Die Landesregierung hat die Voraussetzungen für den Ausbau der Windkraft geschaffen – auch auf den Höhen des Schwarzwaldes. Doch Bundesregelungen haben ihn gestoppt. Foto: dpa

In einer Bundesländer-Vergleichsstudie zur Energiewende schneidet Baden-Württemberg am besten ab, weil die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Trotzdem gibt es bei der Umsetzung Defizite – die das Land auf Bundesebene angehen muss.

Stuttgart - Baden-Württemberg hat es geschafft. Fünfmal haben die Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) seit 2008 die Anstrengungen der Bundesländer bei der Energiewende akribisch ausgewertet – und immer wieder rangierte das Land auf einem der vorderen Plätze. Zuletzt, im Jahr 2014, reichten die Bemühungen für den zweiten Rang. Nun steht der Südwesten auf Platz eins – vor Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, das vor drei Jahren noch das Spitzenfeld anführte.

Wie schon 2014 kann die Landesregierung nicht auf massenhaft neu errichtete Energieanlagen für Sonne, Wind und Co. verweisen, wie etwa manche Flächenländer in Nord- und Ostdeutschland. Gepunktet hat der Südwesten vielmehr mit den günstigen politischen Rahmenbedingungen, die die Energiewende erst ermöglichen sollen.

Die Initiativen und Programme des Landes sind vorbildlich

Die Autoren der mehr als 200-seitigen Studie heben beispielsweise das in Deutschland bislang immer noch einzigartige Erneuerbare-Wärme-Gesetz hervor, das bereits im Jahr 2008 verabschiedet und 2015 novelliert wurde. Damit soll der Anteil regenerativer Quellen an der Wärmeversorgung erhöht und letztlich der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) gesenkt werden. Hinzu kommen Initiativen wie das Landesklimaschutzgesetz oder das Programm mit dem sperrigen Namen Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK), das konkrete Strategien zur Minderung von Treibhausgasen liefern soll. Gelobt werden auch die Beratungsangebote der Behörden. Die in der grün-roten Legislatur geschaffenen Energie-Kompetenzzentren der Regierungspräsidien sind eine Anlaufstelle für Investoren und Bürgerinitiativen. Auch mit seiner Strategie zur Ansiedlung von Firmen der Erneuerbaren-Branche ist das Land führend.

All das festigt die Vorreiterrolle Baden-Württembergs – und hat nun zum Attribut „vorbildlich“ geführt, verliehen von wissenschaftlicher Seite. Auftraggeber der Studie ist die nach eigenen Angaben überparteiliche Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), Förderer das Bundeswirtschaftsministerium.

Auch Baden-Württemberg verfehlt die Klimaschutzziele

Die großen Anstrengungen für günstige Rahmenbedingungen sind jedoch nur die eine Seite. Tatsächlich verzeichnen die Autoren der Studie auch zahlreiche Defizite des Landes bei der Umsetzung der Energiewende: So habe eine erste Bestandsaufnahme des IEKK im September dieses Jahres ergeben, dass das Land – wie wohl auch der Bund – sein Klimaschutzziel für 2020 voraussichtlich nicht erreichen kann. Der energiebedingte Ausstoß von CO2 hat laut der Untersuchung in den Jahren 2011 bis 2014 zugenommen. Beim Anteil regenerativer Quellen am Energieverbrauch liegt das Land eher im Mittelfeld der 16 Teilnehmer, bei der Stromerzeugung mit 23,3 Prozent im Jahr 2015 ebenso – gemessen am Jahr 2012 fällt der Südwesten sogar auf den vorletzten Platz zurück, weil in dieser Zeit die Menge konventionell erzeugten Stroms zugelegt hat. Düster sieht es bei der Nutzung von Windkraft aus: Hier belegt das Land den letzten Rang.

Auch im Bereich Bildung kann der Südwesten nicht glänzen. In der Statistik zu den Studiengängen zu erneuerbaren Energien in diesem Jahr bezogen auf die Zahl aller Studenten befindet sich das Land nur auf Platz neun; Thüringen und Sachsen sind auf den ersten beiden Plätzen. In Klimaschutzschulen – eine Initiative des Bundesumweltministeriums – können sich Kinder schon früh mit der Vermeidung von Treibhausgasen beschäftigen. Die meisten dieser Schulen im Verhältnis zu allen Schulen befinden sich in den Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen – Baden-Württemberg hat laut Studie die wenigsten.

Umweltminister Untersteller bestätigt Handlungsbedarf

Dem widerspricht indes der Umweltminister des Landes, Franz Untersteller (Grüne). Mit aktuelleren Zahlen würde sein Land im oberen Drittel landen, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Dennoch, betont er, sei Platz eins im Gesamt-Ranking zwar durchaus ein Grund zur Freude, „aber kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen“. Die Landesregierung werde sich dafür einsetzen, dass der zuletzt stagnierende Ausbau der Fotovoltaik wieder an Schwung gewinnt, kündigt Untersteller an und verweist auf das Landesförderprogramm „Solaroffensive“, das in diesem Jahr aufgelegt wurde. Zudem werde man sich stärker für die Sanierung von Gebäuden einsetzen zur effektiveren Wärmenutzung.

Und der stockende beziehungsweise zum Erliegen gekommene Ausbau der Windenergie im Land? Diese Baustelle muss der baden-württembergische Umweltminister in Berlin bearbeiten – bei der künftigen Bundesregierung mit wahrscheinlich grüner Beteiligung: Weil auf Bundesebene die Vergaberegelungen geändert worden sind, erhalten Windparks in Baden-Württemberg nicht mehr den Zuschlag – und das ausgerechnet, nachdem man die gesetzlichen Regelungen für den gewünschten „Durchbruch“ auf Landesebene geschaffen habe, sagt Untersteller – mit Blick auf knapp 400 genehmigte Anlagen in den vergangenen drei Jahren.

Bei den Ausschreibungen sind Regionalquoten nötig

In den Hanglagen von Schwarzwald und Alb ist die Errichtung von Windanlagen aufwendiger und damit teurer als in flachen Gebieten Nord- und Ostdeutschlands, auch sind im Südwesten die Natur- und Artenschutzregelungen strenger. „Ich werde mich für feste Quoten nach Regionen einsetzen“, kündigte Untersteller an. Denkbar sei etwa, dass künftig 40 Prozent der Windenergie im Süden, 40 Prozent im Norden sowie 20 Prozent regional unabhängig ausgeschrieben werden. „Die Höhe dieser Quote ist aber variabel, wichtig ist, dass der Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg weiter voranschreiten kann und nicht durch das neue Ausschreibungsmodell gestoppt wird.“ Überhaupt – auf viele Probleme, die in der Studie zur Sprache kommen, habe das Land gar keinen Einfluss, so der Landesminister. Etwa auf die Klimagase. „Der Emissionshandel wird in Brüssel beschlossen und nicht in Stuttgart. Und die Zukunft der Kohlekraft in Berlin.“

Auch ZSW-Chef Frithjof Staiß betont gegenüber dieser Zeitung, dass viele Aspekte der Energiewende im Land von den Rahmenbedingungen des Bundes abhängen. Überdies stehe auch die Wirtschaft in der Pflicht. In der Studie heißt es im Baden-Württemberg-Kapitel zusammenfassend gar: „Die Erfolge beim wirtschaftlichen und technologischen Wandel sind unterdurchschnittlich.“ Die Studie zeige deutlich, dass die Bedeutung der Erneuerbare-Energien-Branche an der Gesamtwirtschaft viel geringer sei als in anderen Ländern, so Staiß. Dabei könne gerade die starke Maschinenbaubranche mehr Engagement für die Energiewende zeigen. „Nur weil die Bedingungen in manchen Bereichen derzeit im Land schwierig sind“, sagt der Wirtschaftsingenieur, „gilt dies nicht für den internationalen Markt.“