Wechselt von Hertha zum BVB: Kolumbiens Stürmer Adrian Ramos Foto: Getty

In Kolumbien herrscht fast schon Staatstrauer, seit klar ist, dass Superstar Radamel Falcao bei der Weltmeisterschaft in Brasilien verletzt fehlen wird. Seine Kollegen sind entsprechend gefordert – allen voran Adrian Ramos.

In Kolumbien herrscht fast schon Staatstrauer, seit klar ist, dass Superstar Radamel Falcao bei der Weltmeisterschaft in Brasilien verletzt fehlen wird. Seine Kollegen sind entsprechend gefordert – allen voran Adrian Ramos.

Buenos Aires - Sogar der Staatspräsident war betrübt – und nutzte sogleich moderne Kommunikationswege, um sein Volk zu trösten. „Unser Land bedauert die Abwesenheit unseres Tigers Falcao bei der Weltmeisterschaft“, twitterte Juan Manuel Santos, nachdem endgültig klar war, dass der Stürmer vom AS Monaco wegen eines im Januar erlittenen Kreuzbandrisses in Brasilien fehlen wird. Und José Pekerman, der Trainer der kolumbianischen Nationalmannschaft, klagte: „Das ist kein guter Tag.“ Aber es war ein bedeutender – vor allem für den Rest des Teams, das nun besonders in der Pflicht steht. Zuvorderst jene, die Falcao ersetzen sollen – weshalb eine Geschichte interessant wurde, die im November 2011 begann.

Es war brütend heiß in Barranquilla, Kolumbiens damaliger Trainer Leonel Alvarez wollte die brutale Tropenhitze in der Stadt an der Karibikküste ausnutzen, um Gegner Argentinien in die Knie zu zwingen. Doch Lionel Messi, der sich in der Partie wegen der schwülen Hitze übergab, ließ im Dress der Albiceleste seine Extraklasse aufblitzen. Kolumbien verlor 1:2, es war das Ende der nur ein paar Wochen dauernden Amtszeit des Coaches. Und es war – so schien es zumindest – auch das Ende der Nationalmannschaftskarriere von Adrian Ramos.

Fast drei Jahre ist dieser schicksalhafte Tag nun schon her, und lange sah es so aus, als ob Kolumbiens neuer Coach Ramos nie mehr bei den „Cafeteros“ sehen wollte. Zu ungefährlich, zu langsam und dann auch noch aus der Bundesliga abgestiegen mit Hertha BSC. Ramos war bei José Pekerman unten durch – und noch am Vorabend der endgültigen Kader-Nominierung hatten fast alle kolumbianischen Fußballexperten Ramos auf der Streichliste, falls Superstar Falcao doch noch fit werden sollte. Aber, wie gesagt, Letzteres ist nicht geschehen.

„Ich bin heute in einem guten Zustand“, sagte „El Tigre“ am Montag mit Tränen in den Augen, „aber mir ist bewusst, dass noch etwas fehlt, um spielen zu können. Und ich wollte nicht einem Kameraden den Platz wegnehmen, der zu 100 Prozent fit ist.“ In einem Pokalspiel beim Viertligisten Monts d’or Azergues musste Falcao Anfang des Jahres nach einem harten Einsteigen seines Gegenspielers Soner Ertek das Feld verlassen – Kreuzbandriss. Sünder Ertek erhielt anschließend sogar Morddrohungen, erst als Falcao selbst dem Gegenspieler öffentlich verzieh, war der böse Spuk vorbei. In einem Land, in dem sich der Mord an Abwehrspieler Andres Escobar nach dessen Eigentor bei der WM in den USA zum 20. Mal jährt, ist das durchaus von Bedeutung. Auch Falcaos Traum v on der WM ist nun Vergangenheit, dafür steht Ramos ganz plötzlich wieder im Fokus.

Carlos „El Pibe“ Valderrama, Kolumbiens fußballerisches Gewissen, hatte Pekerman schon vor Wochen auf die Topleistungen des schweigsamen Mannes aus dem Städtchen Santander de Quilichao hingewiesen. Die Gegend, aus der Ramos stammt, liegt im Bundesstaat Cauca, einer der unsichersten Regionen im von linken Guerilla-Gruppen und rechten paramilitärischen Banden umkämpften Drogenanbaugebiet. Lautsprecher leben dort gefährlich, auch deshalb ist Ramos keiner, der seine Stimme erhebt, um auf sich aufmerksam zu machen.

Pekerman zierte sich lange, Ramos in den Kreis der Auserwählten aufzunehmen. Denn der 28-jährige Stürmer hat eigentlich nichts dazu beitragen können, dass sich Kolumbien erstmals seit 1998 für die WM qualifiziert hat. Während der Rest des Teams sich durch die knüppelharte südamerikanische WM-Qualifikation ackerte, verschwand Ramos mit der Hertha zunächst in den Niederrungen der zweiten Liga und tauchte dann ganz plötzlich wieder auf. Aber Pekerman wollte ihn nicht sehen. Erst als der FC Arsenal London und Borussia Dortmund in Berlin vorstellig wurden, um Ramos zu verpflichten, konnte auch der „Professor“ nicht mehr anders. Er holte Ramos, der sich für einen Wechsel zum BVB entschieden hat, im Frühjahr zurück. Zu einem Zeitpunkt also, als verschiedene Fans, die die Bundesliga-Spiele in Südamerika gesehen hatten, schon erste Pro-Ramos-Petitionen geschickt hatten.

Kolumbien gilt bei vielen Experten als WM-Geheimfavorit. Auch ohne Falcao, der nach Monaten ohne Spielpraxis wohl ohnehin nicht in Topform gewesen wäre. Die „Cafeteros“ sind nun unberechenbarer, diese Chance wollen sie nutzen. „Wir haben eine großartige Auswahl“, sprach Falcao seinen Landleuten Mut zu, „es bleiben große Spieler.“ Er meinte damit auch Adrian Ramos.