Auf ihm ruhen hohe Erwartungen: Der brasilianische Spielmacher Neymar Foto: dpa

An diesem Donnerstag beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien – und für Neymar die bislang größte sportliche Aufgabe in seinem noch jungen Leben. Brasiliens Nummer zehn kann zum König aufsteigen, ein Scheitern wird wohl kaum akzeptiert.

An diesem Donnerstag beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien – und für Neymar die bislang größte sportliche Aufgabe in seinem noch jungen Leben. Brasiliens Nummer zehn kann zum König aufsteigen, ein Scheitern wird wohl kaum akzeptiert.

Rio de Janeiro - Jetzt soll er auch noch die Modewelt retten. Im Nachrichtenmagazin „G1“ des TV-Senders Globo waren sich am Mittag drei Fashionexperten einig. Der junge Mann aus dem Städtchen Mogi das Cruzes im Bundesstaat São Paulo wird David Beckham das Zepter aus der Hand reißen und zur neuen Stil-Ikone des Planeten werden. Becks’ Zeit ist abgelaufen, das Imperium des Neymar da Silva Santos Júnior beginnt, die mediale Weltherrschaft zu übernehmen.

Weltherrschaft – darunter geht es anscheinend nicht mehr für Brasiliens Jungstar, auf dem die Hoffnungen für die an diesem Donnerstag (22 Uhr/ZDF) beginnende Weltmeisterschaft im eigenen Land ruhen. Die Häutung vom hoch talentierten Fußballer zum besten Spieler der WM, zum besten WM-Torschützen, natürlich zum Weltmeister und ganz nebenbei auch noch Weltfußballer des Jahres: In 31 Tagen wird Neymar dieses Kunststück gelingen – davon sind sie in Brasilien fest überzeugt, sie verlangen von dem gerade einmal 22-Jährigen nichts anderes als die Eroberung der Fußballwelt. Und selbst dies wäre nicht genug.

Teil eins der – im Idealfall – siebenteiligen Krönungsmesse beginnt mit dem Eröffnungsspiel gegen Kroatien. Ausgerechnet in seiner Heimat São Paulo, wo der Erwartungsdruck besonders hoch ist. Er spüre diesen Druck nicht, versichert Neymar. Er sei vielmehr hoch motiviert. Enden soll alles in Brasiliens Fußball-Kathedrale schlechthin, dem legendären Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro, Schauplatz der traumatischen WM-Finalniederlage 1950 gegen Uruguay. Am 13. Juli soll der bislang noch ungekrönte König Neymar diesen Albtraum aus der brasilianischen Seele für immer verbannen und den Thron besteigen.

Allerdings: Es gibt auch Zweifler – wenn auch nicht unbedingt in Neymars Heimat. Vor einigen Wochen fällte Johan Cruyff, eine Art lebendiges Gewissen des FC Barcelona, ein vernichtendes Urteil über den Wechsel des Brasilianers vom FC Santos nach Spanien: „Ein Fehler.“ Cruyff war von Anfang an gegen diesen Transfer, die titellose Saison Barças dient nun als Argumentationshilfe bei der Beantwortung der Frage, ob Neymar wirklich über die Qualität eines Weltstars verfügt. Auch Luis Felipe Scolari kennt diese zweifelnden Stimmen, die ihren Ursprung haben in Neymars bisherigen Darbietungen für den FC Barcelona. Doch der brasilianische Nationaltrainer wiegelt ab: „Er wird bei uns eine andere Rolle spielen als in Barcelona.“ Was auch heißen soll: Im Dress Brasiliens wird er erfolgreicher spielen.

Auch die hässlichen Nebengeräusche um seinen Transfer angeblich samt Handgeld und Extrazahlungen an den Vater haben Neymar ein paar Sympathien gekostet. Als er im Halbfinale der Champions League gegen Atlético Madrid ein knappes Dutzend Mal das Trikot während des Spiel so anhob, dass die Fotografen die Marke seiner Unterwäsche fotografierten, jubelte zwar die Marketingabteilung des Sponsors. Neymars Fans aber waren irritiert – denn viel mehr hatte der 22-Jährige beim Aus der Katalanen nicht zustande gebracht. Dazu könnten in den kommenden Tagen weitere unerwünschte Ablenkungsmanöver kommen.

Neymars On-Off-Freundin, Bruna Marquezine, war jedenfalls schon zu Besuch im Trainingsquartier der Brasilianer – und traf sich äußerst publikumswirksam mit dem Superstar. In dieser Woche versuchte dann eine Gruppe von „Funkeiras“, also leicht bekleideten Sängerinnen, Neymar auf dem Rasen zu stellen. Die Sicherheitskräfte waren zwar schneller, auf die Titelseite des Boulevards schafften es die Damen dennoch mit ihrer Aktion. Es könnte nicht die letzte dieser Art gewesen sein. Sind es womöglich die Geister, die der Top-Kicker selbst rief?

Neymar jedenfalls steht für die neue Fußballer-Generation, die eine gnadenlose Individualisierung des Mannschaftssports vorantreibt. Seine Initialen „NJR“ hat er sich markenrechtlich schützen lassen und trifft den Nerv einer jungen Generation, die von der Selbstvermarktung auf Facebook, Twitter oder Instagram geradezu fasziniert ist. Das widerspricht zwar dem Teamgeist, ist aber gut fürs Konto.

All diese Nebenkriegsschauplätze werden wohl akzeptiert werden, wenn Neymar die Seleção in der Heimat zum Erfolg führt. Wenn nicht, könnte es ungemütlich werden für den Liebling der Nation. Klar ist bereits jetzt: Die nächsten 31 Tage werden das Leben Neymars für immer verändern. Das Gute an der Sache: Er kann den Lauf der Dinge selbst beeinflussen – mit guten Leistungen auf dem Fußballplatz.