Der grüne Ministerpräsident scheint auf Gegenkurs zu seiner Justizministerin. Bei näherer Betrachtung sind die Koalitionspartner aber eng beieinander.
Baschar al Assad saß gefühlt noch im Flugzeug auf dem Weg nach Moskau, da begann hierzulande bereits die Diskussion darüber, was das für Auswirkungen auf die Flüchtlinge haben könnte, die in den vergangenen Jahren Syrien verlassen haben und in Deutschland untergekommen sind. Das sind rund eine Millionen Menschen. Von nirgendwo anders her mit Ausnahme der Ukraine haben mehr Menschen in Deutschland Schutz gesucht.
Diskussion um den Schutzstatus
Vor allem aus der Union kommen Äußerungen, die in die Richtung deuten, dass mehr Syrer als bisher wieder den Weg nach Hause nehmen könnten – freiwillig oder mit mehr oder weniger sanftem Druck. In Bund und Land weisen ihre Vertreter darauf hin, dass der Schutzstatus für Syrer entfallen könne. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Alexander Thom hat das gesagt, und auch die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges. Ganz anders hingegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der Landespressekonferenz am Dienstag. „Unmittelbar und direkt ändert sich nichts“, so der Grünen-Politiker zur Situation der syrischen Flüchtlinge im Land.
Was nach Widerspruch und Koalitionskrach klingt, ist bei genauer Betrachtung allerdings gar keiner. Grün und Schwarz liegen bei diesem Thema enger beieinander als die raschen Überschriften der Nachrichten vermuten lassen.
Nichts genaues über die Lage bekannt
Winfried Kretschmann führt zwei Tage nach der Flucht des syrischen Langzeitdiktators aus, was derzeit über die Lage in Syrien bekannt ist: nichts Genaues. Es sei unklar, was kommt, man wisse nicht, was als nächstes geschehe. Die Zufriedenheit über das Ende des Assad-Regimes sei zwar gegeben, ein friedlicher Übergang aber gleichwohl nicht mehr als eine vage Hoffnung. „Das ist aber die Grundlage für die Schutzsuchenden bei uns, um wieder zurück zu gehen“, sagt Kretschmann.
Ähnlich äußert sich die Justizministerin. Wer vor den Folterknechten des Regimes geflohen ist, der muss deren Härte nun mutmaßlich nicht mehr befürchten. Allerdings: Es sei nicht sicher, welche Ordnung dem Assad-Regime nachfolgen werde, sagt auch Gentges. „Deshalb vermag ich derzeit noch keine Einschätzung dazu abzugeben, ob und in welchem Umfang Rückführungen von vollziehbar ausreisepflichtigen Syrern ganz konkret wieder möglich sein werden.“
13 Millionen Menschen leiden an Hunger
Unstrittig ist, dass die humanitäre Lage in Syrien auch nach dem Machtwechsel katastrophal ist. Nach Angaben der Welthungerhilfe können sich knapp 13 Millionen Menschen nicht ohne Hilfe ausreichend ernähren. Nach 13 Jahren Bürgerkrieg sei die wirtschaftliche Situation desolat und die landwirtschaftliche Produktion stark eingeschränkt. Das werde sich auch nach dem Ende des Assad-Regimes nicht kurzfristig ändern. In der Mehrzahl der Fälle wurde Geflüchteten aus Syrien in Deutschland in den vergangenen Jahren kein Asyl gewährt, sondern ein sogenannter subsidiärer Schutzstatus. Das geschieht, wenn Personen nicht als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden, aber dennoch ernsthaft bedroht sind und Schutz benötigen.