Eine Brandstiftung hätte fünf jungen Ausländern das Leben kosten können: Mehrere dem rechtsextremen Lager zugerechnete Männer haben im April 2011 eine Hütte in Flammen gesetzt, in die sich die Italiener und Türken nach einer Prügelei geflüchtet hatten. Sie entkamen dem Feuer. Foto: Herrmann

Zwei Rechtsradikale müssen sich ab Montag vor Gericht wegen versuchten Mordes verantworten.

Stuttgart/Winterbach - Es war eine Gewalttat, die den kleinen Remstalort Winterbach in die Schlagzeilen brachte - weit über die Region Stuttgart hinaus: Neonazis zündeten am 10. April 2011 eine Gartenhütte an, in der sich junge Migranten verbarrikadiert hatten. Zwei der Rechtsradikalen müssen sich von Montag an vor dem Landgericht verantworten - unter anderem wegen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen.

Schauplatz jener Nacht war ein Areal auf dem Engelberg nahe der bekannten Waldorfschule. Auf einem Grundstück feierten, wie die 32-köpfige Ermittlungsgruppe Gartenhütte später recherchierte, rund 70 Personen, "die vorwiegend der sogenannten rechten Szene zuzuordnen waren", einen Geburtstag. Auf dem Gütle schräg gegenüber trafen sich zehn junge Männer ausländischer Herkunft zu einem Grillfest.

Nach einer Auseinandersetzung auf einem Feldweg stürmten etwa zehn bis 20 Neonazis hinüber, um den Kontrahenten "eine Abreibung zu verpassen", wie es heißt. Zunächst drei und später zwei weitere der türkisch- und italienischstämmigen Männer flüchteten in die Hütte. "Kommt raus, ihr Scheißkanaken, wir machen euch fertig", haben die Angreifer nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gerufen.

Hütte brannte komplett ab

Der Hauptverdächtige (mittlerweile 21 Jahre alt) habe dann einen brennenden Ast aus dem dortigen Lagerfeuer genommen und eine am Schuppen hochwachsende Kletterpflanze angezündet, so dass der Schuppen Feuer fing. Sein Kompagnon, heute 22 Jahre alt, sei neben ihm gestanden. Die beiden Angeklagten hätten "in Kauf genommen, dass die jungen Männer in der Hütte durch den Brand zu Tode kommen". Erst durch die Flucht aus der Hütte durch die Streuobstwiesen konnten sich die Migranten retten. Die Hütte brannte schließlich komplett ab.

Viel hat nicht gefehlt und die Opfer wären in den Flammen gestorben. "Wir haben die Tür aufgerissen und sind um unser Leben gerannt", sagte der 29-jährige Fikret Tecer, als er sich am Tag danach den Tatort nochmals anschaute. Sie hatten Rauchvergiftungen erlitten, Gehirnerschütterungen, eine gebrochene Hand. "Die wollten uns abfackeln, die waren auf Mord aus."

Hoffen auf harte Strafen

In der 7700-Einwohner-Gemeinde Winterbach gab es später mehrere Solidaritätsaktionen mit den Opfern. Rems-Murr-Landrat Johannes Fuchs verurteilte die "verabscheuungswürdige Straftat", bei der "massive Aggressivität und blinde Ausländerfeindlichkeit im Spiel waren", und gab die Parole aus: "Null Toleranz gegen Rechtsextremismus." Winterbachs Bürgermeister Albrecht Ulrich erklärte: "Wir hoffen sehr, dass es zu harten Strafen kommen wird."

Ob diese tatsächlich verhängt werden, muss der am Montag beginnende und sicher intensiv von der Öffentlichkeit beobachtete Prozess zeigen. Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft schon frühzeitig eingeräumt, dass die Überführung der Rädelsführer nicht so einfach sein könnte. Das Hauptproblem: Es gibt eine Art Schweigekartell. In den Verhören wollte sich keiner der Neonazis an die Nacht erinnern, man sei zu betrunken gewesen.

Die zwei nicht vorbestraften Angeklagten aus den Berglen im Rems-Murr-Kreis sowie aus dem Bereich Ludwigsburg sitzen seit Mai in Untersuchungshaft, sie bestreiten die Tat. Deshalb rechnet das Gericht offenbar mit umfangreichen Befragungen der Zeugen sowie der Opfer und diverser Sachverständiger. 31 Verhandlungstage bis Ende Mai hat die dritte große Jugendkammer angesetzt, zumeist zweimal die Woche jeweils montags und mittwochs.