Fruchtbare Insel: Salatfeld auf der Reichenau am Bodensee. Foto: by-studio/Fotolia

Die Bodensee-Region gilt als Obstland. Doch die Gegend zwischen Hegau im Westen und bayrischem Allgäu im Osten ist auch eine der führenden Hightech-Ecken des Landes.

Obst und Gemüse

Wer nach einer langen Arbeitswoche am Freitagnachmittag von Stuttgart aus ins Auto Richtung Bodensee steigt, muss auf Urlaubsambiente und See-Romantik erst einmal verzichten. Kaum im Hegau angelangt, taucht kurz vor Singen eines der größten Gewächshäuser des Landes auf. Auf der Fläche von elf Fußballfeldern werden dort gut drei Millionen Kilogramm Paprika pro Jahr angebaut. Das 15-Millionen-Euro-Projekt mit eigenem Blockheizkraftwerk zur Wärmeversorgung der sensiblen Schoten machte Baden-Württemberg 2012 zum größten Paprika-Produzenten der Republik – und ließ die Konkurrenz aus Holland erschaudern. Die Hegau-Paprika gelten als sehr schmackhaft.

Nebenbei gelang den findigen Bodensee-Bauern ein Marketing-Coup, rückten sie doch eine alte Stärke wieder neu ins Licht: Die Bodenseeregion ist – neben dem Rheintal – das Land der Sonderkulturen im Land. Allein die größte Erzeugergemeinschaft Reichenau-Gemüse baut auf mehr als 150 Hektar Gemüse von der Aubergine bis zur Zucchini an. Zudem kultivieren mehr als 1600 meist kleinbäuerliche Erzeuger auf 7000 Hektar Äpfel. Dazu kommen Süß- und Sauerkirschen, Zwetschgen, Mirabellen und verschiedenste Beerensorten.

Der Weinbau am Bodensee erstreckt sich über zwei Anbaugebiete – Baden und Württemberg. Die Spätburgundertraube stammt übrigens nicht vom Kaiserstuhl, sondern wurde im Jahr 884 in Bodman am Bodensee angebaut, zumindest erzählt man sich das am See. Und was das Thema Bier betrifft: Neben der Hallertau in Bayern liegt rund um Tettnang am Bodensee das bedeutendste deutsche Hopfenanbaugebiet. Die Jahresproduktion von rund 1000 Tonnen geht an Brauereien in der ganzen Welt.

Luft- und Raumfahrttechnik

Eine der Geburtsstätten der deutschen Luftfahrt liegt am Wasser, genauer gesagt in Friedrichshafen. Dort baute ab dem Ende des 19. Jahrhunderts Ferdinand Graf von Zeppelin seine Luftschiffe, deren Nachfolger noch heute an schönen Tagen ihre Runden über dem Wasser drehen. Als die Riesenzigarren aus der Mode kamen und von schnelleren und wendigeren Flugzeugen abgelöst wurden, kamen diese auch wieder vom Südzipfel der Republik.

Der Luftfahrtpionier Claude Dornier entwarf ebenfalls in Friedrichshafen einige der innovativsten Fluggeräte der damaligen Zeit. Zeppelin und Dornier bilden noch heute das Fundament einer Branche, die im Südwesten jedes Jahr fast fünf Milliarden Euro umsetzt und etwa 15 000 Menschen beschäftigt. Für sie stehen auch so klangvolle Namen wie Eugen Sänger, Ernst Messerschmid oder Ulf Meerbold. Letzterer nutzte bei seinen Raumflügen Technologie vom Bodensee. In Immenstaad bei Friedrichshafen ist heute eine der größten deutschen Produktionsstätten für Satelliten beheimatet. Die dortige Airbus-Tochter (ehemals Astrium) ist vor allem für ihre Forschungs- und Wettersatelliten bekannt.

Rüstung

Man redet ungern darüber, aber die Rüstungsbranche ist ein wichtiger Pfeiler für die Wirtschaft der Region, außerdem ein technologisches Aushängeschild. Eng mit der Luft-und Raumfahrtbranche verzahnt, entstehen bei Firmen wie Rheinmetall, Diehl, Airbus Defence & Space (ehemals Cassidian), Rolls Royce Power Systems (ehemals Tognum), MTU, ZF und einer Vielzahl von Mittelständlern Rüstungsgüter, mit denen man ganze Armeen ausrüsten könnte.

Die Produkte reichen von der modernen Kommunikationstechnik über Fahrzeug- und Schiffsantriebe bis hin zu Munition und Panzerketten. Allerdings ist die Branche im Umbruch. Der Rüstungsableger des Airbus-Konzerns wird umorganisiert, viele Stellen stehen zur Disposition. Dennoch: Mit geschätzt mehr als 7000 Jobs ist der Bodensee das Kraftzentrum der Branche im Land.

Maschinenbau, Gesundheit, Tourismus

Maschinenbau

Wenn man die Zahl der Arbeitsplätze betrachtet, sind Maschinenbau und Automobil-Zulieferer die bedeutendsten Industriebranchen am Bodensee. Für rund 8700 Jobs sorgt allein der mittelständisch geprägte Maschinenbau. Der Automobilzulieferer und Getriebespezialist ZF beschäftigt an seinem Friedrichshafener Stammsitz noch deutlich mehr Menschen und wird – gehen die Pläne des Managements auf – durch die Fusion mit dem Konkurrenten TRW zu einem der größten Spieler der Branche weltweit avancieren.

Gesundheit

„Wenn man krank ist, ist es umso besser, in einer schönen Umgebung gesund zu werden“, sagt Benedikt Otte, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bodenseekreis. Stimmt. Folgerichtig erlebt der Gesundheitssektor einen Boom. Schon vor Jahrzehnten schickten Weltkonzerne ihre Mitarbeiter zur Kur auf die Mettnau. Heute sind es vor allem reiche Araber, die die Vorzüge des weichen Bodenseeklimas zu schätzen wissen und sich in die diversen Reha-Kliniken einmieten. Zudem haben viele Seegemeinden in Sachen Wellnessbereich kräftig ausgebaut und bieten Gästen Entspannungsbäder nebst Sauna-Landschaft und Dampfbad.

Tourismus und Verkehr

Der Torismus – ein Segen oder ein Fluch? Es gibt so manchen echten Bodenseeler, der bei dieser Frage zögern wird. Gut sieben Millionen Übernachtungen pro Jahr zählen allein die Hotels auf der deutschen Seeseite pro Jahr. Den Gästen, die die Blumeninsel Mainau ebenso lieben wie die Barock-Kirche Birnau oder die Weite des Obersees, verdankt die Region einen Gutteil ihres Wohlstands. Aber eben auch einen Großteil der Verkehrsprobleme.

Im Sommer meiden Einheimische besonders die Bundesstraße 31, auf der nachmittags wegen Überlastung oft kein Durchkommen mehr ist. Der in letzter Zeit stark zunehmende Einkaufstourismus aus der Schweiz hat Grenzstädte wie Konstanz am Wochenende zu Stätten des Stillstands werden lassen. Dort diskutiert der Gemeinderat, mit einem Seilbahnsystem gegen den Parkplatzmangel vorzugehen .