Wolfgang Hüttinger steht mittwochs um 3 Uhr auf. Foto: Caroline Holowiecki

Seit bald 50 Jahren kennt man Wolfgang Hüttinger auf dem Wochenmarkt in Stuttgart-Degerloch als den singenden Bäcker. Zu Besuch bei einem, der gar nicht anders kann, als seinen Kunden etwas hinterherzuträllern.

Degerloch - Das macht 5,30 Euro“, flötet Wolfgang Hüttinger, dann intoniert er ein „Schönen Tag noch“ hinterher. Auch die nächste Kundin, eine Seniorin, wird nicht nur bedient, sondern auch besungen. Gerade erklärt der Marktbeschicker ihr, dass die Brötchen, die sie sich ausgesucht hat, mit Kartoffelflocken gespickt sind, schon trällert er: „Mit den Flocken kannst du locken.“

Wer regelmäßig den Wochenmarkt in Stuttgart-Degerloch besucht, kommt um Wolfgang Hüttinger kaum herum. Am 2. Juli wird es genau 50 Jahre her sein, dass er hier zum ersten Mal seine Waren verkauft hat. Aber nicht nur für Brote, Brötchen und süße Stückle ist der 72-Jährige bekannt, sondern vor allem auch dafür, dass er zumeist ein Liedchen auf den Lippen hat.

Bei ihm gibt es Damenschenkel zu kaufen

Das hat ihm den Beinamen „singender Bäckermeister“ eingebracht. Dass Wolfgang Hüttinger streng genommen kein echter Bäckermeister ist, sondern ursprünglich Diplom-Elektriker, der im Studium etwas Geld mit Blecheputzen verdient und sich dann in die Bäckerstochter verguckt hatte, stört dabei überhaupt nicht. „Manche kommen und warten, dass ich singe“, sagt er und lacht.

Wolfgang Hüttinger ist einer, der viel lacht und ständig Witze reißt. Bei ihm gibt es nicht nur mürbe Hörnchen zu kaufen, sondern Damenschenkel, wie er den schmunzelnden Kunden erzählt. Wer seine Waren bezahlt, bekommt ein breit geschwäbeltes „I bedank mi recht sakrisch“ zu hören. „Das kommt von der guten Laune, ich bin so ein Typ“, sagt er. Schlecht aufgelegt sei er eigentlich nie, und das, obwohl er immer mittwochs gegen 3 Uhr in aller Herrgottsfrühe aufsteht, um die Produkte zu kommissionieren, einzuladen, einen Kaffee zu trinken und nach Degerloch zu fahren, um dann um 6 Uhr auf dem kleinen Marktplatz parat zu stehen.

Wer den Tag mit einem Lachen beginnt . . .

Vor Ort bietet er die „Winnender Backwaren“ feil. Die kommen teils aus eigener Backstube, teils von Partnerbäckern aus Waiblingen und Stetten, die nach den Originalrezepten von Wolfgang Hüttingers Schwiegervater, dem Firmengründer, Flachswickel oder Jäger-Brote backen.

Das mit dem Singen, das passiere einfach so. „Wenn ich meine Sachen zusammenpacke, summe ich ein Lied vor mich hin. Manchmal kommen auch Worte raus“, erklärt er. Mal habe er ein Kinderlied parat, dann wieder einen Song aus dem Radio. „Es kann sein, was will.“ Hauptsache, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Immerhin lebe er nach dem Motto: Wer den Tag mit einem Lachen beginnt, hat schon gewonnen.

Bei vielen Leuten kommt das an. Man duzt sich. Wolfgang Hüttinger trägt zum Verkaufskittel eine dunkle Mütze, die ihm jemand gestrickt und geschenkt hat. Auch Gedichte und andere Präsente habe er schon bekommen. Dafür bedankt er sich mit einem Schwätzle am Marktstand – und natürlich einem Lied. Ans Aufhören denkt er nach 50 Jahren noch nicht, wie er sagt. „Nee, nee. Ich schaff’, so lang ich kann und nette Kundschaft habe.“