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Die Tänzer Manuel Weber und Vanessa Treizel wollen mit der Standardformation des 1. TC Ludwigsburg Weltmeister werden.

Ludwigsburg - Für viele ist es eine unangenehme Jugenderinnerung. Ein Raum ohne Möbel, ausgelegt mit glänzendem Parkett, links und rechts gibt es Sitzgelegenheiten, die Wände sind mit deckenhohen Spiegeln verkleidet. Auf der einen Seite sitzen Mädchen, auf der anderen Jungs. Mehrmals muss der Tanzlehrer auffordern, erst dann bewegen sich die Halbstarken in Zeitlupe in Richtung der Kandidatinnen. Den Blick auf den Boden gerichtet, fordern sie ihre Auserwählte mit einem fragenden „Tanzen?“ zu selbigem auf. Mit der Leichtigkeit eines Ebers wuchten die 15- bis 16-Jährigen ihre Tanzpartnerinnen dann schweigend über das Parkett.

Manuel Weber kann über solche Vorstellungen nur lachen. Wo manch einer an seine physischen und psychischen Grenzen gestoßen ist, hat er sein großes Talent entdeckt. Die Mädels ließen sich damals in der Tanzschule liebend gerne von dem heute 23-Jährigen auffordern. Nicht nur sie erkannten sein Talent. Manuel Weber schloss sich dem TSC Sibylla Ettlingen an, zunächst startete er ausschließlich im Einzel. Der Wunsch, mit anderen Paaren gemeinsam über das Parkett zu schweben, aber war groß. Manuel Weber wollte in einer Formation tanzen, am liebsten auf höchstem Niveau. „Ich wollte schon immer auch mal eine Welt- oder Europameisterschaft tanzen – und wo kann man das besser als beim 1. TCL?“, sagt er heute. Also wechselte er nach Ludwigsburg – sehr zur Freude von Norman Beck. „Manuel ist sehr ehrgeizig und bereit, viel für den Erfolg zu tun“, sagt der Trainer der Formation.

Chancen auf den WM-Titel stehen nicht schlecht

Es folgte ein kometenhafter Aufstieg bis in die S-Klasse Standard im Einzel, die höchste in Deutschland. Über das B-Team der Ludwigsburger schaffte er schließlich vor zwei Jahren den Sprung in die A-Formation, der Traum von der WM wird nun an diesem Samstag Wirklichkeit. Bescheiden sagt er: „Es wäre schön, den Titel zu holen.“

Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Der 1. TC Ludwigsburg ist seit Jahren eine feste Größe bei Welt- und Europameisterschaften. Zehnmal holte der Club den WM-Titel nach Ludwigsburg, fünfmal war er kontinentaler Meister. Zuletzt schaffte die Formation im Jahr 2009 das Triple aus WM, EM und deutscher Meisterschaft. „Unser Ziel ist ein Medaillenplatz“, sagt Dagmar Beck, die gemeinsam mit ihrem Mann Norman die Formation trainiert. Hinzu kommt, dass die WM in der Ludwigsburg MHP-Arena ausgetragen wird, der Heimvorteil ist im Tanzen nicht zu unterschätzen.

Für Vanessa Treizel (30) ist eine Weltmeisterschaft schon fast Routine. Die Tanzpartnerin von Manuel Weber wurde 2007 Weltmeisterin und kehrte nach einer Pause im Jahr 2010 ins Team zurück. Zuvor feierte sie schon mit Allround Berlin Titel auf internationaler Ebene. Die beiden sind ein ungleiches Paar. Erfahrung trifft auf Ehrgeiz. „Für mich ist es wichtig, dass ich meine Erfahrungen an die jüngeren Tänzer weitergeben kann“, sagt Vanessa Treizel, die Kapitänin beim 1. TCL ist. Der Altersunterschied spielt für Manuel Weber keine Rolle: „Ich hatte keine Partnerin, Vanessa kam aus Berlin zu uns und suchte einen Partner. Dann haben wir zusammen getanzt, und es hat einfach funktioniert“, erzählt der Student der mobilen Medien.

Die neue Choreografie muss passen

Derzeit sehen die beiden ihren jeweiligen Tanzpartner häufiger als den richtigen Partner. „Die Zeit vor der WM ist extrem hart, man muss auf sehr vieles verzichten“, sagt die gebürtige Belgierin, „dabei sind die eigenen Ansprüche die höchsten.“ Um diese zu erfüllen, trainieren Treizel und Weber – genauso wie die restlichen sieben Paare der Formation – rund 20 Stunden pro Woche. Hinzu kommt individuelles Lauf- und Paartraining. „Wir machen Spezialübungen für die Bauchmuskeln und arbeiten an der Körperspannung“, erklärt Manuel Weber.

Die Tage vor der Weltmeisterschaft verbringt die Mannschaft bei einem gemeinsamen Trainingslager in Albstadt. Hier sollen die Fehler abgestellt werden, die dem Trainerduo bei den deutschen Meisterschaften am 10. November noch Schweißperlen auf die Stirn getrieben haben. „In Düsseldorf waren wir nicht zufrieden. Synchronität und Abstimmung müssen noch verbessert werden“, sagt Dagmar Beck. Ludwigsburg belegte damals hinter dem Braunschweiger TSC Rang zwei.

Ein gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die Mannschaft in dieser Formation erst seit drei Monaten zusammen ist. Danach fragt an diesem Samstag aber niemand. Die neue Choreografie muss passen, sonst wird es nichts mit dem Traum vom Podest. „Amour fatal“ heißt sie und ist mit über 40 Bildern auf 228 Takten die bislang dichteste Choreografie der Meistertrainer. Am Ende werden in 14 Takten vier Tänze gezeigt. „Wir bleiben unserem Stil treu“, sagt Dagmar Beck, „wir tanzen nicht nur für die Wertungsrichter, sondern auch für die Zuschauer.“ Nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere dann selbst Lust bekommt, das Tanzbein zu schwingen – und Erinnerungen an die Tanzschulzeit endgültig der Vergangenheit angehören.