Hannelore Kraft zeigt sich gerne wirtschafts- und arbeitnehmernah – hier bei einem früheren Besuch eines Bergwerks in Bottrop. Das Bundesland NRW hat nicht nur mit dem Niedergang des Bergbaus zu kämpfen. Foto: Staatskanzlei NRW

Die um ihre Wiederwahl bangende rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen muss sich ständig Vorwürfe wegen der Wirtschaftsleistung machen lassen. Das vom Strukturwandel gebeutelte NRW steht vielfach nicht gut da. Doch die düstere Lage hellt sich auf, wie ein Faktencheck zeigt.

Stuttgart - Nordrhein-Westfalen hat als Wirtschaftsstandort einen miesen Ruf. Daran ist die Politik mit schuld: Kritiker der Landesregierung reden sogar vom „deutschen Griechenland“. Die rot-grüne Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat aber auch Erfolge vorzuweisen. Dazu ein Faktencheck.

Wirtschaftswachstum Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa 670 Milliarden Euro ist Nordrhein-Westfalen absolut gesehen das Wirtschaftsland Nummer eins. 2016 ist die volkswirtschaftliche Leistung um 1,8 Prozent gewachsen, womit das Land Rang sechs belegt. Bundesweit gesehen war die Dynamik etwas größer: Das BIP legte um 1,9 Prozent zu. 2015 hatte das Wachstum noch 0,8 Prozent betragen, was Platz 15 im Länderranking bedeutete.

Arbeitslosigkeit Die Arbeitslosenquote betrug im April 7,5 Prozent (minus 0,4 Prozent gegenüber März), das waren 711 875 Menschen ohne Beschäftigung – der niedrigste Stand seit 23 Jahren. Doch sind dies noch 27,7 Prozent aller Arbeitslosen bundesweit und 38 Prozent aller Arbeitslosen im Westen. NRW belegt damit Platz fünf nach Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Der Bundesdurchschnitt beträgt 5,8 Prozent. In den Kommunen reicht die Spannbreite von Rekordarbeitslosigkeit bis Vollbeschäftigung: von 13,7 Prozent in Gelsenkirchen, 12,8 Prozent in Duisburg und 11,7 Prozent in Essen bis zu 2,9 Prozent im Bezirk Coesfeld.

Beschäftigung Die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten ist kontinuierlich auf aktuell 6,67 Millionen gestiegen – so viele wie nie zuvor. 720 000 sozialversicherungspflichtige Jobs wurden seit Amtsantritt geschaffen, in den letzten zwei Jahren 250 000. Die Agenturen für Arbeit melden für NRW zwölf Prozent mehr offene Stellen am ersten Arbeitsmarkt als vor einem Jahr – das Gros in der Zeitarbeit. Ohnehin ist jedes fünfte Arbeitsverhältnis lediglich im Niedriglohnbereich angesiedelt. Umgekehrt sind vier Fünftel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Mittelstand tätig – die oft familiengeführten Unternehmen bilden das Rückgrat.

Einnahmen 2016 hat Nordrhein-Westfalen erstmals seit 1973 einen Haushaltsüberschuss erzielt und kann ohne neue Kredite auskommen – statt der geplanten Neuverschuldung von 1,8 Milliarden Euro erzielte das Land ein Plus. Ein Grund: Der Bund hatte sich mit mehr als den geplanten 20 Prozent an den Flüchtlingsausgaben beteiligt. Ziel der Landesregierung ist es, bis 2020 die Neuverschuldung auf null zu führen, um die Schuldenbremse einzuhalten.

Der Ankauf der Steuer-CD’s bringt Milliarden ein

NRW profitiert vom Anstieg der Steuereinnahmen. Veranschlagt waren 52,7 Milliarden Euro – tatsächlich flossen fast 54 Milliarden in den Landestopf. Auch der Ankauf von Steuer-CDs zahlt sich aus: Allein mit Daten der Steuersünder wurden seit 2010 Mehreinnahmen von 2,4 Milliarden Euro erzielt. Darüber hinaus spart die Regierung: Unterm Strich wurden im Vorjahr 1,5 Milliarden Euro weniger ausgegeben als geplant. Für 2017 sind wieder Rekordausgaben von 73 Milliarden Euro vorgesehen, wofür die Regierung 1,6 Milliarden Euro an neuen Krediten aufnehmen will.

Schulden Der Schuldenberg ist laut Statistischem Bundesamt mit fast 180 Milliarden Euro (Stand Ende 2016) der weitaus höchste aller Länder. Bezogen auf die Einwohnerzahl sind Bremen, Saarland, Berlin und Hamburg stärker in den roten Zahlen als NRW – wo die Verschuldung zudem um fast drei Prozent in einem Jahr gesunken ist.

Laut der Beratungsgesellschaft Ernst & Young stieg der Schuldenstand der Großstädte 2015 auf 41,3 Milliarden Euro. Mit Köln (Anführer mit 5,3 Milliarden Euro), Essen, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Wuppertal gehören sieben Großstädte zu den zehn meistverschuldeten der Republik. Den Rekordstand je Einwohner erreicht Oberhausen mit 9792 Euro. Es folgen Mülheim (Rang 3), Hagen (5), Remscheid (7), Duisburg (8). Die Zahl der Kommunen mit Nothaushalt ist seit dem Start von Rot-Grün jedoch von 138 auf acht gesunken ist – bei 396 Kommunen insgesamt.

Investitionen 200 Milliarden Euro hat die Regierung seit 2010 in Kinder, Bildung und Familien investiert – jeden dritten Euro des Landeshaushaltes. Auch gebe kein Land mehr für den sozialen Wohnungsbau aus, heißt es. Nun stellt der Bund bis 2030 zur Sanierung von Autobahnen und Brücken 14 Milliarden Euro sowie acht Milliarden für Schienen und Bahnhöfe bereit. Seit 2014 wurden 137 Millionen Euro mehr abgerufen als vorgesehen, weil andere Länder Gelder nicht beansprucht haben.