Es ist das weithin erkennbare Wahrzeichen im Gewerbegebiet Laiern am Bietigheim-Bissinger Ortseingang: das Porsche-Hochhaus. Foto: factum

Der Landkreis Ludwigsburg ist typisch für die ganze Region: Viele Arbeitsplätze, fast alles hängt am Automobil. Viele Firmen wollen expandieren, doch es gibt keinen Platz – es droht Abwanderung.

Ludwisburg - Der Kreis Ludwigsburg vermeldet einen Rekord nach dem anderen Mit zuletzt 2,7 Prozent Arbeitslosigkeit herrscht praktisch Vollbeschäftigung. In einer IHK-Standortstudie geben die Unternehmen an, so offensiv wie in keinem anderem Landkreis investieren und erweitern zu wollen.

„Eine hervorragende Lage“, diagnostiziert auch Walter Rogg, der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart. Beim sogenannten Innovationsindex liegt Ludwigsburg landesweit auf Platz fünf – in der Spitzengruppe. Und doch geht der bange Blick in die Zukunft. Denn wie sonst nur noch im Kreis Böblingen hängt das Wohl und Wehe der wirtschaftlichen Entwicklung am Automobil.

Porsche und Bosch ziehen viele Firmen an

Die Firma Porsche ist stark präsent, viele Zulieferer gibt es im Landkreis. „Das könnte ein Problem werden, wenn Verbrennungsmotor und klassischer Antriebsstrang ersetzt werden“, meint Walter Rogg bei aller Zuversicht. In diesem Spagat befindet sich die Wirtschaftslage im Kreis. Zurzeit brummt es, überall wird erweitert. Die Kassen sind voll, die Unternehmen investieren. Nahezu alle Standorte sind ausgebucht.

Das gilt natürlich für die großen Städte Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen. In der Barockstadt Ludwigsburg haben sich Porsche und Bosch zuletzt stark erweitert und neue Standorte aufgemacht, sie gesellen sich zu den klassischen örtlichen Big Playern wie Hahn und Kolb oder Lapp Kabel. Im Werkzentrum Weststadt ist ein kleines Silicon Valley entstanden, wo sich neben der Porsche Digital GmbH viele kleine Unternehmen angesiedelt haben.

Auch Bietigheim-Bissingen hängt an Porsche

In Bietigheim-Bissingen setzt man derweil stark auf interkommunale Gewerbegebiete. Zum Beispiel mit dem Standort Laiern, der zusammen mit der Gemeinde Tamm entwickelt wird. Hier dominiert das Porsche-Hochhaus, dazu kommen passende Firmen wie APS, die 2017 ein Entwicklungszentrum für Abgasmessung angesiedelt haben. Bietigheim-Bissingen kooperiert auch mit Ingersheim beim Gebiet Bietigheimer Weg, wo das Olymp-Outlet Kunden anzieht. Noch wichtiger ist das Gewerbegebiet Eichwald mit Sachsenheim, Sersheim und Oberriexingen – hier ist ein weiterer Porsche-Standort, auch der des Sprudelherstellers Alwa residiert hier. „Wir hängen stark am Automobil, setzen aber auch auf andere Branchen“, sagt Anette Hochmuth, die Sprecherin der Stadt. Der Maschinenbauer Dürr zum Beispiel oder der Zulieferer Valeo.

Besonders innovativ zeigt sich der Landkreis aber auch in den kleinen Kommunen. So gibt es ganz im Norden seit 1973 ein einzigartiges Beispiel interkommunaler Zusammenarbeit: die Ottmarsheimer Höhe. Sechs Kommunen haben sich zusammengetan mit einem ungewöhnlichen Modell. Mundelsheim und Besigheim stellen jeweils 50 Prozent der Flächen, zusammen 75 Hektar. Die anderen Gemeinden zahlen beim Aufbau und Betrieb der Infrastruktur. „Entsprechend werden die Einnahmen aus der Gewerbesteuer aufgeteilt“, erklärt Holger Haist, der Bürgermeister von Mundelsheim und Vizechef des Zweckverbandes. So ist es vielen kleinen Kommunen gelungen, große Firmen wie Die Lila Logistik und eine Weltfirma wie Cooper Tools anzusiedeln – bewusst aber auch für mittlere Unternehmen und Handwerker Flächen zu schaffen. Derzeit werden die letzten 15 Hektar des Areals entwickelt. „Wir gelten regional als Vorzeigegebiet“, sagt Holger Haist.

Innovative Modelle für Gewebegebiete

Im Westen des Kreises haben sich Vaihingen/Enz und die Gemeinde Illingen (Enzkreis) zu einem interkommunalen Gebiet zusammengetan – und nennen dieses selbstbewusst „Perfekter Standort“. Dazu kommen viele weitere Leuchttürme: ein großer Bosch-Standort in Schwieberdingen, im Süden – dem Strohgäu – ist in Gerlingen der Bosch-Hauptsitz, in Ditzingen der Werkzeugmaschinen- und Laserspezialist Trumpf sowie in Hemmingen eine weitere Porsche-Dependance.

Alles eitel Sonnenschein also? Nein, sagt Walter Rogg, der regionale Wirtschaftsförderer, und verweist auf eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen. Dieses hat für alle Landkreise eine Prognose aufgestellt, wie viele Arbeitsplätze durch Digitalisierung und Automatisierung in den nächsten Jahren verloren gehen können. „Vor zwei Jahren wurden für den Kreis Ludwigsburg noch 17 Prozent Verlust vorausgesagt“, sagt Rogg, „inzwischen rechnet man mit 27 Prozent“. Gerade die Automobilindustrie steht vor einem großen Wandel. Allein bei den Zulieferern rechnet man mit einem Viertel bis einem Drittel weniger Jobs.

Es drohen bis zu 27 Prozent Jobverluste

Der Strukturbericht des Regionalverbandes meldet für den Kreis Ludwigsburg trotz boomender Wirtschaft übrigens sogar einen leichten Rückgang an Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe von 2015 auf 2016 um 0,8 Prozent, in der Automobilindustrie sogar um 1,6 Prozent, während anderswo weiter Beschäftigung aufgebaut wird. Offenbar ist im Kreis Ludwigsburg das Ende der Fahnenstange erreicht, nachdem die Beschäftigtenzahl im Automotive-Cluster seit 2007 um 20 Prozent zugenommen hat.

Es geht also um Diversifizierung – neue Geschäftsgebiete zu erschließen und sich breiter aufzustellen. Und genau hier sieht man noch Defizite, in der Region wie im Landkreis Ludwigsburg. „Die Unternehmen brauchen über die bisherigen Standorte hinaus noch mehr Flächen“, sagt Walter Rogg. Daran mangele es aber dramatisch, es gebe kaum noch neues Gewerbeland. Auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Markus Rösler hat schon mehrfach öffentlich angemahnt, es werde viel geplant, aber wenig umgesetzt.

Walter Rogg zitiert den Entwicklungschef eines regionalen, international aufgestellten Unternehmens: „Wer in den nächsten fünf Jahren keinen neuen Standort bekommt, geht weg – und kommt dann bestimmt nie mehr wieder.“