Nicht nur bundesweit herrscht beim Ausbau der Windkraft zur Zeit ziemliche Flaute. Auch in Baden-Württemberg ist der Neubau zum Erliegen gekommen. Das Ausbauziel 2020 ist nicht mehr zu erreichen.
Stuttgart - Nachdem der Ausbau der Windenergie in ganz Deutschland ziemlich zum Erliegen gekommen ist, sind nicht nur Arbeitsplätze bei den Anlagenbauern, sondern auch die Energiewende und die Klimaziele gefährdet. Deshalb wollen Bund, Länder und die Wirtschaft der Branche wieder Aufwind verschaffen. Allerdings hat der Windenergiegipfel von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in dieser Woche noch keine Verständigung erbracht, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Welche Rolle spielt Wind bei der Stromerzeugung bundesweit?
Zwischen Nordsee und Alpen stehen laut den Informationen des Bundesverbands Windenergie (BWE) insgesamt 29 248 Windkraftanlagen mit einer Leistung von gut 53 000 Megawatt (Stichtag: 30. Juni 2019). Die Windenergie hat sich im Zuge des Atomausstiegs und der Energiewende zur Nummer eins bei der Stromerzeugung in Deutschland gemausert. Im ersten Halbjahr lieferte Windkraft nach einer Bilanz des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme 67,2 Terawattstunden – deutlich mehr als Braunkohlekraftwerke (53,0 Terawattstunden) und Atommeiler (34,7 Terawattstunden).
Problematisch ist, dass die Ausbaudynamik der vergangenen Jahre fast völlig zum Erliegen gekommen ist. Schon 2018 war ein schwaches Jahr: Bundesweit wurden 743 neue Windanlagen gebaut. Im ersten Halbjahr 2019 kamen laut BWE republikweit nur noch 86 neue Windanlagen dazu – zugleich wurden 51 Altanlagen abgeschaltet.
Wie sieht es in Baden-Württemberg aus?
In Baden-Württemberg gibt es laut Windenergieverband derzeit 725 Windanlagen mit einer kumulierten Leistung von 1529 Megawatt. Im vergangenen Jahr wurden im Südwesten 26 neue Windräder aufgestellt – im ersten Halbjahr 2019 war es ein einziges. Zum Vergleich: In Rheinland-Pfalz wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 15 neue Anlagen installiert, in Bayern, Hessen und im Saarland gab es gar keinen Zubau.
Erfüllt der Südwesten seine eigenen Ausbauziele?
Nein. Im Winderlass von 2012 hat die damals grün-rote Landesregierung sich vorgenommen, bis 2020 mindestens zehn Prozent des Stroms in Baden-Württemberg aus heimischer Windenergie bereit zu stellen. Um das zu erreichen sei es erforderlich, „im Land rund 1200 neue Windenergieanlagen mit einer Leistung von je etwa drei Megawatt zu errichten“, heißt es im Erlass. Zusammen mit den damals bereits vorhandenen Anlagen werde damit eine Strombereitstellung von etwa sieben Terawattstunden pro Jahr ermöglicht. 2012 ergab die Bilanz nur 0,7 Terawattstunden Windstrom; das waren 1,1 Prozent der Stromerzeugung insgesamt.
Wie die Zahlen des BWE und die eigenen Statistiken zeigen, ist die Landesregierung weit entfernt davon, dieses Ziel zu erreichen. Laut dem jüngsten „Energiebericht kompakt“ von Umweltministerium und Statistischem Landesamt ergibt die Jahresbilanz 2017 – das sind die aktuellsten verfügbaren Zahlen – 2,0 Terawattstunden Windstrom im Südwesten; das entspricht einem Anteil von 3,3 Prozent am Strommix. Trotz Zubau von 26 Windrädern im Vorjahr plus einer Anlage im ersten Halbjahr 2019 wird es bis 2020 nicht gelingen, den Anteil der Windenergie noch auf zehn Prozent zu steigern.
Zwar hat die Landesregierung den Winderlass von 2012 im Mai dieses Jahres außer Kraft gesetzt. Aber in einem Begleitschreiben macht Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) deutlich, dass seine Fixpunkte weiter Gültigkeit behalten. „Die Inhalte des Winderlasses verlieren . . . dennoch nicht an Bedeutung, sondern können weiter als Orientierungsgrundlage in der Praxis angewandt werden“, heißt es in dem Papier.
Was bedeutet die Windstromflaute für die gesamtdeutsche Klimabilanz?
Derzeit produzieren die Windräder der Republik rund 25 Prozent des Stroms in Deutschland, alle Erneuerbaren Energiequellen zusammen bringen es auf 47,3 Prozent. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, wäre es notwendig, diesen Anteil in den nächsten zehn Jahren auf 65 Prozent zu steigern. Der Windausbau spielt dabei eine Schlüsselrolle. Experten halten mit Blick auf das aktuelle Ausbautempo lediglich etwa 54 Prozent für realistisch. Damit ist auch das Klimaziel der Bundesregierung gefährdet, die Emissionen bei der Energieerzeugung bis 2030 um 61 bis 62 Prozent zu drosseln.