David Adu-Boahene mit Frau Iugeniae und den Kindern Adiwoa und Akua Foto: Leif Piechowski

Die Sprache des Fußballs ist einfach. Jeder versteht sie. So hat David Adu-Boahene einst mit Kicken das Heimweh vertrieben. Eine erfolgreiche Kur. Seit 30 Jahren lebt er in Stuttgart und kann beim Spiel Deutschland gegen Ghana gar nicht verlieren: Eines seiner Heimatländer wird gewinnen.

Die Sprache des Fußballs ist einfach. Jeder versteht sie. So hat David Adu-Boahene einst mit Kicken das Heimweh vertrieben. Eine erfolgreiche Kur. Seit 30 Jahren lebt er in Stuttgart und kann beim Spiel Deutschland gegen Ghana gar nicht verlieren: Eines seiner Heimatländer wird gewinnen.

 

Stuttgart - Die Sprache des Fußballs ist einfach. Jeder versteht sie. So hat David Adu-Boahene einst mit Kicken das Heimweh vertrieben. Eine erfolgreiche Kur. Seit 30 Jahren lebt er in Stuttgart und kann beim Spiel Deutschland gegen Ghana gar nicht verlieren: Eines seiner Heimatländer wird gewinnen.

Die Fahne mit dem schwarzen Stern liegt im Wohnzimmer über dem Sessel. Fertig für den nächsten Einsatz. Die Niederlage Ghanas gegen die USA hat er mit seiner Frau und beiden Töchtern zu Hause in Filderstadt angeschaut. Am Samstag zum Spiel der Deutschen gegen Ghana will er aber die Flagge ausführen nach Stuttgart, in den afrikanischen Laden Afrikiko an der Hauptstätter Straße. Dort gibt’s Haarteile, Kosmetik, Internet, Lebensmittel – und WM-Spiele. Also alles, was man braucht. „Da treffen sich die Afrikaner, um Fußball zu schauen“, sagt der 54-jährige Adu-Boahene, Ehrensache, dass er da auch dabei sein will.

Er würde das nie selbst sagen, aber man kann ihn schon als Sprachrohr der schwarzen Stuttgarter bezeichnen. Zweimal die Woche geht der studierte Journalist im Freien Radio Stuttgart (UKW 99,2 über Antenne oder 102,1 über Kabel) mit dem „Radio Africa“ auf Sendung, donnerstags und samstags erzählt er von Afrika, der Politik, der Wirtschaft, den Mythen, aber auch von der neuen Heimat Stuttgart. So ist er auch einer der Väter des Afrikafestivals, dass seit zwölf Jahren in Heslach stattfindet.

David Adu-Boahene ist angekommen. Trotz des schweren Anfangs. In einem kleinen Zimmer in Sindelfingen-Maichingen habe er gesessen, erinnert er sich an das Jahr 1985. Das Heimweh habe ihn geplagt, einsam fühlte er sich als Student an der Uni Hohenheim. Alles war fremd und ungewohnt. Doch als einige Nachbarskinder sich einen Ball zuspielten, fasste er sich ein Herz, kickte mit und stellte fest: Wenn der Ball rollt, ist es völlig egal, ob man in Sindelfingen oder in Kumasi geboren ist. Das beste Wörterbuch ist rund. „Über das Fußballspielen habe ich Deutsch gelernt und Kontakte geknüpft.“

Zwischendurch ging er nach London, studierte Journalismus, arbeitete einige Jahre in England, ehe es ihn wieder nach Stuttgart zog. Er macht Radio, arbeitet als Korrespondent für mehrere Zeitschriften, erklärt den Afrikanern Deutschland und den Deutschen Afrika. Nun denn, dann erklären Sie uns mal Ghana, Herr Adu-Boahene? Da muss er kurz lachen, dann wird er ernst. Vor kurzem sei ein Schulfreund bei ihm zu Besuch gewesen, ein Mitglied der Regierung, zuständig bei der Abteilung gegen Jugendarbeitslosigkeit. „Mit dem habe ich mich gestritten, ihm gesagt, ihr macht alles falsch.“ Denn seit Jahren schrumpfe die Wirtschaft, den Menschen gehe es schlechter, wegen der Korruption würden sich die Investoren zurückziehen. „Du hast recht“, habe sein Freund gesagt, doch die Einsicht reiche nicht weit, glaubt Adu-Boahene. „Unsere Eliten haben alle im Ausland studiert, die wissen, wie es geht“, sagt er, „aber zu Hause vergessen sie das.“

Nun ist Ghana aber auch ein Hort der Stabilität. Es gibt freie Wahlen, die „Reporter ohne Grenzen“ stufen das Land in puncto Pressefreiheit vor Australien und Portugal ein. „Ghana hat gute Schulen und Universitäten“, sagt Adu-Boahene, „doch was nützt das beste Studium, wenn man keine Arbeit findet.“ Kürzlich seien eine halbe Million Menschen auf die Straße gegangen und hätten Reformen gefordert. Einerseits findet er es gefährlich, wenn eine Revolution dräut, andererseits zeigt es auch, dass der Gemeinsinn wachse. „Ich habe in Deutschland Fleiß und Disziplin gelernt“, sagt er, „und dass man zusammen etwas erreichen kann“.

Nun sollte man mit den Vergleichen zwischen Fußball und dem wahren Leben vorsichtig sein, aber Adu-Boahene erkennt im Spielstil der afrikanischen Mannschaften ein grundsätzliches Problem. „Europäer spielen zusammen, Afrikaner für sich“ , sagt er, „das sind alles gute Jungs, aber sie sind arm und müssen glänzen, damit sie einen Vertrag und Geld bekommen.“ Das präge die Mentalität. Wer Hunger hat, kann zunächst nur an sich denken.

Doch wollte Ghana nicht Weltmeister werden? Zumindest hat Trainer Stephen Appiah das gesagt. „Da hat er mächtig übertrieben“, sagt Adu-Boahene, doch an einem guten Tag könne man auch Deutschland schlagen. „Wenn sie ihr Ego hintanstellen“, könne man viel erreichen. Die Black Stars, die Schwarzen Sterne, wie die Mannschaft zu Hause heißt, sollen wieder funkeln. David Adu-Boahene braucht diesen Glanz aber nicht. „Ich bin kein Fanatiker“, sagt er, „es wäre klasse, wenn Ghana weiterkommt, aber ich drücke beiden bei dieser WM die Daumen.“ Schließlich schlägt sein Herz für beide Heimatländer. „Die Welt ist klein geworden“, sagt er. Und erzählt vom Nachbarsbub Erich Berko. Der kickt beim VfB II. Sein Vater stammt aus Ghana – und der junge Mann spielt für Deutschland.