Oliver Filusch strahlt eine freundliche Gelassenheit aus, die ansteckend wirkt Foto: Stoppel

Oliver Filusch war früher bei einer Pflegefamilie, dann Klient der Jugendhilfe – warum der 25-Jährige aus dem Rems-Murr-Kreis jetzt selbst eine Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher macht:

Winnenden - Die Antwort des Jungen kommt direkt und wenig diplomatisch. „Du hast den Ball geholt, also musst du ihn auch zurückbringen“, meint er. Oliver Filusch, der eben den Jugendlichen darum gebeten hatte, den kleinen Kickerball zurückzubringen, stutzt keinen Augenblick lang. „Da hast du recht“, sagt er und geht selbst zu einem Kollegen in dem Freizeitgebäude, in dem er eben mit zwei Jugendlichen am Tischkicker stand. „Daran muss man sich gewöhnen“, sagt er und lächelt. Denn seine „Klienten“ sind außergewöhnliche Menschen. Die Jugendlichen in dieser Gruppe der Jugendhilfe der Paulinenpflege sind autistisch.

Freundliche Gelassenheit strahlt der 25-Jährige aus, der im dritten Jahr seiner Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher ist. „So langsam wird es Zeit, ein Thema für die Abschlussarbeit zu finden. Auf der Suche bin ich bereits“, sagt er. Höchstwahrscheinlich wird sie aus dem Bereich stammen, in dem er seine Ausbildung macht. Er betreut sieben Internatsschüler der Schule beim Jakobsweg, die ebenfalls zur Paulinenpflege zählt und nur einen Steinwurf vom Gebäude der Wohngruppe entfernt ist. Die Auswahl an Themen ist riesig, so vielfältig wie die jungen Menschen, die hier leben. Vor Jahren war Oliver Filusch selbst einer der Jugendlichen, die in der Paulinenpflege leben.

Von der Pflegefamilie über die Wohngruppe zur Ausbildung

„Im Alter von drei Jahren bin ich in eine Pflegefamilie gekommen“, erzählt er, der eigentlich aus Esslingen stammt, mittlerweile aber in Winnenden lebt. „Wir sind früher oft umgezogen, unter anderem nach Plüderhausen und Welzheim.“ Im Teenageralter sei es nicht mehr gutgegangen in der Pflegefamilie, so sei er 2010 in die Jugendhilfe gekommen. Wenn er es im Nachhinein betrachte, sei das schon hart gewesen. Doch er habe sich schnell wohlgefühlt in der „DWG“, einer dezentralen Wohngruppe in Waiblingen.

„Dort war ich drei Jahre lang, danach noch ein Jahr im betreuten Jugendwohnen. Diese Zeit hat mir sehr viel gegeben. Ich habe dort gelernt, mein Leben selbst in den Griff zu bekommen. Dort habe ich mir auch zum ersten Mal ernsthaft die Frage gestellt, was ich im Leben eigentlich machen will. Zuerst habe ich es mit Industriemechaniker versucht. Aber ich habe gemerkt, das ist nicht das Richtige“, sagt Filusch.

Seine Vergangenheit war bei der Bewerbung kein Nachteil

Im zweiten Lehrjahr brach er die Ausbildung ab. „Die guten Erfahrungen mit meinen Erziehern in der Wohngruppe sind der Grund, warum ich mich für diesen Beruf entschieden habe. Davon möchte ich etwas weitergeben. Das hier ist mein Traumjob. Es hat in den vergangenen Jahren noch keinen Tag gegeben, an dem ich nicht gern zur Arbeit gegangen bin.“

Auf ein Vorpraktikum an der Anna-Haag-Schule in Backnang folgte die Ausbildung an der dualen Hochschule St. Loreto in Schwäbisch Gmünd. „Als Praxisstelle kam für mich nur die Paulinenpflege in Frage. Zwei Stellen waren ausgeschrieben, ich habe mich beworben und eine bekommen.“ Seine Offenheit habe ihm beim Vorstellungsgespräch nicht zum Nachteil gereicht, im Gegenteil. Das Verhältnis unter den Kollegen sei sehr gut. Und die Begeisterung in der Paulinenpflege, dass ein ehemaliger Bewohner jetzt die Ausbildung hier macht, ist überall zu spüren. „Einer meiner früheren Erzieher arbeitet im Gebäude nebenan“, sagt Oliver Filusch. Und lächelt.