Essensausgabe für Bedürftige in Athen Foto: ANA-MPA

Der griechische Bürger wird zur Kasse gebeten bei Benzin, Alkoholika, Tabak, Handy-Gesprächen und vielem anderen. Das versprochene Wirtschaftswachstum bleibt jedoch in diesem Jahr noch aus.

Athen - Der Sparkurs wird beendet, die Renten steigen, die Wirtschaft blüht auf – so versprach es Alexis Tsipras den Griechen vor seiner Wahl zum Regierungschef. 15 Monate später sieht die Wirklichkeit ganz anders aus: Die Konjunktur bleibt schwach, die Arbeitslosenzahlen wachsen, die Renten werden erneut gekürzt, die Steuern steigen. Am 1. Mai feiern die Griechen Ostern. Aber es wird kein frohes Fest für die 450 Beschäftigten der Elektro-Einzelhandelskette Elektroniki Athinon. Das vor 66 Jahren gegründete Traditionsunternehmen meldete diese Woche Konkurs an. Die Geschäftsleitung macht die Politik für die Pleite verantwortlich: Die im vergangenen Sommer von der Regierung angeordneten Kapitalverkehrskontrollen hätten die Firma in die Knie gezwungen.

Kurzes Intermezzo wird verlängert

Bei der Einführung der Kontrollen im Juli 2015 sprach Tsipras von einem „kurzen Intermezzo“. Inzwischen wagt niemand mehr eine Prognose, wann die Beschränkungen aufgehoben werden. Denn die stockenden Verhandlungen der griechischen Regierung mit den Vertretern der Geldgeber über das Spar- und Reformprogramm verunsichern die Finanzmärkte und belasten die Wirtschaft. Die Prognose der Regierung, Griechenland werde in diesem Jahr zum Wachstum zurückkehren, dürfte sich nicht erfüllen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für 2016 einen weiteren Rückgang des griechischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,6 Prozent. Das führende griechische Wirtschaftsforschungsinstitut IOBE rechnet sogar mit einem Minus von einem Prozentpunkt. Es wäre das achte Rezessionsjahr in Folge.

Zwar hatte Griechenlands BIP im zweiten Halbjahr 2014 wieder leicht zugelegt, das Land schien auf dem Weg der Besserung. Aber der Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza im Januar 2015 würgte den Aufschwung wieder ab. Im vergangenen Jahr schrumpfte die Wirtschaft um 0,3 Prozent. Die griechische Wirtschaftsleistung fiel damit auf den Stand von 2003 zurück. Kein anderes europäisches Land hat seit Kriegsende eine so lange und so tiefe Rezession durchgemacht.

Keine Erholung in Sicht

Der Absturz hatte vor allem für den Arbeitsmarkt katastrophale Folgen. Die Arbeitslosenquote stieg von 7,8 Prozent im Vor-Krisenjahr 2008 auf 27,9 Prozent im September 2013. Seitdem ging die Quote zwar leicht zurück, aber seit Januar steigt sie wieder. Das Forschungsinstitut IOBE erwartet für dieses Jahr einen Anstieg auf 25,2 Prozent, nach 24,4 Prozent Ende 2015. Dass sich die griechische Konjunktur schnell erholt, ist nicht zu erwarten. Denn Tsipras wiederholt jetzt die Fehler seiner Vorgänger. Die Strukturreformen, die Griechenlands Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen und dem Land Wachstumsimpulse geben könnten, werden vernachlässigt, weil Tsipras Konflikte mit Gewerkschaften und Berufsverbänden scheut.

Viele Abgaben werden erhöht

Auch die Privatisierungsziele wurden jetzt ein weiteres Mal reduziert. Hintergrund sind wachsende Widerstände innerhalb der Regierung gegen die Privatisierungspolitik. Auch die Kürzungen bei den Rüstungsausgaben will Tsipras nicht im versprochenen Umfang umsetzen. Einsparungen im Staatsapparat sind ebenfalls weitgehend tabu – schließlich sind die Staatsbediensteten Tsipras‘ treueste Klientel. Um die Haushaltsvorgaben zu erreichen, setzt der Premier, wie schon seine Vorgänger, vor allem auf Steuererhöhungen. Rund 3,6 Milliarden Euro soll der Fiskus zusätzlich kassieren. Theodoros Fessas, Präsident des griechischen Industrieverbandes SEV, fürchtet, dass die neuen Steuern und höheren Sozialversicherungsbeiträge die Wirtschaft noch tiefer in die Rezession treiben werden. Auf die Griechen kommt jetzt ein wahrer Abgaben-Tsunami zu: Die Mehrwertsteuer soll erhöht werden, Handy-Gespräche und Bezahl-TV werden ebenso höher besteuert wie Benzin, Alkoholika und Tabak. Bei Banktransaktionen will der Fiskus mitverdienen, die Grundbesitzsteuer, die Tsipras eigentlich abschaffen wollte, wird erhöht, sogar die Touristen werden geschröpft: Urlauber sollen eine „Übernachtungssteuer“ von bis zu fünf Euro pro Nacht bezahlen.