Sieben solcher Kameras überwachen jeweils ein Tor Foto: dpa

Dass bei der WM in Brasilien die Torlinientechnik zum Einsatz kommt, freut vor allem die Schiedsrichter. „Der Zuspruch ist durchweg positiv“, sagt GoalControl-Chef Dirk Broichhausen.

Dass bei der WM in Brasilien die Torlinientechnik zum Einsatz kommt, freut vor allem die Schiedsrichter. „Der Zuspruch ist durchweg positiv“, sagt GoalControl-Chef Dirk Broichhausen.
 
Stuttgart - Herr Broichhausen, erstmals bei einer Weltmeisterschaft kommt die Torlinientechnik zum Einsatz. Sie haben sie erfunden – wie groß ist die Anspannung vor dem Start?
Es ist Vorfreude, nicht Anspannung.
Keine Nervosität?
Nicht, was die Systemtechnik angeht, denn die ist ausgereift. Sie hat im vergangenen Jahr hervorragend funktioniert, und sie wird auch nun wieder funktionieren. Zudem haben wir Back-up-Systeme und auch Generatoren, die anspringen, sollte etwas Unvorhergesehenes passieren.
2013 feierten Sie mit Ihrem System Premiere beim Confed-Cup . . .
. . . und ich sage es im Rückblick einmal so: Der Confed-Cup war die größere Herausforderung.
Dabei gab es nur sechs statt nun zwölf Stadien, die ausgerüstet werden mussten.
Das schon, aber der zeitliche Vorlauf war viel geringer.
Von der Entscheidung der Fifa, dass Ihr Unternehmen den Zuschlag erhalten hat, haben Sie im Osterurlaub erfahren.
Ich stand gerade auf der Skipiste in den österreichischen Alpen, als der Anruf kam. Das sind die Szenen im Leben, die man nie vergisst. Von da an hatten wir noch gut acht Wochen. Der Confed-Cup – das war von null auf hundert in wenigen Sekunden. Dazu sind wir von den Medien quasi überrannt worden. Das war schon eine gewaltige Druckwelle.
Den Zuschlag für die WM gab’s dann im Oktober 2013.
Man könnte also sagen: Es ging wieder von null auf hundert, diesmal aber in einigen Minuten. Wir kennen jetzt die Abläufe, das Unternehmen ist mittlerweile von fünf auf rund 40 Mitarbeiter gewachsen, wir haben in Brasilien eine portugiesisch sprechende Projektleitung und freuen uns auf die WM.
Den Schiedsrichtern geht es vermutlich nicht anders. Sie haben endlich technische Hilfe.
Der Zuspruch der Schiedsrichter für unser System ist tatsächlich durchweg positiv. Auch, weil sie sich nun viel besser auf begleitende Szenen konzentrieren können. Ich bin mir sicher, dass bei der WM die positive Stimmung auch auf Zuschauer, Clubs und Verbände überschlagen wird.
Die Bundesliga-Clubs haben sich im März noch gegen die Einführung der Torlinientechnik entschieden. Dann kam das Pokalfinale 2014, als ein klares Tor nicht anerkannt wurde . . .
. . . und für mich als Fan war diese Szene ein Déjà-vu. Denn sie impliziert den Gründungsgedanken von GoalControl. Es geht um Schiedsrichterhilfe, um Fairness und darum, dass Szenen klar aufgelöst werden. Ich hoffe für den deutschen Fußball, dass auch hier die Torlinientechnik kommt. Und ich bin sicher: Nach der WM wird die Liste der Stadien mit Torlinientechnik stetig wachsen.
Skeptiker entgegnen: Die Technik verdrängt die emotionalen Diskussionen.
Das Pokalfinale hat doch aber noch einmal gezeigt, welche Emotionen hier generiert werden. Vor allem die Schiedsrichter sind Teil einer Negativdiskussion. Wer redet denn noch über den Pokalsieg der Bayern? Hätte man die Technik, würde man wieder viel mehr über die Sache diskutieren. Zudem werden die Leute ja direkt eingebunden und sehen auf der Videotafel, ob der Ball drin war oder nicht. Auch das ist Spannung pur.
Billig ist der Spaß aber nicht. 500 000 Euro auf drei Jahre kostet ein einzelnes System.
Natürlich ist das viel Geld, aber die Bundesliga erlöst ja auch viel. Zudem gibt es viele Ideen, wie man eine solche Investition gegenfinanzieren kann – über Sponsoren, einen Fonds oder das Solidarprinzip. Man muss nur darüber reden.
Aber: So hohe Kosten dafür, dass es pro Saison vielleicht einen Fall pro Stadion gibt.
Wie oft hat Ihr Airbag im Auto schon ausgelöst?
Glücklicherweise noch nie.
Dennoch haben Sie einen, nicht wahr?
Ja.
Also reden wir hier meiner Meinung nach über ein nicht zulässiges Argument. Der Effekt eines nicht gegebenen Tores ist überhaupt nicht zu vergleichen mit anderen Szenen, wo es etwa um ein Foul geht. Torszenen sind spielentscheidend.
Zurück zur WM: Hoffen Sie eigentlich auf viele strittige Torszenen, damit Sie zeigen können, was Ihre Technik kann?
Wir hoffen nicht darauf – wenn’s aber doch passiert, sind wir natürlich auch stolz, wenn unser System dabei hilft, die richtige Entscheidung herbeizuführen.