Er hat seine Stars wie Ivan Rakitic im Griff und zu einer Einheit geformt: Kroatiens Nationaltrainer Zlatko Dalic (re.). Foto: dpa

Die kroatische Nationalmannschaft will mit einem Sieg gegen England ins WM-Finale einziehen. Das Hoch hat mit Trainer Zlatko Dalic zu tun – und mit dem Korruptionsskandal.

St. Petersburg - Nikola Kalinic machte auf beleidigt. Als er gegen Nigeria (2:0) kurz vor Schluss eingewechselt werden sollte, weigerte sich der Stürmer – offiziell wegen Rückenbeschwerden. Trainer Zlatko Dalic warf ihn aus dem WM-Kader. Wenn noch ein letztes Zeichen nötig war, für die Zeitenwende im kroatischen Fußball, dann war es diese konsequente Maßnahme. Vor dem Halbfinalkracher an diesem Mittwoch (20 Uhr/ZDF) gegen England steht längst fest: Wer sich in diesem Team auf dem Egotrip befindet, wird aussortiert. Keiner in der Startruppe um Luka Modric (Real Madrid), Ivan Rakitic (FC Barcelona), Ivan Perisic (Inter Mailand), Dejan Lovren (FC Liverpool) und Mario Mandzukic (Juventus Turin) nimmt sich zu wichtig.

Sie folgen einem Mann, der im Vergleich zu den großen Namen im Kader ein ziemlich unbeschriebenes Blatt ist: Zlatko Dalic. Er ist keine weltweite Trainerlegende wie Ciro Blazevic, unter dem die „Goldene Generation“ von 1998 WM-Dritter wurde. Er ist auch keine nationale Kultfigur wie Slaven Bilic. Dalic hat in Split, Mostar und Varazdin gespielt, und bis 2014 an vergleichsweise unbedeutenden Stationen wie Rijeka, Tirana, Koprivnica als Trainer gearbeitet. Danach zog es ihn nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate.

Distanz zur kroatischen Fußballszene als Vorteil

Bis zu seinem Einstieg als Nationltrainer im Oktober 2017 war der 51-Jährige ziemlich weit weg von der kroatischen Fußballszene. Das ist in diesem Fall kein Nachteil. Im Gegenteil: Er war in keinen Filz und keine Machenschaften verwickelt. Er kann unvoreingenommen aufstellen. Früher gaben die mächtigen Paten aus Zagreb und Split mit dezentem Druck die Richtung vor. Allen voran der Funktionär Zdravko Mamic. Nach dem bizarren Korruptionsskandal rund um den ehemaligen Chef des kroatischen Verbandes und Boss von Dinamo Zagreb, ist alles anders. „Nach Jahren beklemmender Realität, Streitigkeiten, Polarisierung und Boykott wegen eines einzigen Menschen hat der kroatische Fußball die Chance, die hässliche Vergangenheit abzuschließen und eine neue Seite in der Geschichte aufzuschlagen“, schrieb die Zeitung „Jutarnji list“ dieser Tage.

Zlatko Dalic ist auf dem besten Weg dies zu nutzen. Er setzt auf soziale Kompetenz, auf Kollegialität, auf Teamfähigkeit. Mit einer optimalen Mischung aus Autorität und guter Atmosphäre formte er eine richtige Mannschaft, die an das Team von 1998 erinnert. Damals hießen die Stars Davor Suker, Zvonimir Boban und Robert Prosinecki, Ex-Jugendspieler der Stuttgarter Kickers und seit Januar Nationaltrainer von Bosnien-Herzegowina. Wie alle großen kroatischen Teams besticht auch das aktuelle durch seine spielerische Klasse. Woher dieses individuelle Können rührt? Für den früheren U-21-Nationalspieler Marijan Kovacevicliegt dies weniger an einer besonders gesteuerten Nachwuchsförderung als vielmehr an der Mentalität. „Die Kinder sind weniger im Internet unterwegs, sondern vielmehr in jeder freien Minute auf dem Bolzplatz. Der Spieltrieb ist einfach ausgeprägter als in Deutschland“, sagt der ehemalige Kapitän des VfB Stuttgart II und heutige sportliche Leiter des Kickers-Nachwuchsleistungszentrums.

Nächste Generation mit Sosa und Brekalo

Hinzu kommen längst die Grundtugenden Kondition und Organisation sowie Härte, Draufgängertum und Tempo. Diese explosive Mischung – gepaart mit Glück im Elfmeterschießen – spülte die Dalic-Elf ins WM-Halbfinale. „Das Team hat ohne Ende Selbstvertrauen. Jetzt ist auch der Titel möglich“, ist sich Kovacevic sicher. Und die nächsten Hochbegabten „Made in Croatia“ sind schon im Anmarsch. Dazu gehören VfB-Neuzugang Borna Sosa und Ex-VfB-Profi Josip Brekalo (beide 20). Ante Rebic (24/Eintracht Frankfurt) und Mateo Kovacic (24/Real Madrid) spielen bereits wichtige Rollen im Team. Sie alle wissen: Nur wer auch bereit ist sich unterzuordnen, hat neuerdings auch eine Chance zu spielen.