Foto: AFP/PAUL ELLIS

Der erst 19 Jahre alte Mittelfeldmann Jude Bellingham von Borussia Dortmund gibt im Spiel des Vizeeuropameisters England den Takt vor und wird mit Lob überhäuft.

Die Trommler sowie die Tänzerinnen und Tänzer aus dem Senegal hatten alles gegeben. An drei Plätzen verteilt standen sie in der Arena zu Al-Khor: unten auf der seitlichen Haupttribüne, auf Höhe der Eckfahne und hinter dem Tor. Das WM-Achtelfinale gegen England bot ihnen die große Bühne, und was soll man sagen: Sie rockten sie. 90 Minuten lang spielten sie zusammen in einem Takt, perfekt aufeinander abgestimmt. Allesamt trugen sie dabei bunte Kostüme und Kopfbedeckungen, einer trug einen riesigen Löwenkopf als Maske. Ihre drei Trommelwirbel aus den drei Ecken verbanden sie zu einem Klang, der nur durch die Halbzeitpause unterbrochen wurde.

Dazu lieferten die Anhänger einen Tanz, der ebenfalls einen Rhythmus hatte – und zu dem so mancher senegalesische Reporter auf der Pressetribüne hoch droben unterm Dach fleißig mitwippte.

Auf dem Platz gab am Sonntagabend Jude Bellingham den Takt vor.

Wo er am Ball war, spielte die Musik im englischen Spiel. Das 19-jährige Mittelfeldtalent orchestrierte beim souveränen 3:0-Sieg den Auftritt seiner Nebenleute. Bellingham war es, der wie ein erfahrener Virtuose den Rhythmus bestimmte. Er schwang sich, um im Bild zu bleiben, zum Dirigenten auf – die beste Kritik bekam aber hinterher zumindest von offizieller Seite der Stürmer und Torschütze zum 2:0, Harry Kane.

Als von einer Expertenkommission des Weltverbands Fifa offiziell ausgezeichneter „Spieler des Spiels“ musste Kane dann später in den Katakomben rauf aufs Pressepodium – und dann nicht über sich, sondern über Bellingham reden, den wahren „Man of the Match“. Das sah übrigens auch der „Guardian“ so, der Bellingham in seiner Notenskala von null (ganz schwach) bis zehn (überragend) eine neun gab: Bestwert im englischen Team.

Kapitän Kane lobt Bellingham in höchsten Tönen

Kapitän Kane legte also los auf der Empore, er hatte sein Trikot noch an – und kam ins Schwärmen über seinen jungen Kollegen. „Jude“, sagte der Tottenham-Star, „ist einfach ein fantastischer Spieler, er hat alles.“ Dann ratterte der Torjäger im Stakkatotakt die Liste von Bellinghams Qualitäten herunter: „Er ist stark mit dem Ball, ohne Ball beim Pressing. Er rennt, spielt Pässe und ist wichtig, wenn es um Tore geht.“

Das sieht auch der englische Trainer Gareth Southgate so, der am Ende dieser Fußballnacht zur ultimativen Lobhudelei über Bellingham ausholte. „Das Entscheidende bei Jude“, sagte er, „ist seine Mentalität. Er hat den festen Willen, sich zu verbessern, und will unbedingt weiter lernen.“

Mit einem Kniff brachte Southgate Bellinghams Qualitäten gegen den Senegal noch mehr zur Geltung – der Trainer beorderte Routinier Jordan Henderson vom FC Liverpool ins defensive Mittelfeld und Bellingham dafür weiter nach vorne, auf die Spielmacherposition. „Die Hereinnahme von Jordan hat Jude mehr Freiheiten gegeben“, sagte Southgate hinterher noch trocken. Mit all seinen Vorzügen – Bellingham ist mit seinen 1,86 Metern schnell und beweglich, aber auch extrem robust und zweikampfstark – dominierte er die Partie.

Wie gut dieser junge Bursche ist, das wiederum wissen auch die Strategen von Borussia Dortmund genau. Im Sommer 2020 holten sie das Juwel für 25 Millionen Euro von Birmingham City, Bellingham startete beim BVB durch, auch bei den Schwarz-Gelben hat er längst eine Führungsrolle inne. Inzwischen beläuft sich sein geschätzter Marktwert auf 100 Millionen Euro. Manchester City, der FC Liverpool und Real Madrid haben ihn auf dem Zettel – es ist davon auszugehen, dass Bellingham Dortmund im Sommer verlassen wird.

Duell im Viertelfinale mit Frankreich

Jetzt aber will er erst einmal bei der WM in Katar weiter Eindruck machen. An diesem Samstag (20 Uhr) steigt das große Viertelfinalduell des Vizeeuropameisters mit dem Weltmeister Frankreich. „Jeder von uns hat so viel Qualität, Temperament und Charakter gezeigt“, sagte Bellingham nach dem 3:0 über den Senegal – und blickte voraus: „Ich denke, wir kommen an den Punkt, an dem wir sagen: Wir können jeden schlagen.“

Mit Bellingham in der aktuellen Form ist das zumindest nicht auszuschließen.