BDI-Präsident Dieter Kempf wünscht sich von der Regierung mehr Sachpolitik. Foto: dpa

BDI-Präsident Dieter Kempf ermuntert die Kanzlerin zur Kabinettsumbildung. Die Wirtschaft ist unzufrieden, weil sich die Regierung zu stark mit sich selbst beschäftigt.

Berlin - Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) erwartet wegen der zunehmenden Handelskonflikte ein geringeres Wachstum in diesem Jahr. Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump und der Brexit hätten im Exportgeschäft bereits Spuren hinterlassen, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf auf dem Verbandstag in Berlin. Der BDI nahm seine Konjunkturprognose für dieses Jahr von 2,25 Prozent auf zwei Prozent zurück. Grund dafür seien die gedämpften Exporterwartungen.

Besorgniserregend sei der Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China. Trump hatte in der vergangenen Woche neue Strafzölle gegen China verhängt, Peking antwortete mit Gegenmaßnahmen. „Viele unserer Unternehmen haben in China und in den USA investiert. Sie leiden damit direkt unter neuen gegenseitigen Zöllen“, sagte Kempf.

Industrie spricht von Stolperstart der Regierung

Die Industrie rief angesichts der dunkleren Wolken die Bundesregierung auf, sich stärker der Sachpolitik zuzuwenden. Kempf bezeichnete die ersten Monate der großen Koalition als Stolperstart. In ungewöhnlicher Deutlichkeit ging er auf das Erscheinungsbild der Regierung ein. Wie in einem Vorstand müsse auch für das Kabinett die Regel gelten, dass auch bei schwierigen Entscheidungen nach außen immer eine einheitliche Linie vertreten werden müsse. Andernfalls helfe nur Durchgriff oder personelle Veränderung. Damit fordert der BDI-Präsident eine Kabinettsumbildung, falls die Streitigkeiten in der Regierung nicht aufhören.

Kempf ließ zwar offen, wer aus seiner Sicht der Störenfried ist. Angesprochen fühlt sich die CSU. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies den Vorwurf der Selbstbeschäftigung gegen die Bundesregierung umgehend zurück. In einer Zeit, da Deutschland seit Jahren ein gutes Wachstum aufweise, habe er für solche Vorwürfe kein Verständnis, sagte Dobrindt.

Kanzlerin Angela Merkel zeigte dagegen mehr Verständnis für die Ungeduld der Industrie. „Ich kann sie gut verstehen“, sagte Merkel vor 1000 Zuhörern. Die Regierungschefin sagte, sie nehme die Bitte der Unternehmen nach weniger Selbstbeschäftigung der Politik auf. Merkel sagte Besserung zu.

Mit Blick auf den Handelsstreit zwischen den USA und China sprach Merkel von einer „gewaltigen Dimension“. Die Gefahr sei groß, dass die Folgen auch deutsche Unternehmen träfen. Der Chef der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevedo, warnte vor den Industrievertretern vor den Bedrohungen durch die Handelskriege. Es sei ein Dominoeffekt zu befürchten, der auf die gesamte Weltwirtschaft zurückschlägt. Nach Meinung des WTO-Chefs hätten die Handelsbarrieren negative Folgen für das weltweite Wirtschaftswachstum. Bis die Folgen sichtbar würden, vergehe aber einige Zeit. Die Gefahr liege darin, dass mit Prinzipien des Welthandels gebrochen werde, die seit 70 Jahren gültig seien.

Merkel zeigt Verständnis für Wunsch in der Steuerpolitik

Die Kanzlerin sagte zu, die Anliegen der Wirtschaft in der Steuerpolitik zu prüfen. Zuvor hatte der BDI-Präsident kritisiert, dass die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für die meisten Unternehmer nicht gelten soll. Nach den Plänen der Koalition sollen zwar 90 Prozent der Steuerzahler entlastet werden, nicht aber höhere Einkommen. Der BDI fordert in dieser Legislaturperiode den Einstieg in den Ausstieg des Soli. Merkel sagte, in den Koalitionsverhandlungen habe sich die Union für eine vollständige Abschaffung des Soli eingesetzt. Das sei aber mit der SPD nicht zu machen gewesen. „Die Entscheidung fällt mir extrem schwer, ich halte sie auch nicht für gerecht“, so Merkel. Sie werde weiter versuchen, dass der Soli komplett wegfällt.

Auch beim Thema Unternehmenssteuern sieht Merkel ein Ungleichgewicht. Die USA hätten mit ihrer Unternehmenssteuerreform attraktive Bedingungen für Betriebe geschaffen. Das müsse die deutsche Politik im Auge behalten. „Wir können uns nicht einfach von der Welt abkoppeln“, sagte Merkel. Vorrang habe, zusammen mit Frankreich eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer zu erarbeiten.

In der Klimapolitik verteidigte Merkel die Interessen der Industrie. Sie sprach sich für den Vorschlag der EU-Kommission aus, die bis 2030 beim CO2-Ziel Einsparungen von 30 Prozent vorschlägt. Die Bundesumweltministerin fordert mehr. „Alles, was darüber hinausgeht, birgt die Gefahr, dass wir die Automobilindustrie aus Europa vertreiben“, sagte Merkel.