Freundlicher Handschlag in schwierigen Zeiten: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (links) und der türkische Finanzminister Berat Albayrak kommen in Ankara zu Gesprächen zusammen. Foto: AP

Die Türkei ist angeschlagen. Ein wirtschaftliches Engagement Deutschlands kann sich deshalb auch politisch auszahlen – ein Selbstläufer ist das aber nicht, meint Christopher Ziedler.

Ankara - Auf dem Wiederannäherungskurs, auf dem sich Deutschland und die Türkei nach einer längeren politischen Eiszeit befinden, spielt die Wirtschaft eine zentrale Rolle. Das Land am Bosporus ist zwar nicht pleite, aber doch gezeichnet von einem harten ökonomischen Rückschlag. Zunehmende Zweifel an der Rechtssicherheit für Unternehmen und politisch gelenkte Notenbankentscheidungen im System von Staatschef Recep Tayyip Erdogan haben die Währung verfallen lassen, Importe massiv verteuert und die Kapitalflucht angeheizt. Erdogan ist zum Investorenschreck geworden.

Türkei empfänglich für Kooperationsangebote

All das hat Ankara empfänglich gemacht für Kooperationsangebote und die Einsicht erzeugt, dass zum Beispiel weitere Nazi-Vergleiche in Richtung Deutschland oder gar willkürlich anmutende Terrorverfahren gegen deutsche Staatsbürger nicht im türkischen Interesse liegen. Der Besuch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Ankara ist Ausdruck dieses wirtschaftspolitischen Neustarts, bei dem jahrelang brach liegende Zusammenarbeitsformate im Wirtschafts- und Energiebereich neu belebt werden. Schlecht lief der unternehmerische Austausch auch bisher schon nicht – 7500 deutsche Unternehmen sind in der Türkei engagiert, das Land rangiert auf Platz 17 der größten Handelspartner Deutschlands. Nun kommt die politische Unterstützung wieder hinzu.

Intensivierung der Handelsbeziehungen ist wünschenswert

Eine Intensivierung der Handelsbeziehungen ist wünschenswert und vertretbar – solange sie auch als Hebel funktioniert, um politisch etwas im Bereich der Menschenrechte und der Pressefreiheit zu erreichen, die am Bosporus zuletzt zu leeren Worthülsen verkommen sind. Erlaubt ist, was den Menschen in der Türkei nutzt, von direkten Finanzhilfen für Erdogans Staatsapparat oder Rüstungsexporten sollte die Bundesregierung dagegen dringend absehen. Für den Augenblick ist es Entgegenkommen genug, wenn die längere Zeit blockierten Hermes-Bürgschaften wieder aktiviert worden sind, um deutsche Investitionen in der Türkei abzusichern. Mehr - zum Beispiel attraktivere Konditionen in der Zollunion mit der EU oder Visumsfreiheit für türkische Geschäftsleute – sollte immer dann möglich sein, wenn die Türkei wieder mehr statt weniger Demokratie praktiziert.

Aber auch nur dann. Für Wandel durch Handel gibt es keine Garantie. Die wirtschaftspolitische Charmeoffensive muss wieder hinterfragt werden, wenn sich in anderen Bereichen doch nichts tut.