftlich realistisch.