Aufeinandertreffen: Wie weit wird die Zusammenarbeit von Maschine und Mensch in Zukunft noch gehen? In Japan sind Roboter nicht nur in der Industrie, sondern auch im Pflegebereich im Einsatz. Foto: dpa

Sie weisen den Weg, checken Kunden ein oder tragen das Gepäck: Japaner lassen sich gerne von künstlichen Helfern die Arbeit abnehmen – auch weil sie mittlerweile darauf angewiesen sind.

Tokio - In Japan hat die Zukunft schon begonnen. Wer in Tokio im Nobeleinkaufsviertel Ginza im Henn na Hotel übernachten will, wird an der Rezeption von Robotern empfangen – und kann sich aussuchen, ob er auf Englisch, Chinesisch, Koreanisch oder Japanisch begrüßt werden will. Weil künstliche Helfer das Einchecken und Kofferschleppen übernehmen, das Hotel putzen, ein Hightech-Schrank Anzug und Kleid selbstständig reinigt und Gäste mit dem Smartphone Licht, Klimaanlage und Fernseher im Zimmer steuern können, sind die Preise relativ günstig. Ein Zimmer gibt es schon ab 7000 Yen (rund 50 Euro). In dem Haus mit 98 Zimmern arbeiten größtenteils Roboter. Es wurde erst im Februar eröffnet und ist inzwischen das fünfte der japanischen Hotelkette.

Doch nicht nur das Gastgewerbe setzt auf künstliche Intelligenz, auch die Pflegebranche. Dort helfen Roboter Menschen im Alltag, tragen sie ins Bett, drehen sie um oder leisten ihnen Gesellschaft. Sogenannte Exoskelette, Bewegungsapparate, die wie ein Korsett um den Körper geschnallt werden, unterstützen die Bewegung von Beinen und Armen. „Japaner haben keine Berührungsängste mit Robotern“, sagt Japan-Expertin Beate Ando von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes, Baden-Württemberg International. Sie begleitet Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), die derzeit mit einer 60-köpfigen Delegation aus Vertretern von Wirtschaft und Politik in Tokio, Nagoya und Yokohama unterwegs ist. Die hohe Akzeptanz der Japaner für Roboter, sagt Beate Ando, „hängt auch damit zusammen, dass sie menschliche Züge haben und oft niedlich aussehen. Das kommt gut an“.

Bei Industrie-Robotern liegt Japan vorne

Bei der Herstellung von intelligenten Maschinen für die Industrie ist Japan weltweit die Nummer eins und hat 2016 knapp 115 000 Industrie-Roboter für 2,2 Milliarden Euro exportiert. Damit decken japanische Firmen derzeit 52 Prozent der weltweiten Nachfrage ab. Zu diesem Ergebnis kommt der Weltroboterverband IFR (International Federation of Robotics). „Japan ist ein hochautomatisiertes Land, in dem sogar Roboter von Robotern gebaut werden“, sagt Verbandspräsident Junji Tsuda. Bis 2020, so die Prognose, soll sich der weltweite Bestand an Industrie-Robotern von rund 1,83 Millionen (Stand 2016) auf 3,1 Millionen erhöhen.

Doch wie erklärt sich die zunehmende Nachfrage nach Robotern, die das Alltagsleben erleichtern? Dies ist auch auf gesellschaftliche Probleme zurückzuführen: Japan überaltert und schrumpft wie keine andere Industrienation. In den vergangenen zehn Jahren ist die Bevölkerung um eine Million zurückgegangen und liegt inzwischen bei 126,7 Millionen Einwohnern. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung ist 65 Jahre und älter. Japanische Rentner zählen im weltweiten Vergleich zu den ältesten, bilanziert die Deutsche Industrie-und Handelskammer in Japan. Gleichzeitig stagniert die Geburtenrate. Im Schnitt bekommt eine Japanerin 1,4 Kinder. „In Japan sterben mittlerweile mehr Menschen, als geboren werden“, heißt es bei der Handelskammer. Hinzu kommt, dass in dem Hightech-Land nur sehr wenige Ausländer arbeiten, die Quote liegt gerade einmal bei zwei Prozent. Als Folge wird ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften erwartet – nicht nur im Pflegebereich. Auch deshalb setzt die Industrienation verstärkt auf Roboter.

Japan ist für Baden-Württemberg der zweitwichtigste Handelspartner in Asien

All dies lohnt den Blick auf Japan, denn Deutschland muss sich mit ganz ähnlichen Problemen auseinandersetzen. „Für Japan wie auch für Baden-Württemberg sind vor allem der Maschinenbau und die Automobilindustrie die Säulen der Wirtschaft“, sagt Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut. Und gerade diese Branchen stehen vor großen Herausforderungen: Die Digitalisierung verändert Produktionsprozesse, wirkt sich auf Arbeitsplätze und Berufe aus. Die zunehmende Bedeutung von alternativen Antrieben im Automobilbereich beschleunigt den Wettbewerb auf dem Technologiemarkt. So entwickelt sich etwa Panasonic immer mehr vom Elektronikkonzern zum Automobilzulieferer. „Toyota hat als erster Autohersteller Hybridfahrzeuge in Serienfertigung auf den Markt gebracht und weltweit davon inzwischen zehn Millionen verkauft, Nissan/Renault ist Marktführer bei Elektroautos und Panasonic baut mit dem US-amerikanischen Autohersteller Tesla eine Riesenfabrik für Batteriezellen“, erklärt Japan-Expertin Beate Ando. „Da ist man uns in Japan voraus, deshalb schauen wir genau auf das Land.“ Auch mit Blick darauf, „welche Strategien die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt entwickelt und wie der Transformationsprozess gestaltet wird“, sagt Hoffmeister-Kraut, die sich von der Reise auch Impulse für neue Geschäftsbeziehungen erhofft. „In Japan wird der persönliche Kontakt sehr geschätzt, und da kann ich Türöffner für die Wirtschaft sein.“

Im Südwesten haben sich 200 japanische Firmen niedergelassen

Japan ist für den Südwesten nach China der zweitwichtigste Handelspartner in Asien. 2016 hat Baden-Württemberg Waren im Wert von knapp 4,1 Milliarden Euro nach Japan exportiert und damit einen Handelsüberschuss erzielt – die Einfuhren aus Japan lagen mit 3,2 Milliarden Euro deutlich darunter. Gefragt sind in Japan vor allem Fahrzeuge, Kfz-Teile und pharmazeutische Produkte. Im Südwesten haben sich – nach Bayern und Nordrhein-Westfalen – die meisten japanischen Unternehmen in Deutschland niedergelassen, knapp 200 sind es derzeit. „Viele davon stammen aus dem Automobilbereich und der Medizintechnik“, sagt Beate Ando. „In den letzten Jahren kamen auch andere Branchen dazu, wie Unternehmen, die intelligente Textilien entwickeln, beispielsweise für Funktionswäsche im Sport.“

Etwa 80 bis 90 Unternehmen aus dem Südwesten betreiben nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart Niederlassungen in Japan. „Die Wirtschaft in Baden-Württemberg profitiert nicht nur vom japanischen Markt“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl, der die Wirtschaftsministerin ebenfalls begleitet. „Das Geschäft mit japanischen Partnern außerhalb des Landes übertrifft inzwischen das mit Japan selbst.“

Der Name der japanischen Hotelkette Henn na heißt auf Deutsch übersetzt so viel wie verrückt. Bizarr könnte es auch in zwei Jahren werden, wenn in Tokio die Olympischen Sommerspiele eröffnet werden und es am Flughafen nur so von Robotern wimmeln wird, die Besucher begrüßen, Gepäck tragen oder den Weg weisen. Warum das alles? Yutaka Kuratomi von der Betreiberfirma Japan Airport Terminal sagte bei der Präsentation der ersten Modelle im Dezember: „Wir wollen, dass ausländische Touristen bei ihrem Besuch denken, dass Japaner cool sind.“