Mit dem Auto zur Schule: für das eigene Kind vielleicht Sicherheit, für die anderen aber mehr Unsicherheit Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Jedes fünfte Grundschulkind wird mit dem Auto zum Unterricht gebracht. Die Verkehrsverhältnisse, die dadurch vor Schulen entstehen, bergen Gefahren. Dagegen machen nun der Auto-Club Europa (ACE) und das Landesverkehrsministerium mit der Aktion „Goodbye Elterntaxi“ mobil.

Stuttgart - Reinhard Mohr hat am Montagmorgen genau gezählt. 53 Elterntaxis hätten zwischen 7 und 9 Uhr vor der Grundschule Sommerrain gehalten und ihre Sprösslinge abgesetzt, sagte der Regionalbeauftrage des Auto-Clubs Europa (ACE) am Vormittag bei einer Pressekonferenz. Der ACE organisiert zusammen mit Grundschulen bundesweit die Aktion „Goodbye Elterntaxi“, in Baden-Württemberg hat Verkehrsminister Winfried Hermann die Schirmherrschaft übernommen.

Ziel der Aktion ist es, Unfallgefahren im unmittelbaren Schulumfeld zu vermeiden und die Selbstständigkeit der Kinder zu stärken. Dazu gehört die morgendliche Verkehrsbeobachtung. Im Anschluss daran besprechen Mitarbeiter des ACE zusammen mit Vertretern der Schule mögliche Lösungsansätze. Bei seiner Zählung musste Mohr denn auch einige Delikte feststellen.

Jeden Morgen viele Verkehrsverstöße

Zehn Elterntaxis hätten sich ins Halteverbot gestellt, drei verkehrswidrig auf dem Gehweg angehalten, vier eine Einfahrt zugeparkt. Ein Elternteil habe in der zweiten Reihe gehalten und den Sohn zur Beifahrerseite aussteigen lassen. „In dem Moment kam gerade ein Postmitarbeiter mit seinem Elektrofahrrad angefahren. Der musste kräftig in die Eisen steigen, sonst wäre wohl etwas passiert“, schilderte Mohr.

Morgendlicher Stress und übertriebene Fürsorge nennt er als Hauptgründe für die Tatsache, dass nach aktuellen Erhebungen bundesweit jedes fünfte Kind mit dem Auto gebracht wird. „Die Eltern missachten die Sicherheit anderer Kinder, wenn sie ihre Kinder im großen Auto schützen“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann. Der Minister nannte Stellschrauben, an denen man drehen kann: Denkbar sei beispielsweise ein zeitlich befristetes Halteverbot vor der Schule oder die Einrichtung eines sicheren Platzes zum Aussteigen ein paar hundert Meter von den Schulen entfernt.

Aufklärung der Eltern wirkt

Die Grundschule Sommerrain veranstaltet seit Jahren viele eigene Aktionen zum Thema und beteiligt sich am Programm „Sicher zu Fuß zur Schule“ der Stadt Stuttgart. „Wir halten das Thema wach, denn in einer Grundschule gibt es immer neue Eltern, denen man die Augen öffnen muss“, sagte Schulleiterin Ruth Möller. Möller sieht Ergebnisse dieser Aufklärungsarbeit. Nachdem die Situation in den Jahren 2016 und 2017 besonders schlimm gewesen sei, habe sie sich in der jüngsten Zeit deutlich entschärft. „Wir haben damals die Bemühungen intensiviert und bauliche Veränderungen durchgeführt. Das hatte deutlichen Erfolg.“

So wurden zum Beispiel auf den Gehwegen im Edelweißweg mittlerweile Poller angebracht, die es Autofahrern erschweren, dort anzuhalten. Außerdem spricht die Schulleiterin seit diesem Schuljahr gleich beim Einschulungsgespräch über das Problemthema Elterntaxis und nicht erst, wie früher, beim Elternabend.

Selbstständigkeit der Kinder stärken

Auch Frank-Peter Fischer, Vorsitzender des Elternbeirats, wies auf die Bedeutung hin, dass man Eltern frühzeitig auf das Problemthema aufmerksam macht. Grundsätzlich gehe es darum, die Selbstständigkeit und die Eigenverantwortlichkeit der Kinder zu stärken. Sowohl Fischer als auch Ruth Möller räumten gleichzeitig ein, dass manche Eltern für derlei Appelle gänzlich unempfänglich seien.

Vom Dieselfahrverbot betroffene Familien können sich unterdessen wenig Hoffnung darauf machen, eine Ausnahmegenehmigung für den morgendlichen Bringverkehr zu erhalten. Auf Anfrage sagte Winfried Hermann, dass es zwar sozial begründete Härtefälle geben könne, etwa dann, wenn Kinder ihren Schulweg nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen könnten. „Aber so eine Schule müsste man mir in Stuttgart erst mal zeigen, wo das nicht möglich ist“, so Hermann.