Eine fünf Meter hohe Skulptur als Denkraum statt Denkmal. Der Landart-Künstler David Klopp hat sie gebaut und einer Schule übergeben. Dort wird sie zum Impulsgeber.
Rot-weiß gestreift, mit acht Ecken, runden Fenstern und strahlender Präsenz steht er da – direkt neben dem Eingang der Schule. Fünf Meter ragt er in den Himmel, aus Holz und Metall gebaut, ein bisschen maritim, ein bisschen Mahnmal. Doch es ist kein Signal für Seefahrer, sondern für Demokratie.
Ein Leuchtturm, der Fragen stellt, statt Antworten zu geben. Keine reine Skulptur, sondern ein interaktives Kommunikationsinstrument. Universell einsetzbar, unabhängig von Ort oder Thema
Kunstwerk als Sprachrohr:Leuchtturm thematisiert Flucht
Erschaffen hat ihn der Landart-Künstler David Klopp aus Winterbach. Sein Ziel: eine Skulptur, die nicht nur betrachtet, sondern benutzt wird. Als Plattform, als Sprachrohr, als Resonanzkörper für gesellschaftliche Themen. Ursprünglich war der Turm ein Symbol für Flucht und Sicherheit, gebaut im Kontext einer Aktionswoche zu Seenotrettung und Migration in Schorndorf.
Seine künstlerische Antwort auf die Frage „Was symbolisiert Sicherheit?“ war der Leuchtturm. Er wurde zunächst vor der Schorndorfer Stadtkirche, später in Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) gezeigt. Danach wurde das Objekt eingelagert – bei Albrecht Rühle, einem Kunstschmied und Wegbegleiter Klopps. Rühle hatte das Projekt nicht nur logistisch unterstützt, sondern auch an der Konstruktion mitgewirkt.
Jetzt aber wechselt der Turm seine Funktion – und seine Besitzer. Klopp gibt ihn weiter. Nicht an ein Museum oder einen Sammler, sondern an eine Schule. Er soll junge Menschen anregen, sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinanderzusetzen, eigene Positionen zu formulieren und sich an Diskussionen zu beteiligen.
Kunstwerk als Impulsgeber: Leuchtturm erreicht Schule
„Ich bin es gewohnt, dass sich meine Arbeiten verändern“, sagt der Künstler. „Loslassen gehört dazu.“ So landete der Turm kurz vor den Pfingstferien auf dem Gelände der Progenius-Schule, einer privaten beruflichen Schule in Schwäbisch Gmünd, die verschiedene weiterführende Bildungsgänge anbietet und sich auf die individuelle Förderung junger Menschen spezialisiert hat. Transportiert wird er auf Albrecht Rühles Unimog-Gespann. Ein Objekt, das auffällt – und sofort Wirkung entfaltet.
Schulleiter Andreas Brusda war sofort begeistert. Seine Schule verfolge seit Jahren ein pädagogisches Konzept, das Mitbestimmung und demokratische Strukturen im Schulalltag betone: „Demokratie darf kein Unterrichtsfach bleiben, sie muss gelebt werden“, sagt Brusda. Und genau da setzt der Turm an. Acht Fenster, ausgeleuchtet von innen, stellen zentrale Fragen: Was willst du verändern?“ – „Was vermisst du, wenn du flüchten musst?“ – „Was verbindet uns?“ Damit ist der Turm zugleich Fragekanon und offenes Forum. Schüler und Passanten greifen bunte Klebezettel, schreiben ihre Gedanken auf, kleben sie an die hölzernen Wände – und teilen aus dem Bauch heraus, spontan, ehrlich. So füllten sich die acht Seiten wie Kapitel eines kollektiven Tagebuchs.
Jugendliche setzen eigene Themen: KI, Krieg und Tierethik
Nun sollen die Schüler ihre eigenen Themen setzen. Und es sind keine Schulaufsätze, die hier entstehen, sondern Gedanken – direkt, emotional. Daniel (24) denkt an KI und Technisierung. Chaeyenne (20) bringt Krieg und Wirtschaft ins Spiel. Nick (19), nur zufällig vor Ort, ist überzeugt: „Mein kleiner Bruder interessiert sich null für Politik – aber so etwas könnte ihn neugierig machen.“ Ilya, ebenfalls 19, engagiert sich aktiv. Er sagt, er wolle mithelfen, die Welt „zumindest in einem kleinen Rahmen zu verändern“. Für ihn stehen Tierethik und Fleischkonsum im Zentrum der Auseinandersetzung. Und Lilli (19) sagt: „Der Turm ist eine Superchance, unsere Themen sichtbar zu machen.“ Und auch Albrecht Rühle (67) ermutigt die Jugendlichen zur Beteiligung: „Nie den Mut verlieren, immer etwas tun.“
Schulprojekt: Leuchtturm als Zentrum für Demokratie-Workshops
Die Schule plant Großes: Der Turm soll eine Woche lang auf einem zentralen Platz der Stadt stehen, andere Schulen einladen, Rahmenprogramm inklusive. Workshops, Diskussionen, Aktionen. „Wir wollen nicht nur Zettel kleben – wir wollen reden“, heißt es. Keine Symbolpolitik, sondern echte Beteiligung.
Und David Klopp? Der sieht zu, wie sein Werk ein neues Leben beginnt. Von der Idee über die Konstruktion bis zum ersten Auftritt 2020 in Schorndorf hat er den Leuchtturm begleitet – jetzt lässt er ihn los. „Der Turm ist eine Kommunikationsplattform“, sagt er. „Er gehört dahin, wo gesprochen wird.“
Das Grundkonzept bleibt erhalten: Acht Fenster, acht Fragen, viele Antworten. Die Form ist bewusst offen gehalten – als Einladung zur Mitwirkung.
Nicht alles ist für jede Bühne geeignet. Dass sein Kunstwerk auf einem Parteitag der AfD landet – für Klopp undenkbar. Aber als wandernde Bühne der Demokratie? Unbedingt. Vielleicht geht der Turm bald auf Tour – von Stadt zu Stadt, von Schule zu Schule. Ein bewegliches Denkmal, das nicht mit Bronze und Pathos kommt, sondern mit Fragen, Antworten und der Möglichkeit zur Teilhabe.
Ein Leuchtturm, der keine Küste beleuchtet, sondern die Köpfe. Und der zeigt: Demokratie beginnt mit einer Frage. Und dem Mut, darauf zu antworten.