Joachim Wezels antiker Citroën ist ein Blickfang auf dem Wouahou-Winterdorf Foto: /Tilman Baur

Mit der Bohrmaschine geformte SpiralkWouahou-Winterdorfartoffeln, Burlesque-Shows im Tipi: das Wouahou-Winterdorf auf dem Stuttgarter Marienplatz interpretiert die Vorweihnachtszeit unorthodox.

S-Süd - Den Anblick eines französischen Kleintransporters aus der Nachkriegszeit erwarten Besucher eines alternativen Winterdorfs wohl nicht zwingend. Und dennoch: Der mit allerlei Leuchtelementen ausgestattete Citroën Hy von Joachim Wezel ist zur Eröffnung des Wouahou-Winterdorfs auf dem Marienplatz einer der Hingucker. Der Filderstädter, optisch markant mit weißblonder Mähne und Herrenkochjacke, steht im inneren des Oldtimers und lässt routiniert einen Crêpe nach dem anderen auf der Kochplatte zischen. „Der Hy war in Frankreich das, was in Deutschland der VW Bulli war“, erklärt Wezel. Nicht selten kämen ältere Semester zu ihm und schwelgten in Erinnerungen an das zwischen 1948 und 1981 produzierte Gefährt.

Elektrolastige Beats aus dem Tipi

Hinter dem Hy wummern elektrolastige Beats aus dem Tipi, das das Herzstück des Wouahou bildet. Christian Finscher alias „Detmolt“ steht hinter den Reglern und hat schon einige Grüppchen zum Tanzen gebracht. Ekstatisch ist das zu dieser frühen Stunde noch nicht, schließlich wollen die Gäste ihren wärmenden Glühwein nicht verschütten. Auch ein paar Kinder turnen noch ums Pult herum.

Neben Kunsthandwerk, Stricksachen, und Schmuck geben die Street-Food-Stände eindeutig den Ton an auf dem Marienplatz. Bei Enver Okumus gibt es Adana Kebap, einen auf Holzkohle gegrillten Hackfleischspieß vom Rind und Lamm mit Gemüse und Paprika. Ein Restaurant oder eine Bude hat Okumus nicht. „Wir sind nur auf Festivals unterwegs“, sagt er. Anders Vanessa Obi: die junge Frau hat erst vor vier Wochen ihren eigenen Laden am Erwin-Schoettle-Platz eröffnet.

„Patacon Obi“ heißt der, wobei Patacon das spanische Wort für Kochbanane ist. Kochbananen isst man wiederum gern in Westafrika, und genau aus dieser Gegend stammen die Speisen, die Vanessa Obi anbietet. Zum Beispiel das Reisgericht Jollof Rice oder Puff, eine rund geformte, frittierte Mehlspeise. Besonders begehrt: Der Kochbananen-Burger, den es mit Rindfleisch oder in der veganen Ausführung gibt. „Das ist eine eigene Kreation von mir“, sagt Obi. „Hoffentlich gibt es hier Servietten“, sagt eine Kundin, als sie die Sesam-Soße am Burger heruntertropfen sieht.

„Die leckerste Kartoffel der Welt“

Direkt gegenüber hat Andreas Molzan die Bohrmaschine ausgepackt. Dübel und Schrauben hat der bei Daimler beschäftigte Maschinenbauingenieur allerdings nicht dabei. Mit der Bohrmaschine bearbeitet er „die leckerste Kartoffel der Welt“, wie er überzeugt behauptet, und bringt sie in eine gefällige Spiralform. Schlicht „Spiralkartoffel“ heißt dann auch das Ergebnis der unorthodoxen Technik, die angeblich aus Asien stammt. „Das wird jetzt zwei bis drei Minuten in frischem Rapsöl bei knapp 180 Grad frittiert, und dann kommen verschiedene Gewürze dran“, erklärt Molzan, der den Namen seiner Kartoffelsorte nicht verraten will: „Betriebsgeheimnis“, sagt er. 20 Sorten habe er insgesamt ausprobiert, sagt Molzan, dann sei er fündig geworden. Mit seinem Stand sei er schon bei mehreren Veranstaltungen in der Region gewesen. Sein Spiralkartoffel-Geschäft betreibt er mit einem Freund zusammen, der passenderweise bei Bosch arbeitet.

Für den Veranstalter läuft der erste von 17 Wouahou-Tagen gut an, denn es ist zwar kalt, aber der Regen bleibt aus. Das Winterdorf versteht sich als Alternative zu den klassischen Weihnachtsmärkten. Auf dem Programm stehen in den nächsten zwei Wochen unter anderem Lesungen für Kinder, Burlesque-Shows im Tipi und verschiedene Konzerte, darunter eine Unplugged-Session mit der Stuttgarter Band Kids Of Adelaide.

Die Kälte bekämpften die Gäste am Freitag mit Glühwein oder mit Schnäpsen und Likören aus dem Hause O’Donnell Moonshine, den Lukas Lansche ausschenkt. Mit dem Begriff Moonshine, Mondschein zu Deutsch, nimmt der Hersteller Bezug auf die Zeit der Prohibition in den USA, als Spirituosen stets nachts – bei Mondschein eben – produziert werden mussten. Die hochprozentigen Getränke sind im Einmachglas abgefüllt, auch das eine Reminiszenz an die Prohibition, in der man den verbotenen Stoff darin schmuggelte.

Am besten verkaufe sich die „Harte Nuss“, so Lukas Lansche, ein nach Haselnuss und Karamell schmeckender Likör mit 25 Prozent Alkoholgehalt. Wer durch das Karamell Lust auf Zucker bekommt und das Kalorienzählen nicht überbewertet, der könnte bei Kevin Oberthürs Cheesecake Pops fündig werden. Der 30-jährige verkauft die mit verschiedenen Schokoladensorten und Toppings aufgepeppten Käsekuchen auf 50 Street Food-Märkten im Jahr und tüftelt ständig an neuen kulinarischen Ansätzen: „Wir haben auch ein Eistee- und ein Burger-Konzept.“