dm-Chef Erich Harsch verteidigt Produktion von Taschen auch in Indien Foto: dpa

Die Drogeriemarktkette dm steht für viele Kunden für faire Arbeits- und Produktionsbedingungen. Umso größer war deren Entrüstung, als vor kurzem herauskam, dass dm seine Baumwolltaschen nicht mehr nur von einstigen Langzeitarbeitslosen in Deutschland, sondern auch in Indien nähen lässt.

Stut - Herr Harsch, warum haben Sie die Produktion der Pfandtasche still und heimlich nach Indien verlagert?
Das haben wir gar nicht. Wir haben die Herkunft auf unseren Taschen gekennzeichnet.
Bei Ihrem Lieferanten Manomama in Augsburg hängen rund 90 Arbeitsplätze von der Produktion der Pfandtasche ab. Warum haben Sie sich für die Verlagerung entschieden?
Von einer Verlagerung zu sprechen wäre falsch. Indien ist nur eine weitere Lieferquelle. Angesichts unseres Wachstums brauchen wir ein weiteres Standbein. Wir haben im vergangenen Geschäftsjahr rund 170 neue Märkte aufgemacht und im laufenden Geschäftsjahr werden es weitere 170 sein. Schon allein deshalb steigt bei uns der Bedarf an den Taschen.
Seit wann produzieren Sie Taschen in Indien?
Wir haben dort zunächst nur eine Lieferung im Umfang von nicht einmal zwei Prozent unseres jährlichen Taschenvolumens nähen lassen, um zu schauen, wie die Zusammenarbeit mit unserem Partner vor Ort über die bisherigen Aktivitäten hinaus funktioniert.
Wer ist der Partner vor Ort?
Bei dem indischen Hersteller unserer dm-Stofftaschen handelt es sich um einen Produzenten, der auch zu Teilen unsere Alana-Textilien fertigt und mit dem wir seit 2012 zusammenarbeiten.
Welche Kosteneinsparungen verspricht sich dm durch den Schritt?
Unsere Absicht war es nicht, nach einem billigeren Produktionsstandort zu suchen. Uns geht es darum, durch den Aufbau von Arbeitsplätzen in Indien praktische Entwicklungshilfe vor Ort zu leisten, und darum, uns auf ein weiteres Standbein zu stellen und damit Risiken abzubauen.
dm ist die beliebteste Marke der Deutschen. Sie steht für viele für Fairness und Transparenz. Umso aufgebrachter waren die Kunden, weil einige Taschen plötzlich unangekündigt aus Indien kommen. Was ist da schiefgelaufen?
Die Kommunikation hierzu hätten wir sicher noch besser gestalten können. Wir haben unterschätzt, dass eine kleine Charge solche Reaktionen auslösen könnte.
Das gilt für ein weiteres Thema: Die Einführung einer dm-Eigenmarke im Ernährungsbereich, der bisher von Alnatura abgedeckt wird. Warum will dm die neue Eigenmarke?
Wir sind in allen Sortimentsbereichen, die uns wichtig sind, breit aufgestellt und mit einer Eigenmarke vertreten. Es gibt keinen Grund, warum wir das im Bereich der gesunden Ernährung nicht auch sein sollten. Aus heutiger Sicht haben wir damit fast schon zu lange gewartet, weil die Partnerschaft mit Alnatura und die damit einhergehende Monomarken-Strategie immer sehr erfolgreich war. Nur führt der Erfolg der Vergangenheit nicht automatisch dazu, dass wir auch in Zukunft erfolgreich sind.
Inwiefern?
In der Biowelt hat in den vergangenen 20 Jahren eine sehr dynamische Entwicklung stattgefunden. Als moderner Anbieter müssen wir dem Rechnung tragen, um auch auf künftige Innovationen schnell reagieren können.
Was soll die neue Marke können, was Alnatura nicht schon kann?
Alnatura hat eigene Lebensmittelmärkte. Darum liegt der Fokus im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Marke natürlich auf dem Lebensmittelbereich. Wir sind aber ein Drogeriemarktfilialist. Unser Hauptfokus liegt auf dem Gesundheitsaspekt. Viele Innovationen aus dem Bereich der gesunden Ernährung gehen an uns vorbei, wenn wir keinen direkten Kontakt zu den Menschen haben, die diese Produkte entwickeln.
Können Sie das mit einem Beispiel konkretisieren?
Für uns ist es weniger wichtig, die vierte Bio-Chips-Variante ins Regal zu stellen. Wir wollen Produkte anbieten, die Trends in der gesunden Ernährung entsprechen wie beispielsweise vegane Ernährung. In diesem Bereich möchten wir unsere Kompetenz ausbauen und nicht den gesamten Ernährungsbereich an Alnatura „outsourcen“.
Wenn man allein den Bereich Naturkosmetik als Beispiel heranzieht, lässt sich feststellen, dass die Eigenmarken von dm auch günstiger sind als die konventionellen Angebote.
Dass die Bioprodukte unserer Eigenmarke günstiger sein werden als unser bisheriges Angebot, stimmt faktisch so nicht. Bio-Lebensmittel haben eine hohe Qualität, und diese Qualität erfordert auch einen entsprechenden Preis. Das ist bei Alnatura gegeben, und das wird auch bei unserer Eigenmarke in ähnlicher Weise gegeben sein. Natürlich wollen wir den Kunden ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten, aber nicht ohne die berechtigten Bedürfnisse der Landwirte entsprechend zu würdigen.
Wie viel Produkte sind in Planung?
Wenn man eine Eigenmarke platziert, muss man natürlich eine bestimmte Anzahl an Produkten anbieten, um von den Verbrauchern überhaupt wahrgenommen zu werden. Bei der Ernährung haben wir heute um die 600 Produkte im Angebot. Mindestens 100 Produkte werden wir daher unter der neuen Eigenmarke schon anbieten müssen, damit sie den Kunden im Regal auffällt.
Sehen Sie in diesem Bereich noch Wachstumspotenzial? Angesichts des harten Wettbewerbs auf dem Markt sind Ihre Möglichkeiten doch begrenzt, oder?
Wir sehen noch viele Möglichkeiten zu wachsen. Es gibt noch viele Standorte in Deutschland, wo wir nicht nah genug an den Kunden sind. Ich rede von Orten, in denen es vielleicht schon einen dm gibt, die Menschen aber durch die halbe Stadt fahren müssen, um dorthin zu gelangen. Darüber hinaus sind wir im abgelaufenen Geschäftsjahr auch auf der bestehenden Fläche um 2,5 Prozent gewachsen. Unser Wachstum rekrutiert sich also nicht ausschließlich aus Markteröffnungen.