Ein historische Produktbuch von WMF. Foto: Wirtschaftsarchiv Hohenheim

Das Wirtschaftsarchiv der Uni Hohenheim erzählt Geschichten. So wie die des 1880 gegründeten Metallwarenherstellers WMF aus Geislingen.

Hohenheim - Für eine kurze Zeit überschnitten sich bei der WMF auf seltsame Weise die Firmensparten. Die Geislinger Metallverarbeiter stellten nicht nur wie eh und je hochwertiges Besteck her. Da das Metall schon mal kochte, gossen sie auch gleich noch meterhohe Metalldenkmäler für Friedhöfe. Industriekaffeemaschinen ergänzten das Sortiment. Zudem konnten die Kunden auch kunstvoll gestaltete Saftkrüge aus Glas und Butterdosen aus Porzellan erstehen.

In den 50er-Jahren war das. Die nur wenige Jahre zuvor recht billig in Massen hergestellten Hitlerbüsten waren längst aus den Verkaufsprospekten genommen. Wer wissen will, was es damals sonst noch zu kaufen gab, kann einen Blick in die Kataloge werfen, die sich im Hohenheimer Wirtschaftsarchiv aneinander reihen. In einem Keller in der Nähe des Schlosses lagern die Schätze der Baden-Württembergischen Wirtschaftsgeschichte.

Die Hohenheimer Wissenschaftler sichten die alten Unterlagen von bedeutenden Unternehmen und archivieren sie. Teils bringen sie so nur Ordnung in das Chaos, das sich in die von Staub bedeckten Aktenberge geschlichen hat. Teils retten sie Bilanzen, Verträge, Chroniken und Fotos auch vor dem Schredder, wenn eine Firma bankrott gegangen ist.

Aus zwei Firmen wird 1880 WMF

Gegründet wurde WMF im Jahr 1880. „Das Unternehmen entstand aus zwei Firmen“, sagt Gert Kollmer von Oheimb-Loup. Er ist der Direktor des Hohenheimer Archivs. WMF ist die Abkürzung für Württembergische Metallwarenfabrik. Betriebe, die sich auf die Verarbeitung von Metall spezialisiert hatten, gab es Ende des 19. Jahrhunderts viele. Manche davon waren fortschrittlich, andere eher nicht.

Die Esslinger Fabrik Ritter & Co war so eine fortschrittliche Firma. Die Ingenieure beherrschten die Galvanotechnik, mit der sie ihre Metallwaren versilbern konnten. Dem jungen Unternehmen fehlte aber das Geld. Das hatten Straub & Schweizer aus Geislingen. Die Companie war auf dem Markt zwar etabliert, aber rückständig. Beim Versilbern wurde dort noch Silberpapier unter großer Hitze auf Kupferplatten gepresst, das hernach gedengelt und gebogen wurde.

Zusammen gelang den beiden Firmen der Durchbruch. „Um 1890 war das der größte Betrieb in Baden-Württemberg“, sagt Kollmer von Oheimb-Loup. Um die Jahrhundertwende beschäftigte WMF 3000 Mitarbeiter, 1912 waren es 4500.

In diesem Jahr bauten die Eigner auch eine Fischhalle. „Man wollte die Mitarbeiter besser ernähren“, sagt der Hohenheimer Professor. Mit dem Zug wurde aus Hamburg eisgekühlter Fisch nach Geislingen gekarrt und zum Einkaufspreis verkauft. „Dazu hat man auch Kochkurse veranstaltet“, sagt er. „Das ist ein Beispiel für die Sozialleistungen.“ Zudem gab es eine Betriebskrankenkasse, eine Betriebssparkasse und einen Wohlfahrtsverein.

Produktbuch aus dem Jahr 1894

Kollmer von Oheimb-Loup steht vor einem Regal. „Das ist jetzt wahllos herausgegriffen“, sagt der Direktor des Archivs. Er zieht einen rund 300 Seiten dicken Katalog heraus. Auf der Kladde steht Oberes Glasmagazin, Produktbuch 1894. Er legt es auf einen Tisch und beginnt zu blättern.

Bilder von Trinkhörnern, mit farbigen Blumen verziert, mal spitzer, mal gekrümmter, erstrecken sich über mehrere Seiten. Noch mehr Platz nehmen die Bowlengefäße ein. Manche sind recht klein und schlicht, andere sehr bauchig, wieder andere sind mit Ornamenten versehen. Auch einige Likörgestelle sind auf das speckige Papier gedruckt.

Ölige Finger haben die Ränder der Seiten verschmiert. Einige Zeichnungen wurden mit einem roten Wachsstift durchgestrichen. Der Katalog stand in der Produktionshalle, die Handwerker fertigten die Stücke nach diesem Muster.

„Das ist jetzt aber nur ein Teil der Produktion“, sagt Kollmer von Oheimb-Loup. Die Geislinger gossen Engelfiguren aus Bronze und kleine Dackel aus Zinn. Es gab Kronleuchter, Schalen, Sardinendosen. „Die Palette ist immens, das kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt er.

Klar ist, mit Massenherstellung hat dies nichts zu tun, die Stücke wurden einzeln angefertigt. „Die Modelle wurden von Künstlern entworfen, die teilweise berühmt waren“, sagt der Hohenheimer Professor. „Heute macht das WMF nicht mehr so.“