Winfried Kretschmann blickt zufrieden zurück auf seine Arbeit. Foto: factum/Weise

Der Beliebtheitsgrad des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann reicht laut Umfragen nicht, um den Fortbestand der grün-roten Koalition zu sichern. Aber wie er verrät, verfügt er über ganz besondere Fähigkeiten.

Ludwigsburg - Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Jahr 2011 hatte Winfried Kretschmanns Schuhwerk das Zeug zum Aufreger. Aus den bequemen Schuhen einer Bietigheimer Firma war der erste grüne Ministerpräsident plötzlich auf glänzende Budapester umgestiegen – um dann schnell wieder ins bequemere Fußbett zurückzuschlupfen. Da kein Tun ohne Symbolik ist, sprechen Schuhe also offenbar Bände. Was würden sie dann wohl von Kretschmanns Wahlkampfauftritt am Samstagabend in der voll besetzten Ludwigsburger Musikhalle berichten?

Offensichtlich ist: Kretschmann trägt wieder Glanzleder, freilich nichts allzu Angeberisches. Dennoch Schuhwerk, das, wenn wir beim Orakeln bleiben, deutlich sagt: ich bin zum Wahlkampf bereit. Ich will auch die nächsten fünf Jahre Ministerpräsident bleiben.

Kretschmann lässt sich Zeit, um zu erklären

Das ist seinem Habitus in den ersten Minuten des Abends nicht unbedingt anzumerken. Er sitzt auf der Bühne zusammen mit Jürgen Walter, dem Kulturstaatssekretär und Grünen-Kandidaten im Wahlkreis Ludwigsburg, und Stefan Siller, dem inzwischen pensionierten „SWR 1 Leute“-Urgestein. Das Format des Abends heißt Wahlkampftalkshow. Sie unterscheidet sich von TV-Formaten dadurch, dass nicht alle wild durcheinanderreden, sondern einander ausreden lassen. Was natürlich daran liegt, dass alle einer Meinung sind und Kretschmann in seinen Antworten gern etwas länger ausholt, weil sich nur so manchmal Zusammenhänge erklären lassen. Dazwischen blitzt aber sein trockener Humor auf. Etwa, wenn er, auf das Thema „Auto und Umwelt“ angesprochen, sagt: „Auch der kommunistische Funktionär in China muss diese Luft einatmen.“ Das ist schwäbischer Pragmatismus, der unaufgeregt daherkommt.

Äußerst geräuschlos verläuft schon Kretschmanns Ankunft vor der Halle. Der einsame Demonstrant, der gegen den Bildungsplan der grün-roten Regierung protestiert, ist bereits wieder verschwunden, als das Kretschmann-Mobil vorfährt: grün und aus der Schmiede eines Untertürkheimer Automobilherstellers. Ein Kleinbus. Auftritte in Bruchsal und Sinsheim hat Kretschmann an diesem Tag schon absolviert. Jetzt also Ludwigsburg. Kein Menschenauflauf vor der Musikhalle. Kretschmann steigt aus, läuft zu der Polizeibeamtin und ihrem Kollegen, welche die Lage beobachten. Er schüttelt Hände, sagt beiden Grüß Gott, bevor er zu der grünen Begrüßungsabordnung um Jürgen Walter geht. Das hat beinahe schon Stummfilmcharakter. Keine lauten Worte, keine Musik zum Einzug in die Halle. Der Gast kommt und ist da. Punkt. Aus. Gut. Sein Beliebtheitswert liegt auch so bei 72 Prozent. Trotzdem ist die grün-rote Mehrheit laut Umfragen alles andere als sicher.