Zwei Stadtoriginale aus Stuttgart: Wirtlegende Bernd Heidelbauer und der Punk Joachim Domann. Originale Foto: Günther Ahner

Ein japanischer Fernsehsender präsentiert Paradiesvögel aus Stuttgart: Ein Team lässt sich von Wirtlegende Bernd Heidelbauer zeigen, was für Freaks und Originale in einer hippen Stadt leben.

Stuttgart - Kürzlich in der Galerie von Braunbehrens im Stuttgarter Westen: Mehrere Fotografen richten ihre Objektive nicht etwa auf die Bilder des Künstlers Antonio Marra, der ausstellt. Ihr Interesse gilt einem Mann, der Mieder, Strapse und High Heels trägt. Fast scheint es, als sei der in Kreisen der Kunstfreunde unbekannte Gast, der mit Bernd Heidelbauer, einem Stadtoriginal mit gastronomischer und philosophischer Vergangenheit, zur Vernissage gekommen ist, selbst ein Gesamtkunstwerk. Szenen spielen sich ab, die nach dem Geschmack des früheren Wirts Heidelbauer sind. „Noch nie zuvor habe ich gesehen“, staunt er, „wie der berühmte Fotograf Conny Winter vor einem Mann niederkniet, um mit fünf anderen dieses Objekt der Begierde abzulichten.“

„Solche Typen hab’ ich selbst in New York nicht gesehen“

Das „Objekt der Begierde“ heißt Joachim Domann, war einer der ersten Punks von Stuttgart. Seit Jahrzehnten hört er auf „Schmutz“,was Spitz- und Künstlername ist. So rumzulaufen, wie er rumläuft, ist für ihn nicht die späte Provokation eines alten Punks. Es ist der Ausdruck von dem, was raus muss, was er fühlt, nicht unterdrücken mag. Und wenn er sich dabei amüsieren kann, wie andere auf ihn reagieren und Falsches über ihn denken, nimmt er das halt auch noch mit. Schwul sei er nicht, stellt „Schmutz“ klar, und von Frauen höre er manchmal, er habe einen besseren Hintern als sie.

Viele Jahre hat er als Möbelpacker gearbeitet. „Was machst du?“ Diese auch bei einer Vernissage gängige Frage beantwortet Domann so: „Ich studiere Hartz IV im dritten Semester.“ Ein Paradiesvogel ohne Paradies? „Das ist Stuttgart“, freut sich Heidelbauer, „solche Typen wie ,Schmutz’ habe ich selbst in New York nicht gesehen.“ Dort hat der frühere Wirt einst als „König von Württemberg“ ein Lokal aufgemacht und wurde abgezockt.

OB Rommel nannte ihn „Kosakenhauptmann“

Auch der frühere Chef von Bernd’s Lädle, heute ein 71-jähriger Rentner, ist Student. Er studiert das Leben und erklärt: „Mit schrägen Leuten, also echten Typen, begreift man das Leben.“ Inspiration beziehe er von nicht alltäglichen Menschen. „Das Unbekannte, das Ungewöhnliche“ sei „lehrreich“, findet er. Gezielt spricht er Typen auf der Straße an, die anders sind und mit denen er bald in der Boa ein Fest „mit dem Zirkus Mensch“ feiern will. Freaks, Sonderlinge, Originale – in dieser Stadt gibt es mehr davon, als man denkt. Die Vielfalt Stuttgarts ist der Grund, warum sich Heidelbauer, den OB Manfred Rommel „Kosakenhauptmann“ nannte, wohlfühlt in unserer auswärts unterschätzten Stadt. Und jetzt wird der „Menschenfischer“ auch noch zu einer Art Botschafter von Stuttgart.

Aus Berlin hat sich bei ihm ein Filmteam gemeldet, das für einen japanischen Sender arbeitet. Heidelbauer soll erklären, wie das mit Stuttgart ist. Er wird sagen, dass es hier nicht nur einzigartige Autos gibt, sondern auch einzigartige Menschen.

In Stuttgart, erfährt Japan, ist das menschliche Tierreich besonders bunt. Es gibt Salonlöwen, Saubären, graue Mäuse, Papiertiger, Höllenhunde – und Paradiesvögel. Nicht jeder findet die übertriebene, sich abgrenzende Art des Paradiesvogels gut. Doch wer so einer ist, lässt sich von den anderen nicht einengen. Im besten Fall schafft er sich sein eigenes Paradies.