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Für den Fußballfan gibt es neben Siegen des Heimvereins wenig Schöneres als Niederlagen des FC Bayern.

Für den geneigten deutschen Fußballfan gibt es neben Siegen des eigenen Vereins wenig Schöneres als Niederlagen des FC Bayern. Mangels eigener Erfolge in der Spielzeit 1998/1999 bot das Champions-League-Finale gegen Manchester United Anlass zur Hoffnung. In einem ausgewählten Kreis, dem der gemeine Hang zur Schadenfreude ebenso innewohnte wie mir, zog es uns an jenem Mai-Abend ins Irish Pub in die Stuttgarter Innenstadt, bei Spielen mit englischer Beteiligung eine seltene Bastion britisch-irischer Verbrüderung.

Allein unter Insulanern, verbot unser nationales Empfinden trotz aller Antipathie für die Lederhosen die aktive Unterstützung des Gegners. So erlebten wir die ersten 90 Minuten dieses Spiels, das später den Weg in die FußballGeschichtsbücher finden sollte und von vielen zur "Mutter aller Niederlagen" stilisiert wurde, mit einer relativen Gelassenheit. Einzig der Führungstreffer eines gewissen Mario Basler inklusive Torjubel bedurfte eines kräftigen Schlucks.

Als die Bayern schon alles für die große Siegerparty angerichtet hatten und die Gläser im Pub leergetrunken waren, wurde es plötzlich doch noch spannend. ManU erhöhte den Druck und berannte das Tor von Oliver Kahn mit einer Power, wie sie nur Mannschaften von der Insel an den Tag legen. Der Zeiger machte sich auf die finale Runde, Stefan Effenbergs Grätsche ermöglichte den Red Devils eine letzte Chance. Der Ball landete bei Ryan Giggs, der die Kugel nicht richtig traf, genauso wenig wie Teddy Sheringham. Die unkoordinierte Brechstangentaktik irritierte die Bayern-Abwehr derart, dass die Kugel auf einmal im Netz zappelte - 1:1. Den ekstatischen Torjubel der Rotgesichter neben mir nahm ich vor lauter Ungläubigkeit gar nicht wahr. 102 Sekunden später war ich hellwach: der allerletzte Angriff. Wieder Eckball. "Is this their moment?", orakelte der Fernsehkommentator. Yes! Jetzt brachen alle Dämme. Die Party wurde noch richtig gut.

Auf dem Heimweg traf ich Jungs in roten Trikots, die wirklich niedergeschlagen waren. Da merkte ich: Bayern-Fans sind auch nur Fußballfans. Noch in der Nacht begann ich meine Missgunst zu überdenken. In der Folge normalisierte sich mein Verhältnis zum deutschen Rekordmeister. Als er den verpassten Erfolg in der Königsklasse zwei Jahre später nachholte, saß ich wieder vor dem Fernseher. Diesmal wusste ich nicht so recht, was ich fühlen sollte. Ich war weder bestürzt, noch konnte ich mich richtig freuen. Letzteres aber noch viel weniger.