Winfried Kretschmann hat am 17. Mai Geburtstag. Er wird 75 Jahre alt (Archivbild). Foto: IMAGO/Mandoga Media/IMAGO/MANDOGA MEDIA

Winfried Kretschmann ist auch nach Jahren als Regierungschef immer noch Kult. Doch es gab auch Momente, in denen sich der Landesvater Baden-Württembergs von einer anderen Seite zeigte. Zu seinem 75. Geburtstag erinnern wir daran.

Er ist Deutschlands zweitdienstältester Ministerpräsident: Der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann feiert am Mittwoch seinen 75. Geburtstag. Und auch nach einem Dutzend Jahren als Regierungschef ist der Mann mit dem markanten Bürstenhaarschnitt noch Kult.

2011 war es für die SPD eine Schmach und fünf Jahre später für die CDU eine Katastrophe, dass die Grünen mehr Stimmen hatten als sie selbst. Kretschmann steht nicht für große Gesten und Reden. Der Mitbegründer der Grünen will nüchtern und sachlich überzeugen. Glaubwürdigkeit und Integrität bescheinigen ihm auch politische Gegner. Und zum Bürgerschreck hat er nie getaugt. Keine Latzhose, keine Jesuslatschen – Kretschmann entspricht nicht dem Öko-Klischee. Fast immer tritt der gelernte Lehrer für Biologie, Chemie und Ethik im Anzug mit Lederschuhen auf, trägt weißes Hemd und grüne Krawatte.

Doch neben dem Offensichtlichen gibt es auch einige überraschende Fakten, die man vielleicht noch nicht über den Sigmaringer weiß – oder mittlerweile wieder vergessen hat. Wir schaffen Abhilfe:

1. Kretschmann und das Berufsverbot

Bevor Winfried Kretschmann 1979 die Grünen in Baden-Württemberg mitgründete, hatte er an der Universität Hohenheim Lehramt studiert und anschließend in Stuttgart, Esslingen, Mengen und Bad Schussenried unterrichtet. Dass es so kam, war nicht selbstverständlich. Im Gegenteil: Zwei Kandidaturen zum Studentenkonvent, 1972 für die „Kommunistische Studentengruppe / Marxisten-Leninisten“ und 1973 auf der Plattform des „Sozialistischen Zentrums“ und der „Kommunistischen Hochschulgruppe“ (KHG), riefen den Verfassungsschutz auf den Plan. Wegen des Radikalenerlasses drohte ein Berufsverbot.

Das Kultusministerium entschied zwar, dass Kretschmann zum Referendariat zugelassen wird, als er danach Lehrer werden wollte, gab es aber wieder Probleme. Im Wahlkampf 1976 hatte er an einer Veranstaltung des Kommunistischen Bundes Westdeutschland teilgenommen. Auch das meldete der Verfassungsschutz. Kretschmann konnte die Zweifel an seiner Verfassungstreue aber letztlich ausräumen und doch noch Lehrer werden.

2. Wie der Vater so der Sohn? Nicht im Hause Kretschmann

Wenn wir gerade bei der Berufswahl sind: Johannes Kretschmann, das mittlere von drei Kindern des Ministerpräsidenten und seiner Frau Gerlinde, wollte in den Bundestag einziehen. Das hat aber nicht geklappt. Der Grüne musste sich also nach einer neuen Tätigkeit umsehen – und lehrt jetzt schwäbisch. Vor Schülern spricht er etwa darüber, was den Dialekt eigentlich ausmacht, und auch auf Kleinkunstbühnen tritt er auf.

Für den 44-Jährigen ist es nicht der erste außergewöhnliche Beruf: Er war schon Sargträger. Auch ein Kochbuch hat er mitgeschrieben. Darin zu finden: schwäbische Gerichte für Veganer.

3. Kretschmanns Herz schlägt für den VfB

Winfried Kretschmann drückt übrigens regelmäßig dem VfB Stuttgart die Daumen. Seit rund 20 Jahren ist der baden-württembergische Ministerpräsident Mitglied beim Club aus Bad Cannstatt. Mit unserer Redaktion sprach er Anfang 2019 über seine Beziehung zum Fußball im Allgemeinen und zum VfB Stuttgart im Besonderen. Was er damals sagte, können Sie hier nachlesen.

4. Kretschmann, der Schauspieler

Kretschmann ist zwar eher dafür bekannt, offen und ehrlich seine Meinung zu vertreten, etwas Schauspielerei muss aber wohl jeder Politiker beherrschen. Und so wagte sich Kretschmann auf die große ZDF-Fernsehbühne. Im Dezember 2022 hatte er einen Gastauftritt in der Krimiserie „Soko Stuttgart“ – natürlich in der Rolle des Ministerpräsidenten.

Er sprach nur drei Sätze, blieb sich aber treu, verhielt sich so, wie man es von ihm kennt. Gefahr, sich lächerlich zu machen, lief er nicht.

5. Kretschmann und der Waschlappen

Anders sah das in einem Interview mit der Südwest Presse aus. Mit Blick auf die Energiekrise hatte er im August 2022 gesagt, dass man nicht dauernd duschen müsse, auch der Waschlappen sei eine „brauchbare Erfindung“. Dafür hagelte es prompt Kritik – von Ampelpartnern in Berlin und zahlreichen Menschen in sozialen Medien.

Die Hauptvorwürfe: Kretschmann versuche, die Bürger zu bevormunden, habe sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt und setze falsche Prioritäten.

6. Kretschmann und sein Sardinendosen-Auto

Apropos Sparen: Seit Februar fährt Kretschmann einen Elektro-Mercedes vom Typ EQS als Dienstwagen – und damit nicht nur günstiger, sondern laut der Deutschen Umwelthilfe auch äußerst grün. Der baden-württembergische Landesvater jedenfalls schwärmte von seiner Luxuslimousine. Er sei ein „vergnügter Nutzer des neuen Autos“, sagte er im vergangenen Jahr.

Für seinen Vorgänger, eine Mercedes S-Klasse mit Plug-in-Hybrid, hatte er dagegen weniger schmeichelhafte Worte übrig. „Ich hocke da wie eine Sardine in der Büchse“, sagte er im Jahr 2018.

StZ-Redakteur Andreas Müller hat das komplette Zitat von Winfried Kretschmann auf Facebook veröffentlicht:

7. Kretschmanns Ausraster bei Lanz

Ebenfalls für Gesprächsstoff sorgte Winfried Kretschmanns Ausraster bei Markus Lanz. Es ging um die Coronapandemie und Grundschulen und Kitas, die in Baden-Württemberg schrittweise wieder geöffnet werden sollten. Lanz erwischte bei Kretschmann offenbar einen Nerv mit seinen wiederholten Nachfragen, ob sich der Ministerpräsident mit seiner Entscheidung gegen die Coronastrategie der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den anderen Länderchefs stellt.

Kretschmann, der per Video ins Studio zugeschaltet worden war, schrie regelrecht in die Kamera. Wer die Szene vergessen hat, kann sie hier noch einmal anschauen:

8. Kretschmann, die Wespe

Eine Forscherin am Naturkundemuseum Stuttgart hat offenbar einiges für den grünen Ministerpräsidenten übrig. Jedenfalls benannte sie im April dieses Jahres eine bislang unbekannte Wespenart nach ihm. Weil sich Kretschmann für den Artenschutz engagiert, heißt das neu entdeckte Insekt also „Aphanogmus kretschmanni“.

Das Besondere: Die Wespe verfügt über sieben Stacheln am Hinterleib, was sie von bisher bekannten Arten unterscheidet. Außerdem ist sie nicht klassisch schwarz-gelb, sondern in unauffälligem schwarz-braun gefärbt.

9. Kretschmann, der Kaktus

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass ein Lebewesen nach Winfried Kretschmann benannt wurde. 2016 taufte der Ministerpräsident in Horb am Neckar einen neugezüchteten Kaktus auf den Namen „Cylindropuntia imbricata ‚Winfried Kretschmann‘“.

Die stachelige Pflanze kann mehr als zwei Meter hoch werden, bis minus 25 Grad aushalten, braucht nur wenig Wasser, muss nicht gedüngt werden und blüht zeitweise.„Größe, Widerstandsfähigkeit, Langlebigkeit und Ausdauer – alles Eigenschaften, die man sich von einem Politiker nur wünschen kann. Ich finde, der passt gut zu mir. Und ich freue mich, diesem Kaktus heute seinen Namen – meinen Namen – geben zu dürfen“, sagt Kretschmann damals.

10. Kretschmann und Froschkutteln

Noch was zur Stärkung am Schluss: Für Kretschmann geht es am Faschingsdienstag traditionell ins Rathaus Riedlingen im Kreis Biberach zum Froschkuttelnessen.

Am Fastnachtsdienstag tischte die Narrenzunft Gole dem Ministerpräsidenten wieder Froschkutteln im Rathaus Riedlingen auf (Archivbild). Foto: dpa

Mit Amphibien hat das Gericht aber nichts zu tun. Die Froschkutteln bestehen aus Rinderinnereien und einer besonderen Gewürzmischung. Der Name geht laut Legende darauf zurück, dass sich Riedlingen an der Donau als Storchenstadt versteht und die Leibspeise der Störche Frösche sind.