Unter Kaiser Wilhelm II. wurde der deutsche Kolonialbesitz ausgebaut und einige der schlimmsten Völkermoder auf afrikanischem Boden ausgeführt. Foto: -/dpa

Vor über 100 Jahren haben die Deutschen Afrika kolonialisiert. Afrikakorrespondent Bartholomäus Grill hat jahrzehntelang auf dem schwarzen Kontinent nach den Verbrechen des Deutschen Kaiserreichs recherchiert und darüber ein schonungslos offenes Buch geschrieben.

Stuttgart - Ende des 19. Jahrhunderts hat das Deutsche Kaiserreich den Schwarzen Kontinent für sich entdeckt und damit das deutsche Kolonialzeitalter eingeleitet. Zu den Eroberungen in Afrika zählten Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika – heute bekannt als Namibia und Tansania. Damals wurde der Startschuss gegeben für eine Ausbeutung der einheimischen Völker, die im Völkermord an den Herero und Nama in Namibia ihren Höhepunkt erreichte. Dieses Verbrechen ist noch immer nicht vollends historisch aufgearbeitet. Jedoch hat es in letzter Zeit Einzug in die Öffentlichkeit erhalten.

Adolph Woermann: Ein Profiteur des Krieges

Die Jahre unter dem Joch des Kaisers haben die Länder nachhaltig geprägt. Beispielsweise haben die Kolonialherren Monokulturen in der Landwirtschaft eingeführt, die bis heute bestehen. Produkte wie Kakao und Kaffee wurden nach Deutschland exportiert. Unternehmer wie Adolph Woermann haben durch den Handel mit Waren aus den deutschen Kolonialgebieten ein Vermögen verdient. Er war Geschäftsführer der größten Privatreederei der Zeit. Woermann hat nicht nur mit dem Importgeschäft Geld verdient, er hat seine zahlreichen Schiffe auch an die Wehrmacht vermietet. So wurden auf seinen Schiffen jene deutschen Soldaten nach Deutsch-Südwestafrika transportiert, die den Völkermord an den Herero und Nama begangen haben.

Woermann-Linie noch immer in Hamburg

Heute befindet sich der ehemalige Firmensitz der Familie Woermann noch immer im Zentrum Hamburgs. In dem Gebäude sind zwar noch Ausstellungsstücke und Bilder, die an das koloniale Erbe erinnern, doch wird nicht erwähnt, dass das Unternehmen dadurch zu Wohlstand gekommen ist, dass es Produkte aus afrikanischer Sklavenarbeit eingeführt hat.

Jemand, der die dunkle koloniale Vergangenheit von Firmen wie der Woermann-Linie untersucht hat, ist der Afrikakorrespondent Bartholomäus Grill. Seit Jahrzehnten begibt er sich auf Exkursionen durch den Kontinent und verfasst Artikel für den „Spiegel“ oder die „Zeit“. Er löst immer wieder kontroverse Diskussionen über die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Deutschlands aus. Die Ergebnisse seiner größten Entdeckungen hat er in seinem Werk „Wir Herrenmenschen“ zusammengefasst.

Grundbesitz durch Betrug erworben

Laut Grill haben es zwei Generationen von Historikern versäumt, die Zeitzeugen jener Ära zu befragen, und deswegen werden viele persönliche Schicksale der Einheimischen ewig im Dunkeln bleiben. Schonungslos klärt Grill dennoch auf, wie die deutschen Eindringlinge das Land Ende des 19. Jahrhunderts sich zu eigen gemacht haben. Die Kolonialherren gaben Grundbesitzern Alkohol zu trinken und machten sie gefügig, Verträge zu unterschreiben, deren Sprache oder Bedeutung sie nicht verstanden.

Anschließend haben die Deutschen bestehende Machtstrukturen zerschlagen und stattdessen Stammeshäuptlinge eingeführt. Fortan wurden einheimische Arbeiter, die kein Land besaßen, versklavt. Hunderttausende Menschen sind auf den Feldern unter der harten Arbeit deutscher Kolonialherren gestorben. Der Blick auf Afrika sei noch heute geprägt von kolonialer Arroganz, schreibt Grill.

Abenteuerlust eines Afrikakorrespondenten

Bisher sei nur wenig unternommen worden, um die deutschen Verbrechen in den ehemaligen Kolonien aufzuarbeiten. Dabei gebe es noch immer viel zu entdecken, meint der Autor. So hat er in seinen frühen Jahren sogar noch Afrikaner getroffen, die Deutsch sprechen konnten und das Schulsystem unter den Kolonialherren selbst erfahren haben.

Es sind jene persönlichen Entdeckungen des Autors, die „Wir Herrenmenschen“ vor allem lesenswert machen. Denn Grill klärt nicht nur über deutsche Kriegsverbrechen auf, er geht in jedem Kapitel auch auf Abenteuersuche. So versteht er es, sowohl die Vergangenheit zu erhellen, als auch den Leser mitzunehmen in jene mysteriöse Welt Afrikas, die uns Europäern manchmal so fremd erscheint.