Schneebedeckte Weinberge spiegeln sich bei Sonnenschein im zugefrorenen Max-Eyth-See Foto: dpa/Christoph Schmidt

Immer schön mit Abstand genießen zahlreiche Ausflügler den Bilderbuchwinter am Bärenschlössle und Max-Eyth-See – wir haben uns ebenfalls auf den Weg gemacht und uns mit einigen Besuchern unterhalten.

Stuttgart - Noch am späten Freitag hatte die Stadt offiziell gemahnt, beliebte Ausflugsziele zu meiden und „sich gut in und um die Stadt zu verteilen“. Corona-förderlicher Auflauf an „beliebten Ausflugszielen“ sollte unbedingt vermieden werden. Bis zum Solitude-Buckel scheinen die Mahnungen nicht gelangt zu sein, denn schon bald nach der samstäglichen Frühstückszeit strebt am Waldrand ein langes Band von Menschen nach oben. Ein zweiter Blick aber zeigt: Abstand zu halten erscheint als Selbstverständlichkeit, und von Getümmel am Schlittenhang keine Spur!

Gleichwohl haben die zwei Frauen aus Korntal und Rutesheim ihren Jour fix zum Bärenschlössle vorsorglich etwas vorverlegt. Als sich der Parkplatz zügig füllt, packen sie bereits ihre Stöcke wieder ein und schwärmen von diesem „magischen Wald“ und der „besonderer Energie“ der Baumriesen, die mit ihren über 200 Jahren im Stamm noch aus Karl Eugens Zeiten herüberragen: „Der perfekte Start ins Wochenende!“ Andere Gründe hat der frühe Rückzug bei einem Paar mit zwei Kindern hinterm Schlittenseil: „Die Jungs waren so früh wach!“ Der Vorteil: „Am Schlössle war es noch wunderbar ruhig, den Rutschbuckel hatten wir fast für uns alleine!“

Am Bärenschlössle verteilen sich die Besucher

Wahre Frühaufsteher sind auch die beiden Forstarbeiter, die eben am Fahrweg Pause machen: „Als wir angefangen haben, war es noch dunkel und der Wald menschenleer. Jetzt werden es von Minute zu Minute mehr. Gut, dass wir bald Schluss machen können!“, sagt Martin, dem derzeit nicht ganz wohl ist bei Waldarbeiten, „denn es sind deutlich mehr Leute als sonst im Wald, und die gehen auch durch den Bestand. Das ist gefährlich!“ Lachend fügt er hinzu: „Corona treibt die Leute hinaus, ihnen ist langweilig!“ Als er sieht, wie jemand ein Häufchen frisches, harzig duftendes Sägemehl aufnimmt und ringsum daran schnuppern lässt, wird er wieder ganz sanft: „Eigentlich ein schönes Bild!“

Doch auch am Bärenschlössle verteilen sich die Besucher, und wenn sich die Schlange vor dem Kiosk mit gut drei Dutzend Wartenden mal fast bis zu den Toiletten dehnt, sind hier nicht nur Abstandslücken, sondern auch Masken weitgehend Standard. Die Stimmung ist sehr entspannt, mit Händen zu greifen, wie die Menschen den Wintertag in der bilderbuchreif verschneiten Landschaft unterm strahlend blauen Himmel genießen! Am bronzenen Fell der Bären lassen sich die Hände wärmen, während von den Sockeln die Eisplatten dahinschmelzen.

Rutschpartie auf dem Eis

Zeit für ein Sonnenbad! Die Mütze aus der Stirn und fest über die Ohren gezogen, die Augen geschlossen und ein träumerischer Glanz im Gesicht. Kein seltenes Bild hier! Ein Paar, aus Vaihingen herangewandert, wischt den Reif von der Bank und setzt sich auf die dicken Handschuhe: Hände frei für Bockwurst, Glühwein und heißen Holunder! Als sich von unten ein dunkler Ton wie von einer langen, frisch gerissenen Saite dehnt, wissen sie Bescheid: „Das ist das Eis! Es reißt!“

Der Bärensee zeigt sich wie ein langsam sich wandelndes Gemälde. Wo das Eis sulzig ist, ist der Schnee schon verschluckt. Drumherum wuchern weite, weißfleckige Flächen. Auf dem Rundweg ist punktuell Hochbetrieb, auf einer Bank wringt ein Mann eine Socke aus: „Ja, ich habe es gemacht! Aus purer Lebensfreude!“, betont der Eistester aus Botnang. Auf dem Pfaffensee habe er früher Eishockey gespielt, aber „heute dürfen die Leute ja nichts mehr selber entscheiden“, findet er. Von den Eltern im Auge behalten, wagen ein paar Kinder im Schattenbereich eine Rutschpartie auf festem Eis. Auch Barbara und Christina fühlen sich „wie auf einer Zeitreise“: „Auf dem kleinen See sind unsere Kinder Schlittschuh gelaufen, da habe ich sogar mal den Kinderwagen drüber geschoben. 30 Jahre ist das her!“

„Perfekte Location“ für Selfies am See

„Endlich mal ein Winter im Winter!“ freut sich am Max-Eyth-See eine Frau, die ihren Fünfjährigen fest an der Hand hält, als er vom Segler-Steg Pulverschnee auf den zugefrorenen See kickt, der vom scharfen Wind wie Puderzucker zerblasen wird. Felix hatte vor drei Tagen seinen ersten Schneemann gebaut: „Und jetzt haben wir weitere alternative Fotos fürs Familienalbum!“, freut sich seine Mama. Auch andere machen sich ihren Spaß, während die vielen Spaziergänger sich weitläufig um den See verteilen. Carmina und Florian aus Neugereuth greifen schon wieder ins Eis und schleudern die Platten wie Diskuswerfer hinaus. Stumm lauschen sie den singenden Tönen, die das Gleiten der splitternden Brocken erzeugt: „Wir komponieren!“

Noch größere Massen werden am Waschbetonsteg bewegt, wo die Splitter über der dunklen Eisfläche in den schräger werdenden Sonnenstrahlen wie kleine, festgefrorene Segelbote glitzern. „Was für ein schöner Tag! Wie ruhig, wie ausgeglichen die Leute wirken!“, jubelt Mona, die mit ihrer Freundin Christine die Runde um den See genießt – und die „perfekte Location“ auch für Selfies nutzt. Still ruht der See unter seiner fest geschlossenen Eisdecke, kein einziges Wellenkräuseln! Eine Ruhe, die wie Medizin wirkt in diesen sonst so aufgewühlten Zeiten.