Statt selbst Menschen einzustellen hat Schlecker einst oft auf die Zeitarbeitsfirma Meniar zurückgegriffen. Foto: dpa

Am Montag geht der Prozess gegen die Unternehmerfamilie vor dem Stuttgarter Landgericht weiter. Doch auch vor dem Landgericht in Zwickau muss sich die Familie erklären. Die wichtigsten Fragen und Antworten gibt es hier.

Stuttgart / Zwickau - Der Personaldienstleister Meniar hat dem Drogeriekonzern Schleckerschon in der Vergangenheit wenig Gutes gebracht. Nach Informationen unserer Zeitung fordert der Insolvenzverwalter der Firma, über die sich Schlecker einst günstige Leiharbeiter besorgt hat, nun ein Darlehen von 1,37 Millionen Euro zurück. Dieses soll 2011 unrechtmäßigerweise an die Familie ausbezahlt worden sein. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was fordert der Meniar-Insolvenzverwalter von der Familie Schlecker?
Andreas Schenk, der Insolvenzverwalter des Personaldienstleisters Meniar, fordert von Anton Schleckers Frau Christa und ihren Nachkommen Lars und Meike Schlecker sowie von dem ehemaligen Geschäftsführer der Firma, Alois Over, Schadenersatz in Millionenhöhe. Die Kanzlei habe vor dem Landgericht Zwickau eine Zahlungsklage eingereicht (AZ 40 322 / 16), bestätigte Lars Eichert, Rechtsanwalt in der Kanzlei Schenk, Lechleitner, Krösch unserer Zeitung. Der Insolvenzverwalter fordert demnach ein Darlehen in Höhe von 1,37 Millionen Euro zurück, das Meniar 2011 an Anton Schlecker überwiesen hat. Der Prozess ist in Zwickau anhängig, da dort der Firmensitz von Meniar war.
Was für eine Firma ist Meniar?
Meniar (Menschen in Arbeit) hat dem Schlecker-Konzern bislang wenig Gutes gebracht. Die Firma wurde 2008 gegründet und erbrachte in der Folge fast ausschließlich Leistungen für Schlecker. Konkret ging es darum, dass ehemalige Schlecker-Mitarbeiter nach ihrer Entlassung übernommen und wieder an Schlecker überlassen wurden – der sogenannte Drehtüreffekt. Für Schlecker rechnete sich das Modell, da Meniar deutlich weniger Lohn gezahlt hat als Schlecker. Diese Methode trug entscheidend dazu bei, dass der Drogeriekonzern in den Folgejahren massiv in die Negativschlagzeilen geriet. So kam es auch, dass das im Frühjahr 2011 in Kraft getretene „Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit“ als „Lex Schlecker“ in die Geschichte einging. Das Gesetz verbietet eben jenen Drehtüreffekt, der bei Meniar angewandt wurde. Beeinflusst durch die negative Berichterstattung hatte Meniar das Modell bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes – nämlich Ende 2010 – eingestellt. Dadurch fehlte Meniar das Geschäftsmodell und die Gesellschaft wurde 2011 aufgelöst, existierte als Rechträger aber noch fort bis zu ihrer Insolvenz 2013.
Warum richtet sich die Schadenersatzforderung nun gegen den Ex- Meniar-Chef Alois Over?
Vorneweg sei angemerkt, dass bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) im Insolvenzfall in der Regel nicht auf das Privatvermögen des Geschäftsführers zurückgegriffen werden kann. Darum gibt es in jeder GmbH das sogenannte Stammkapital, das die Gläubiger im Falle einer Zahlungsunfähigkeit schützen soll. Nun zum vorliegenden Fall: Die Forderung des Insolvenzverwalters richtet sich gegen den einstigen Meniar-Chef Over, weil dieser als geschäftsführender Gesellschafter dafür verantwortlich war, dass eben jenes Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 30 000 Euro nicht angetastet beziehungsweise unterschritten wird. Genau das ist aber nach Ansicht des Meniar-Insolvenzverwalters durch die Gewährung des Darlehens in Höhe von 1,37 Millionen Euro an Anton Schlecker geschehen.
Christa, Lars und Meike Schlecker waren keine Gesellschafter. Warum richten sich die Forderungen auch gegen sie?
Da zwischen Alois Over und Anton Schleckers Ehefrau Christa sowie den beiden Kindern Lars und Meike Schlecker ein Treuhandvertrag bestand, macht der Insolvenzverwalter seine Ansprüche auch gegen die Familienmitglieder Anton Schleckers geltend. „Seine Beteiligung an der Meniar hat Herr Over als Treuhänder für Herrn Lars Schlecker, Frau Meike Schlecker und Frau Christa Schlecker gehalten“, teilt Eichert mit. „Aufgrund des bestehenden Treuhandvertrags war Herr Over bei der Ausübung seiner Gesellschafterrechte an die Weisungen von Lars Schlecker, Meike Schlecker und Christa Schlecker gebunden.“ Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass durch die Treuhand-Konstruktion auch die Familienmitglieder Schleckers als Gesellschafter betrachtet werden können – und nicht nur Alois Over. Nun gibt es aber einen Paragrafen im Gesetz für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), der besagt, dass jenes Vermögen, das zur Erhaltung des Stammkapitals einer Gesellschaft erforderlich ist, nicht an die Gesellschafter ausbezahlt werden darf. Genau dies ist aber nach Ansicht des Meniar-Insolvenzverwalters durch die Gewährung des Darlehens in Höhe von 1,37 Millionen Euro geschehen, da die Familienmitglieder aufgrund der Treuhand-Konstruktion faktisch einen Gesellschafterstatus haben.
Und wie kommt nun der ehemalige Drogeriekönig Anton Schleckerins Spiel?
Da der Darlehensempfänger Anton Schlecker der Ehemann von Christa Schlecker und der Vater von Lars und Meike ist, besteht eine besondere Nähe zwischen den Personen. Verkürzt gesagt, hat die Familie Schlecker also in der Funktion als Gesellschafter Geld aus einer Firma genommen, das zum Schutz der Gläubiger in der Firma bleiben muss und nicht an die Gesellschafter ausbezahlt werden darf. Das beanstandet der Meniar-Insolvenzverwalter Andreas Schenk, da dieser seinerseits noch offene Rechnungen von Meniar-Gläubigern begleichen muss. Die Forderungen, die im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet wurden, belaufen sich auf rund eine Million Euro, darunter befindet sich auch eine Forderung der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von rund 340 000 Euro. Da nämlich Meniar seine Beschäftigten unterhalb des offiziell gültigen Tarifvertrags bezahlt hat, sind an die Deutsche Rentenversicherung zu Sozialabgaben in zu geringer Höhe bezahlt worden.
Was sagen die Anwälte ?
Der Anwalt von Alois Over weist die Forderungen von Insolvenzverwalter Schenk entschieden zurück: „Es existiert keine Anspruchsgrundlage für das Begehren“, sagte Frank Hahn von der Stuttgarter Kanzlei Kasper Knacke. „Alois Over hat seine Pflichten stets ordnungsgemäß erfüllt.“ Der Anwalt der Familie Schlecker hingegen wollte sich unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Fall äußern.