Deutschland nach dem WM-Triumph von Brasilien. Foto: dpa

Der WM-Jubel und die WM-Nachwehen waren heftig. Die Anerkennung durch den Titelgewinn von Rio ist noch jetzt groß für Joachim Löw und sein Team. Der Weltmeistertrainer hat längst seine Pläne für die EM 2016 in der Schublade und kündigte einige neue Gesichter an.

Berlin - Natürlich ist dieser 13. Juli 2014, diese Nacht von Rio auch ein Jahr danach für Joachim Löw und seine Titelhelden noch ein ganz spezieller Moment: Dieses Tor von Mario Götze in der Nachspielzeit. Diese Enttäuschung für Lionel Messi und dessen Argentinier. Diese ausbrechende Freude über die Krönung nach acht Jahren Anlauf unter Bundestrainer Löw. Und dieses rauschende Fest am Strand von Ipanema.

„Ich habe gespürt, dass wir dieses Mal fällig sind und den Titel holen können“, erinnerte sich Löw - das war nach dem 1:0 im Viertelfinale gegen Frankreich. Was danach kam, war Rausch: 7:1 gegen Brasilien, 1:0 gegen Argentinien, Deutschland stand Kopf.

Nur der Macher, der Chef des Ganzen konnte gar nicht so intensiv jubeln wie er eigentlich wollte. „Mir fehlte die Kraft, ausgelassen zu feiern“, erklärte Löw. Bis in den Oktober hinein hat der Weltmeistercoach dann gebraucht, um wieder die richtige Anspannung für neue Aufgaben aufzubauen. Seinen Spielern ging es nicht anders.

DFB-Team muss wieder Gas geben

Im Gegenteil: Einige der Helden von Rio sind die gesamte Saison nicht richtig in Tritt gekommen. „Wir haben Zeit zum Luftholen gebraucht“, bemerkte Löw: „Viele waren ausgelaugt oder verletzt, haben schwer wieder in den Rhythmus gefunden. Bei den Dortmundern kamen noch andere Probleme dazu.“

Für Löw war vor allem deshalb das Nach-WM-Jahr problematisch. „Der WM-Titel hat eine unglaubliche Euphorie ausgelöst, die auch angehalten hat. Das ist nachhaltig. Aber Leistungsträger gingen, einige neue Spieler kamen nach. Das war nicht ganz einfach“, erinnerte der DFB-Chefcoach. Für die zurückgetretenen Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker holte Löw die Neulinge Karim Bellarabi (Bayer Leverkusen), Jonas Hector (1. FC Köln) und Patrick Herrmann (Borussia Mönchengladbach) in seinen Kader.

„Es gab mit den Rücktritten schon einen natürlichen Umbruch. Man musste viel probieren. Aber nach einem halben Jahr habe ich gemerkt, dass die Spieler wieder gierig sind“, betonte Löw, dessen Position nach dem WM-Triumph natürlich so stark ist wie nie - neuer Vertrag bis 2018 inklusive.

Nach Stotterstart langsam in Tritt gekommen

Der Stotterstart in die EM-Ausscheidung mit einer Niederlage in Polen und einem Remis zu Hause gegen Irland nagte dennoch lange. „Im vergangenen Jahr haben wir aufgrund von Verletzungen und teilweise auch Rücksichtnahme auf die Vereine nicht immer mit der stärksten Mannschaft spielen können. Das können wir uns jetzt nicht mehr erlauben. Wichtig ist, dass wir im September den stärksten Kader haben“, sagte Manager Oliver Bierhoff.

In der neuen Saison beginnt für das DFB-Team „die heiße Phase, da möchte ich ein bisschen frisches Blut einfließen lassen“, verriet der Bundestrainer bereits. Vor allem Talente wie der Wolfsburger Maximilian Arnold, U21-Kapitän Kevin Volland (Hoffenheim) oder auch der zum FC Bayern wechselnde Joshua Kimmich könnten neue Impulse geben, auch wenn die Nachwuchs-EM nicht so verlief, wie sich das Löw und sein ehemaliger Assistent Hansi Flick (jetzt DFB-Sportdirektor) vorgestellt hatten.

„Es gibt schon einige Spieler, die ihren Weg gehen werden. Aber wir haben Positionen, auf denen ich, wenn ich mal auf die U-Teams schaue, noch nicht den Weltklasse-Spieler heranwachsen sehe“, betonte Löw in der „Welt“ mit Hinweis auf die Außenverteidiger und Stürmer. Für diese Positionen sehe er „derzeit keinen Spieler, der so gut ist, dass ich ihn sofort zu uns holen müsste“.

EM-Quartier ist schon gebucht

Lukas Podolski hat mit seinem Wechsel zu Galatasaray Istanbul inzwischen wie von Löw gewünscht den Verein gewechselt, um wieder mehr Spielpraxis zu bekommen. Ilkay Güdogan, von dessen Potenzial der DFB-Chefcoach überzeugt ist, bleibt bei Borussia Dortmund.

Die Vorbereitungen auf die EM-Endrunde im kommenden Sommer in Frankreich laufen längst auf Hochtouren. Das Stammquartier in Évian-Les Bains am französischen Ufer des Genfer Sees ist gebucht, obwohl die Qualifikation noch nicht gesichert ist. „Es wird nicht einfach“, bemerkte der Bundestrainer.

Größere Sorgen macht sich Löw trotz einiger Probleme zur Halbzeit zwischen WM und EM aber nicht. „Wir haben zwar in der EM-Qualifikation den einen oder anderen Punkt liegenlassen, aber das werden wir im Herbst wettmachen. Es gibt keinen Grund, unruhig zu sein.“ Vom Titel in Rio sei viel geblieben: „Deutschland wird überall mit anderen Augen gesehen, international ist der Respekt enorm groß. Deutschland wird nicht mehr gleichgesetzt mit Kämpfen und am Ende Gewinnen. Das Nationalteam steht für Spielkultur, für unglaublichen Teamgeist, für Integration.“

Löw will bis kommenden Sommer einige junge Spieler heranführen, schon zu den entscheidenden Partien im Herbst sei das möglich, „wenn einer Qualität hat und ich der Meinung bin, dass er die Leistung bringt“, erklärte Löw: „Für die Spiele gegen Polen, Schottland und Irland wird die Spannung hochgefahren. Das wird anders sein als in dem einen oder anderen Spiel in dieser Saison.“