Die sanierungsbedürftige Eduard-Mörike-Seniorenwohnanlage an der Karlshöhe in Stuttgart-Süd sollte längst einem Neubau weichen. Doch dem Wohlfahrtswerk fehlen Planungsressourcen.
Schon auf den ersten Blick sieht das Gebäude verschlissen aus: Von den terrassenförmig vorspringenden Balkonen bröckelt der Putz. Aus den Blumenbeeten schießt das Unkraut. Und auch wenn die meisten Appartements noch bewohnt scheinen, erinnern die schmutzig-orangefarbenen Markisen kaum an wohnliche Seniorenappartements.
Der sprichwörtliche neue Anstrich hilft hier nicht mehr. Schon 2016 wurde der Pflegeheimbetrieb in der 1974 errichteten Eduard-Mörike-Wohnanlage an der Karlshöhe eingestellt. Neben der Tatsache, dass das Gebäude schon vor acht Jahren hochgradig sanierungsbedürftig war, hatte der Träger, das Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, den Schritt mit der neuen Landesheimbauverordnung begründet. Die zwingt bis heute im ganzen Land Betreiber von Pflegeheimen, weitreichende bauliche Veränderungen an ihren Anlagen vorzunehmen – oder eben gleich den Abriss zu veranlassen.
Seit 2016 ist nichts passiert
Letzteres sollte eigentlich seit Jahren auch mit der maroden Seniorenwohnanlage an der Humboldtstraße geschehen, damit Platz für ein neues Pflegeheim entsteht. Indes passiert ist bis heute rein gar nichts. Zwar hatte das Wohlfahrtswerk bereits 2016 erklärt, dass das Betreute Wohnen innerhalb der Anlage „mittelfristig aufrecht erhalten“ werden solle, weil es nicht unter die neuen Landesheimbauverordnung fällt. Doch dass die Seniorenwohnanlage in bester Hanglage in Stuttgart-Süd auch im Jahr 2024 noch immer vor sich hin dämmert, ist damit allein nicht zu erklären.
Wie Sonja John, Sprecherin des Wohlfahrtswerks betont, werde das Bauprojekt Eduard-Mörike-Seniorenwohnanlage wegen der Vielzahl an anderen Baumaßnahmen, die im Zuge der Änderung der Landesheimbauverordnung notwendig wurden, schlichtweg „hintan gestellt“. Für die konzeptionellen Planungen am Neubauprojekt an der Karlshöhe fehlten die Personalressourcen, sagt die Sprecherin.
Der Bezirksvorsteher spricht von einem „Lost place“
Nicht einmal ein Zeitplan, bis wann mit einem Abriss zu rechnen ist, liegt demnach vor. Dass dem Baurechtsamt der Stadt bis heute kein entsprechender Bauantrag des Wohlfahrtswerks vorliegt „und auch noch niemand in Bezug auf das Objekt mit einem Bauwunsch an das Baurechtsamt herangetreten“ ist, wie die Stuttgarter Stadtverwaltung betont, muss auf diesem Hintergrund nicht verwundern.
Raiko Grieb, Bezirksvorsteher von Stuttgart-Süd, hat kürzlich daran erinnert, dass das Pflegeheim an der Karlshöhe dringend gebraucht werde. Er bezeichnet die Anlage als „Lost Place“ im Stadtbezirk. Leer steht der Wohnkomplex allerdings nur zum Teil. Das betrifft vor allem die obersten Etage, wo die baulichen Mängel inzwischen so massiv sind, dass die betreffenden Einheiten nicht mehr bewohnt werden können.
Wie Sonja John erklärt, vermiete das Wohlfahrtswerk frei werdende Appartements im Betreuten Wohnen zwar nicht wieder neu an Senioren, „sodass sich deren Anzahl inzwischen deutlich reduziert hat“. Doch werden sie inzwischen stattdessen zumindest teilweise als Personalwohnraum genutzt. Untergebracht seien hier, laut Wohlfahrtswerk, vor allem angehende Pflegekräfte aus dem Ausland.
Auf ein neues Pflegeheim muss man wohl noch lange warten
Pflegekräfte in Seniorenappartements? Auf Nachfrage bestätigt die Stadt, dass eine derartige Nutzung rechtens ist: „Der Bebauungsplan von 1966 setzt auf dem Grundstück Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung Altenheim, -pflegeheim, -wohnheim fest“, sagt ein Sprecher der Stadtverwaltung. Baurechtlich gebe es daher „keine Bedenken gegen die teilweise Nutzung der Seniorenwohnanlage für Mitarbeiterwohnen.“
Auf ein neues Pflegeheim im Stadtbezirk muss also noch lange gewartet werden. Da scheint es auch wenig zu helfen, dass Sozialbürgermeisterin Alexandra Sussmann selbst Aufsichtsratsmitglied beim Wohlfahrtswerk ist.