Bislang verfügen kaum Asylheime über einen Internetanschluss Foto: Patricia Sigerist

Die Initiative Freifunk Stuttgart will mehr Flüchtlingsheime mit einem freien Zugang zum WLAN versorgen. Um das zu finanzieren, rufen immer mehr Freundeskreise zu Spenden auf.

Stuttgart - Vier Computer stehen in einem kleinen Raum in der Flüchtlingsunterkunft in der Arthurstraße. Es ist für die rund 180 Bewohner des Asylheims so etwas wie ein Fenster zu ihrer Vergangenheit. Allerdings eines, das nicht immer für sie offen steht: „Wir haben bestimmte Zeiten, in denen die Flüchtlinge die PCs nutzen können“, sagt Kurt Jaeger. Der IT-Experte hat den Computerraum eingerichtet, bezahlt durch Spenden. „Zwar haben viele Bewohner auf der Flucht ihre Papiere und ihr Hab und Gut verloren“, sagt Jaeger. „Was ihnen aber bleibt, das ist ihre digitale Identität: Die eigene E-Mail-Adresse zum Beispiel und Nutzerkonten.“

Ohne diese Benutzernamen und Passwörter wären die Asylsuchenden nicht nur komplett von ihrer Heimat abgeschnitten, sondern auch von dem Zugriff auf ihr angespartes Geld: Das Bezahlsystem Paypal zum Beispiel ermöglicht den Zugriff auf Erspartes, ohne dass der Kontoinhaber wie in der Bankfiliale eine Kreditkarte oder einen Ausweis auf den Tisch legen muss.

Ehrenamtliche sammeln Spenden

Auch auf diesem Wege, beobachtet das Gründungsmitglied der Stuttgarter Hacker-Vereinigung Shackspace, finanzieren sich die Bewohner Smartphones oder Laptops, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Von den 180 Bewohnern haben laut Jaeger schätzungsweise 40 einen Laptop, von den Erwachsenen fast jeder ein Smartphone. Die technische Voraussetzung ist damit gegeben. „Allerdings verfügt das Heim nicht über ein kabelloses Netzwerk, ein WLAN“, so Jaeger.

Ehrenamtliche Helfer wollen das nun ändern. In Kooperation mit dem Projekt Freifunk Stuttgart wollen sie in dem Asylheim in Rohr ein WLAN (Wireless Local Area Network) einrichten. Vor wenigen Tagen hatten Ehrenamtliche in dem Flüchtlingsheim in Stuttgart-Süd als erste angekündigt, die Asylsuchenden mit freiem Internet zu versorgen. Rund 700 Euro brachte der Flüchtlingsfreundeskreis dort zusammen.

Der Anschluss ist für den 23. Juni geplant. Laut dem Verein Freifunk haben noch weitere Flüchtlingsheime Interesse am freien Netz: Gespräche führen die IT-Experten derzeit noch mit zwei Heimen in Bad Cannstatt und drei in Fellbach, zudem mit Unterkünften in Feuerbach sowie Zuffenhausen. Auch im Kreis Ludwigsburg soll ein Heim freies Internet bekommen. „Der Freundeskreis will aber nicht namentlich in der Zeitung genannt werden – wegen befürchteter rassistischer Anfeindungen“, heißt es beim Freifunk.

Debatte um Haftungsrisiken

Zuvor hatte es eine Diskussion darum gegeben, wer die Verantwortung für die Internetanschlüsse übernimmt. Die Stadt Stuttgart will in den Flüchtlingsunterkünften kein freies WLAN zur Verfügung stellen. „Aus haftungsrechtlichen Gründe“, wie es hieß. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass über das WLAN nur hasenreine Inhalte abgerufen werden“, sagte die zuständige Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP). Laut aktueller Rechtsprechung haftet der Betreiber eines drahtlosen Netzwerks dafür, was in ihrem Netz geschieht.

Wenn Nutzer etwa urheberrechtlich geschützte Filme illegal herunterladen, können teure Abmahnungen des Rechteinhabers beim Betreiber landen. Fachleute sprechen von der Störerhaftung des Betreibers. Die speziellen Router der Freifunker lassen den Datenverkehr allerdings auf Umwegen übers Ausland laufen und verschleiern die Spur der Nutzer damit. Inwiefern das rechtlich künftig noch legal sein wird, beschäftigt zur Zeit einige Juristen. Eine Neuregelung des sogenannten Telemediengesetzes könnte eine solche Nutzung laut Experten in Zukunft unterbinden.

Davon lassen sich die Freundeskreise der Heime nicht entmutigen. Wann der Anschluss in der Unterkunft in der Arthurstraße gelegt wird, kann die Vorsitzende des Freundeskreises, Gudrun Nitsch, nicht sagen. „Sicher ist aber, dass das Angebot in vielerlei Hinsicht wertvoll ist“, sagt sie.

„Wir haben auch akademisch ausgebildete Asylbewerber, die sich über das Internet auf Jobsuche machen“, sagt Gudrun Nitsch. Eine ehrenamtliche Deutschlehrerin besucht das Heim regelmäßig, um mit den Bewohnern Deutsch zu lernen, sagt sie. Der Anschluss ans Internet gehöre gewissermaßen zur Grundversorgung, beinahe wie das fließende Wasser aus den Hähnen.